Die beiden Aufsichtsratsvorsitzenden des HSC 2000 Coburg und des HC Erlangen sprechen über ihre Ziele, Transferpolitik und ganz viel Geld.
Bemerkenswerte Antworten gab es im großen Tageblatt-Interview mit den beiden Aufsichtsratsvorsitzenden des HSC 2000 Coburg und des HC Erlangen. Matthias Dietz (HSC) und Carsten Bissel (HC) gaben wenige Tage vor dem Prestigeduell in der 1. Handball-Bundesliga unverblümt Einblicke in ihr Vereinsleben, nannten konkrete Zahlen, räumten Fehler ein und wagten auch einen Tipp für das Derby am Samstag ab 19 Uhr in der Coburger HUK-Arena.
Der Erlanger Rechtsanwalt ist sich nach eigenen Worten definitiv sicher, dass sein Klub - derzeit immerhin Tabellenachter mit 16 Punkten mehr auf dem Konto als die Vestestädter - keinen Cent mehr für die Mannschaft und Trainer ausgibt, als die "Schwarz-Gelben"! Und auch der Neustadter Stadtrat spricht über Geld: "Weder die GmbH noch der Verein hat Zahlungsschwierigkeiten".
Herr Bissel, Herr Dietz, wie sind Sie mit dem bisherigen Abschneiden Ihrer Mannschaft zufrieden?Carsten Bissel: Wir sind mit dem Abschneiden unseres Teams sehr zufrieden. Es war nicht abzusehen, dass wir uns als Aufsteiger in der Handball-Bundesliga so schnell durchsetzen können.
Matthias Dietz: Die Stimmung ist grundsätzlich gut. Auch wenn das der aktuelle Tabellenplatz nicht vermuten lässt. Die Mannschaft und auch die Funktionäre sind einiges gewohnt, da steckt man eine Niederlage wie am Samstag in Solingen schnell weg und geht ab Montag wieder zum Tagesgeschäft über, um an den Fehlern des Wochenendes zu arbeiten.
Glauben Sie nach der Niederlage beim Bergischen HC jetzt noch an den Klassenerhalt? Dietz: Natürlich ist es nicht unser Anspruch abzusteigen, nach den letzten beiden Rückrundenspielen ist aber die Wahrscheinlichkeit, die Klasse zu halten, äußerst gering. Das muss man sich selbst eingestehen. Wir kämpfen dennoch bis zum letzten Spieltag und genießen einfach die Top-Mannschaften, die alle zu uns in unser Wohnzimmer kommen. Irgendwann muss ja auch mal unsere Verletztenmisere aufhören - und dann ist vielleicht doch die ein oder andere Sensation möglich.
Und Sie Herr Bissel, trauen Sie den Coburgern den Klassenerhalt noch zu?Bissel: Ich halte es durchaus für möglich, dass der HSC Coburg in der Bundesliga bleibt. Er hat viele Spiele nur knapp verloren und sich bisher in der Liga gut präsentiert. Wir selbst schauen aber auf uns. Damit sind wir gut gefahren.
Dann lassen Sie uns auf den HCE schauen. Wie lautet das Fernziel? Kann Erlangen eines Tages sogar weiter oben mitspielen?Bissel: Der HC Erlangen hat unverändert das Ziel, sich Stück für Stück weiter zu entwickeln. Wir wollen uns in der Bundesliga etablieren und die sehr positive Ausstrahlung, die wir uns erarbeitet haben, weiter ausbauen.
Die Transferpolitik beim HC Erlangen wirkt sehr strukturiert und gut durchdacht. Die Mannschaft wurde in den letzten Jahren sinnvoll verstärkt und ergänzt. Auffallend auch, dass Ihre Verpflichtungen kaum Verletzungsprobleme haben. Wo liegt Ihr Geheimnis? Wer sucht die Spieler aus?
Wer sucht die Spieler aus?Bissel: Wir versuchen bereits seit Jahren, unsere Transferpolitik sehr weitsichtig zu gestalten. Nico Büdel beispielsweise verfolgen wir seit 2010, als er uns in Groß-Umstadt aufgefallen war. Dass wir Büdel nun aus Coburg geholt haben, ist reiner Zufall. Wir beobachten jeden Spieler, den wir holen wollen mehrfach persönlich durch Scouts und führen mit dem Spieler und seinem Umfeld Gespräche, bis wir uns entscheiden, uns mit ihm zu verbinden.
