Wo in Coburg könnte ein neues modernes Klinikum gebaut werden - und vor allem: Was sollte dann da gebaut werden?
Das BGS-Gelände an der Lauterer Straße war jahrzehntelang Norbert Tessmers berufliches Zuhause: Als Beamter des Bundesgrenzsschutzes hat er dort Karriere gemacht, diente sich hoch bis zum Hundertschaftsführer. Bis heute kann er nicht verstehen, warum der Bund diese Polizeikaserne 1999 aufgab. Als "strukturpolitische Fehlentscheidung" bezeichnet Tessmer das heute noch.
Nun sieht der Oberbürgermeister offenbar die Chance, die strukturpolitische Fehlentscheidung auszugleichen. Er sei gefragt worden, "ob es in Coburg ein Grundstück gäbe, auf dem man eventuell ein Klinikum bauen könnte nach neuesten Gesichtspunkten", sagte er gestern im Gespräch mit den Coburger Tageszeitungen.
Dass ihm dabei zuerst das BGS-Gelände einfiel, liegt aber nicht nur wegen seiner beruflichen Vergangenheit auf der Hand: "Es ist ein Riesenareal, rund 13 Hektar, und wir hätten eine Schmuddelecke beseitigt in der Nachbarschaft der HUK Coburg." Das "Brachen- und Ruinengelände" sei der gesamten Stadt nicht förderlich, sagt der OB.
Außerdem liege das Gelände "strategisch günstig" in der Nähe eines Verkehrsknotenpunktes, macht der OB geltend. Und er sieht die Chance, einige der alten Gebäude zu erhalten. "Es ist ja ein Baustil, der für die Zeit prägend war." Außerdem sei zum Beispiel die alte Fachschule "gar nicht so marode". In diesem Gebäude hatte Tessmer einst selbst unterrichtet, als er noch im BGS-Dienst war.
Er wolle diese "Vision" nun zur Diskussion stellen, betonte der OB - wobei es schon weiter reichende Überlegungen dazu gibt (siehe unten). Ein Abzug des Klinikums aus der Ketschendorfer
Straße brächte auch Vorteile dort, meint Tessmer und verweist auf die Parkplatznot im Bereich rund um das Klinikum. Würde das 600-Betten-Haus dort abgezogen, würde im Coburger Süden ein großes Areal frei. "Coburgs neuer neuer Süden", sagt Tessmer und spielt damit auf Diskussionen vor knapp zehn Jahren an. Damals konkurrierten zwei Konzepte für den Bereich Anger/Kongresshaus um die Gunst der Coburger: Das "Neue Innenstadtkonzept", maßgeblich initiiert vom Vorsitzenden der Brose-Gesellschafterversammlung, Michael Stoschek, und "Coburgs neuer Süden", das von Stadt und Stadtratsmehrheit favorisiert wurde.
Doch über seine Visionen in Sachen Ketschendorfer Straße wollte Tessmer sich am Montag nicht weiter äußern. Zu entlocken war ihm lediglich, dass er "städtebauliche Chancen" sieht.
"Visionen darf man ja haben."
"Das Klinikum kann noch fünf Jahre so weiterarbeiten, aber länger nicht"
Joachim Bovelet hat schon einige Kliniken gebaut in seinem Leben, sagt er. In Lichtenfels entsteht gerade ein Klinikneubau neben dem alten, und auch in Coburg müsse über große Investitionen nachgedacht werden, sagt der Regiomed-Geschäftsführer. Problem beim Klinikum Coburg: Am Standort Ketschendorfer Straße gibt es keine Erweiterungsmöglichkeiten. "Das jetzige Klinikum kann noch fünf Jahre weiterarbeiten, länger nicht. Ohne riesige neue Investitionen ist der Standort nicht zu halten, und er wird nie in einen Standard kommen, der den heutigen Anforderungen entspricht", sagt Bovelet.
Also neu bauen.
Es gebe einen Beschluss der Gesellschafter der Regiomed GmbH, dass er bis Jahresende eine Machbarkeitsstudie anfertigen solle für einen neuen Gesundheitscampus Regiomed auf dem BGS-Gelände, berichtet der Geschäftsführer. Die Gesellschafter von Regiomed sind die Landkreise Coburg, Hildburghausen, Lichtenfels und Sonneberg sowie die Städte Hildburghausen und Schleusingen. Für die Machbarkeitsstudie braucht Bovelet nicht nur eine Kostenschätzung, sondern auch einen Plan für die Finanzierung.
Er habe fünf europaweit tätige Städtebaubüros gebeten, Ideenskizzen anzufertigen, berichtet Bovelet. Er würde nicht nur das vorhandene Klinikum mit geriatrischer Rehaklinik aufs BGS-Gelände verlegen wollen, sondern gleich einen ganzen Gesundheits-Campus bauen: "Klinikum, Prävention, Gesundheitsförderung, Fort- und Weiterbildung, Altenhilfe, Reha, Wellness", zählt der Geschäftsführer auf.
Kurz, alles von der Vor- bis zur Nachsorge an einem Ort unterbringen, "ein komplett neuartiger Ansatz - das, was die Politik fordert".
So etwas sei nur möglich, wenn ein Gelände zur Verfügung steht, das komplett neu entwickelt werden kann, und es brauche natürlich Mut dafür, räumt Bovelet ein. Zwischen 300 000 und 350 000 Euro pro Bett koste ein Klinikneubau, allein der Ersatz des vorhandenen Klinikums also 200 Millionen Euro, rechnet der Geschäftsführer vor. "Aber das halte ich für den unteren Rand." Nicht alles soll Regiomed finanzieren. Bovelet spricht von Investitionsspartnern, die er finden will für Patientenhotels oder Rehazentren, von einem "Modellprojekt, das die Kostenträger überzeugt". Auch mit solchen Dingen hat er Erfahrung. Bovelet baute das erste Kinderhospiz in Deutschland.
Und dann soll alles auch noch schnell gehen: Normalerweise dauere es zehn Jahre von den ersten Ideen bis zur Baufertigstellung. Bovelet gibt sich und Coburg viereinhalb. So lange läuft sein Geschäftsführervertrag gar nicht mehr. "Das muss auch ohne Ansehen der Person funktionieren", betont er. "Ich habe bisher viele Sachen einfach mal angefangen, und das hat dann auch geklappt."