Wir haben nach langen Überlegungen und vielen Gesprächen unsere medizinische Abteilung auf ein sehr hohes Niveau gebracht. So wird unsere Mannschaft beispielsweise bei jedem Training und Spiel von einem arrivierten Athletiktrainer betreut, der zuvor beispielsweise für Fußballprofis, wie Özil und Mertesacker, tätig war. Aber auch von einer exzellenten Reha-Ärztin, die aus dem Profifußball kommt. Physiotherapeuten aus dem Profisport kommen dazu. Dennoch sind natürlich auch wir vor Verletzungen nicht gefeit. Unser wichtiger Neuzugang und Kreisläufer, der slowenische Nationalspieler Uros Bundalo, der bis heute wegen eines Kreuzbandrisses für uns kein einziges Spiel bestritten hat, belegt dies. Er fehlt uns im Übrigen sehr.
Die aktuelle Tabellensituation des HSC ist unbefriedigend. Würden Sie rückblickend auch Versäumnisse oder gar Fehler bei der Transferpolitik einräumen?Dietz: Spielereinkäufe sind immer mit Unsicherheiten behaftet. Unser Trainer Jan Gorr legt viel Wert auf das Mannschaftsgefüge. Die Spieler müssen nicht nur sportlich, sondern auch in das soziale Gefüge passen. Hier hatten wir bisher gute Erfolge. Selbstverständlich gab es den ein oder anderen schlechte Transfer - gerade mit Franzosen hatten wir bisher kein glückliches Händchen - aber gerade Nico Büdel, ist ein Beispiel für einen guten Einkauf. Nico hat sich unter Jan Gorr nochmals weiterentwickelt und ist jetzt zu einem guten Erstligaspieler gereift.
Konnte oder wollte sich der HSC 2000 Coburg mit keinen weiteren, eventuell auch Erstliga-erfahreneren Spielern ergänzen. Der Etat für die 1. Mannschaft ist nach den Worten von Vorstandssprecher Stefan Apfel der mit Abstand kleinste aller Erstligisten.Dietz: Wir haben mit Tom Wetzel einen klasse jungen deutschen Spieler mit viel Potenzial verpflichtet. Es war leider nicht abzusehen, dass er sich im ersten Spiel so schwer verletzt, dass er für lange Zeit ausfällt. Eine Nachverpflichtung stand für uns diesen Winter nicht zur Debatte. Die letzten Jahre hatten gezeigt, dass man mit den Spielern, die verfügbar wären, nicht viel erreichen konnte. Auch ist es unsere Pflicht, das wirtschaftliche Risiko zu minimieren. Wir machen keine überteuerten Transfers, die uns dann am Ende der Saison in Zahlungsschwierigkeiten bringen könnten.
Apropos Zahlungsschwierigkeiten. Wie ist der Stand der Dinge in Sachen Steuerschulden? Bekommt der HSC in absehbarer Zeit die Kurve? Dietz: Weder die GmbH noch der Verein hat Zahlungsschwierigkeiten. Allen Verbindlichkeiten wird fristgerecht nachgekommen. Die "Altlasten" der Steuerprüfung der GmbH sind bereits letztes Jahr vollumfänglich bezahlt worden. Letztes Kapitel sind nur noch die Veranlagungen für die Jahre 2014 bis 2015, die aus der Betriebsprüfung hervorgehen. Aber auch hier wird die GmbH allen Verpflichtungen nachkommen.
Den großen Brocken, den uns das Finanzamt in den Weg gelegt hat, haben die Verantwortlichen dank vieler Unterstützer - hier nochmals mein besonderer Dank an die beiden Geschäftsführer Florian Dotterweich und Steffen Ramer sowie unserem Steuerberater Mathis Neumann, aber auch allen Ehrenamtlichen, allen voran Stefan Apfel, die Unterstützung geleistet haben sowie auch an viele Sponsoren, die hinter dem Projekt Handball in Coburg stehen - erfolgreich aus dem Weg geräumt.
Herr Bissel, der HSC Coburg kann sich anscheinend Spieler wie Haass, Guardiola oder neuerdings auch Schröder nicht leisten. Ist der Etat des HC Erlangen wirklich so viel höher für die 1. Mannschaft als der der Vestestädter?Bissel: Der Etat des HSC Coburg und des HC Erlangen für Spieler und Trainer liegen jeweils bei gut zwei Millionen Euro. Ich weiß definitiv, dass uns kein höherer Spieleretat, als Coburg zur Verfügung steht. Dabei muss bedacht werden, dass unser Kader nur zwölf Spieler plus drei Junioren, die im Wesentlichen im Bayernliga-Team zum Einsatz kommen, umfasst. Allerdings ist der Gesamtetat des HC Erlangen höher, weil wir mehr als Coburg für die Bewirtschaftung unserer Spielstätte in Nürnberg und wohl auch mehr für das Funktionsteam ausgeben.
Wie sehr hemmt dem HSC die finanzielle Belastung, die zweifelsohne durch die bestehenden Steuerschulden vorhanden sind, derzeit die sportliche Weiterentwicklung der Mannschaft. Müssen die Fans nach Steffen Coßbau und Nico Büdel weitere schmerzhafte Abgänge am Saisonende verkraften?Dietz: Im Profisport ist es normal, dass Spieler zu anderen Vereinen wechseln, wenn sie dort eine bessere sportliche Zukunft sehen. Das würden Sie als Leistungssportler sicher ähnlich sehen. Das hat aber nichts mit finanziellen Problemen zu tun.
Sportlich entwickelt sich die Mannschaft von Spiel zu Spiel besser. Schauen Sie einfach mal, was aus Philipp Barsties geworden ist. Nach seiner langen Verletzung spielt er eine klasse Saison. Wenn Sie Steffen Coßbau ansprechen, so sind die damaligen Verantwortlichen in der Luft zerrissen worden, einen so derart verletzten Spieler zu verpflichten. Jan hat ihm immer das Vertrauen geschenkt und ihn wieder zu alter Leistungsfähigkeit gebracht. Auch hier stehen eher persönliche Gründe an erster Stelle.
Der HSC hat mit seinen beiden aktuellen Torstehern - Jan Kulhanek und Oliver Krechel - die Verträge vorzeitig verlängert. Hat Ihr Klub darüber hinaus einen weiteren Torwart für die nächste Spielzeit im Visier?Dietz: Wir haben mit unseren beiden Torstehern ein gutes Duo, das sich gut ergänzt. Jan ist aktuell auf dem 12. Platz der Torsteher in der ersten Liga mit 145 Paraden - vor Größen wie Landin oder Putera. Aus diesem Grund haben wir auch die beiden Verpflichtungen getätigt. Weiteren Handlungsbedarf sehe ich nicht. Es wäre natürlich immer schön, einen weiteren starken Torsteher zu haben, aber unsere wirklichen Baustellen sind wohl eher an andere Stelle zu suchen.
Mehrere Spielerverträge laufen am Saisonende aus, bekommt die Mannschaft ein neues Gesicht? Wie viele Neuzugänge sind geplant? Vor allem auf der Linksaußenposition gibt es ja noch weiteren Bedarf.Dietz: Wie bereits gesagt, ist es normal, dass man am Ende der Saison Spieler verliert aber auch neue Spieler in die Mannschaft integrieren muss. Dies haben wir bisher immer in einem ausgeglichenen Verhältnis bewerkstelligen können. Auch kommende Saison wird das so sein. Unsere beiden Torsteher und Markus Hagelin wurden weiter verpflichtet, es stehen noch viele weitere Personalentscheidungen an und sicher gibt es auch noch die ein oder andere Überraschung für unsere Fans.
Auf Linksaußen wurde mit Felix Sproß ein großes deutsches Talent verpflichtet und schließlich ist es ja auch Ziel unserer eigenen ausgezeichneten Jugendarbeit, junge Talente in die erste Mannschaft zu bekommen.
Die Entscheidung von Nico Büdel, nämlich den HSC in Richtung Erlangen am Saisonende zu verlassen, hat für viel Diskussionsstoff gesorgt. Ist die Finanzkraft der Erlanger also doch größer?Bissel: Ich kann Ihnen nicht sagen, was Nico Büdel dazu bewogen hat, den Verein zu wechseln. Ich gehe davon aus, dass es im Wesentlichen sportliche Gesichtspunkte waren.
Dietz: Das müssen Sie Nico schon selbst fragen. Ich bin nicht in seine Vertragsverhandlungen eingebunden. Wenn ich seinen Äußerungen uns gegenüber Glauben schenken darf, so hat er sich ausschließlich aus sportlichen Gründen für den Wechsel entschieden. Für ihn war es wichtig kommende Saison mit Sicherheit in der 1. Liga zu spielen. Diese Sicherheit können wir ihm leider nicht geben.
Auch zur Finanzkraft des Erlangener HC kann ich nicht viel sagen. Erlangen hat sehr vom Wechsel nach Nürnberg profitiert und das Einzugsgebiet an potentiellen Sponsoren sehr vergrößert.
Können Sie Ihre Sicht über die Vorgänge beim Hinspiel schildern? In Coburg gab es massive Klagen über angeblich völlig überzogene Einlasskontrollen, die als Schikanen betrachtet wurden. Außerdem kam es ja zu einem unrühmlichen Vorfall zwischen einem HCE-Sponsor und einem HSC-Geschäftsführern nach dem Spiel.Bissel: Ich war und bin mit den von Ihnen als "Vorgängen" bezeichneten Sachverhalten des Vorspieles nicht befasst. Der HC Erlangen hat nach meiner Kenntnis dazu ausführlich Stellung genommen. Beide Vereine sind gut beraten, sich auf die eigenen Themen zu konzentrieren und nach vorne zu schauen. Dabei gilt es, unabhängig vom Konkurrenten einen eigenen Weg zu finden und weitsichtig und geduldig zu planen.
Dietz: Da gibt es nicht viel zu sagen. Hier gab es gewisse Vorfälle, die aber ausgeräumt wurden. Wir schauen positiv nach vorne und erwarten ein packendes Derby mit ausverkaufter Halle.
Und wie endet dieses packende Derby Ihrer Meinung nach?Bissel: Das Ergebnis eines einzelnen Bundesligaspiels ist schwer vorher zu sagen. Es gibt viele Faktoren, die das Spiel beeinflussen können.
Dietz: Anhand der Tabellensituation ist klar, wer die Nummer eins in Franken ist. Aber Derbys haben immer ihre eigenen Gesetze. Oben ist ja oberhalb der Mitte, also warum sollten nicht die Oberfranken mal die Mittelfranken schlagen. Unmöglich ist das nicht. Ich glaube an die kämpferische Stärke unseres Teams und hoffe auf einen Sieg.
Zu den Personen
Matthias Dietz ist Diplom-Wirtschaftsingenieur und Geschäftsführer der Federfabrik Dietz in Neustadt. Er sitzt für die CSU im Neustadter Stadtrat. Der Gesellschafter des HSC ist seit kurzem auch Vorsitzender des neuen Aufsichtsrates beim HSC 2000 Coburg.
Dr. Carsten Bissel führt eine Rechtsanwaltskanzlei in Erlangen. 2016 wurde er vom Handelsblatt/Best Lawyers unter "Deutschlands beste Anwälte" im Bereich Gesellschaftsrecht ausgezeichnet. Er ist seit einigen Jahren Aufsichtsratsvorsitzender des HC Erlangen.
Am bemerkenswertesten finde ich die Aussage von Dr. Bissel, dass beide Mannschaften über einen gleich hohen Spieleretat verfügen!

Wenn das so richtig ist, dann hat man in Coburg die Hausaufgaben nur sehr unzureichend erledigt und verdient dafür, aus meiner Sicht, ein ungenügend!
Wer hat das zu verantworten? Ein Herr Heyder wohl kaum mehr.
Mich wundert nur, dass hier so viel vordergründige Ruhe herrscht, während das Fahrzeug HSC schón tief im Graben steckt.
Na ja, dann hat man, so hoffe ich, wenigstens einen HUK-Schutzbrief und bekommt bald die nötige Pannenhilfe