Und ewig grinst der Boll...

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Auch am Dienstagabend in Neustadt eine Klasse für sich: Der 34-jährige Timo Boll gewann das Kurzturnier souverän. Der ständig gute Laune ausstrahlende Weltklassespieler gilt als einer der klügsten Taktiker in dieser Sportart und als besonders fairer Sportsmann. In China, dem Land der Weltmeister, ist er einer der populärsten Deutschen. Fotos: Albert Höchstädter
Auch am Dienstagabend in Neustadt eine Klasse für sich: Der 34-jährige Timo Boll gewann das Kurzturnier souverän. Der ständig gute Laune ausstrahlende Weltklassespieler gilt als einer der klügsten Taktiker in dieser Sportart und als besonders fairer Sportsmann. In China, dem Land der Weltmeister, ist er einer der populärsten Deutschen. Fotos: Albert Höchstädter
Afrikameister Quadri Aruna aus Nigeria verpasste nur aufgrund des schlechteren Satzverhältnisses das Endspiel in Neustadt.
Afrikameister Quadri Aruna aus Nigeria verpasste nur aufgrund des schlechteren Satzverhältnisses das Endspiel in Neustadt.
 
Ein wahrer Hüne in der TT-Szene: Steffen Mengel, der Deutsche Meister von 2013, ist 1,95 Meter groß und zeigte in Neustadt kaum Mängel.
Ein wahrer Hüne in der TT-Szene: Steffen Mengel, der Deutsche Meister von 2013, ist 1,95 Meter groß und zeigte in Neustadt kaum Mängel.
 
Voll fixiert auf die Zelluloidkugel: Der "alte Schwede" Jan-Ove Waldner (kleines Bild) spielte dabei aber auch immer wieder mit dem Publikum in der nahezu ausverkauften Neustadter Frankenhalle.
Voll fixiert auf die Zelluloidkugel: Der "alte Schwede" Jan-Ove Waldner (kleines Bild) spielte dabei aber auch immer wieder mit dem Publikum in der nahezu ausverkauften Neustadter Frankenhalle.
 
Die fast 1000 begeisterten Zuschauern kamen während der gut zweistündigen Tischtennisshow mit aktuellen und ehemaligen Weltklassespielern voll auf ihre Kosten.
Die fast 1000 begeisterten Zuschauern kamen während der gut zweistündigen Tischtennisshow mit aktuellen und ehemaligen Weltklassespielern voll auf ihre Kosten.
 

Rund 1000 Zuschauer waren in der Neustadter Frankenhalle begeistert vom Auftritt des Weltklasse-Sextetts. Die Show kam nie zu kurz, aber oft ging es auch richtig zur Sache.

Ein perfekter Abend für Tischtennisfans: Sport auf Weltklasse-Niveau, spaßige Showeinlagen und Stars zum Anfassen. Dafür bekamen die Gastgeber - der SV Meilschnitz, die Firma Munzer und die VR Bank Coburg, eine nahezu ausverkaufte Frankenhalle in der Bayerischen Puppenstadt beschert. Knapp 1000 Zuschauer strahlten gemeinsam mit "Dauer-Grinser" und Turniersieger Timo Boll von 19.02 bis 22.13 Uhr um die Wette.
"Großes Lob für die Organisation und ein riesiger Dank dafür, dass sie dieses unvergessliche Event nach Neustadt geholt haben", sagte Oberbürgermeister Frank Rebhan. Er habe zwar selbst eine Platte zu Hause stehen, jedoch werde darauf eher Pingpong gespielt. "Diese Dynamik, wie wir sie hier sehen, kommt im Fernsehen nicht annähernd rüber.
Das ist schon der absolute Wahnsinn", schwärmte das Stadtoberhaupt.

Atemberaubende Show

Mit dieser Meinung stand Rebhan während der atemberaubenden, über zwei Stunden dauernden Tischtennis-Show nicht allein. Viele waren gekommen: die Jungs aus Meilschnitz, aus Wildenheid oder Thann. Die Mädels aus Fürth am Berg, aus Höhn, aber auch aus dem benachbarten Thüringen. Viele aktive Spieler und Funktionäre gaben sich ein Stelldichein. Und alle kamen aus dem Staunen kaum heraus, denn das elitäre, sechsköpfige Teilnehmerfeld hielt, was sich die vielen Fans im Vorfeld erhofft hatten.

Olympiasieger und Weltmeister

Der 18-fache Europameister Timo Boll, der mehrfache Weltmeister und Olympiasieger Jan Ove Waldner und sein schwedischer Landsmann Jörgen Persson (Welt- und Europameister) sowie der deutsche Meister von 2013, Steffen Mengel, und Ruwen Filus (deutscher Vizemeister 2015 und Europameister mit der Mannschaft) sowie der Afrikameister Quadri Aruna aus Nigeria zogen während der sechs Vorrundenspiele und dem Finale die Zuschauer in ihren Bann. Dazwischen lag eine gut halbstündige Autogramm- und "Selfie"-Zeit, in der vor allem die vielen Kinder zu ihrem Recht kamen.

Die "alten Schweden"

Die beiden Schweden Jörg Petterson und sein kongenialer Partner Jan-Ove Waldner bewiesen den begeisterten Beobachtern, dass es nicht nur darum geht, den Ball auf der gegnerischen Plattenseite zu platzieren, sondern das Tischtennis jede Menge Spaß machen kann. Lässig, mit einer Hand in der Tasche, brachte der zigfache Olympiasieger und Weltmeister Waldner gleich im ersten Spiel die zugegebenermaßen wohl dosierten Schmetterschläge von Timo Boll sicher zurück. Und wenn doch ein Ballonball drohte, den Tisch um ein Haar zu verfehlen, dann schob sein Gegenüber den wandernden Zaubertisch kurzer Hand zurecht.
Ein nicht enden wollendes Schmetterball-Scharmützel im Finale zwischen Filus und Boll endete mit einem Schlag mit der Trinkflasche - allerdings zum Entsetzen von Boll im Netz.
Zum Publikumsliebling avancierte nicht zuletzt aufgrund seines Alters der chancenlose Waldner. Obwohl der Skandinavier seine beiden Spiele gegen Boll und Mengel ohne Satzgewinn mit 0:3 verlor, ließ er sein "unerreichtes Händchen" immer wieder aufblitzen.
Waldner kickte aber auch trotz unübersehbarer Rückenprobleme die kleine weiße Zelluloidkugel schon einmal mit dem Fuß über die Platte, drehte sich während der Ballwechsel um die eigene Achse, umrundete die Platte oder sprang über die Absperrung ins zweite Spielfeld. Dort griff er sichtlich erschöpft zum Handtuch, während Afrikameister Quadri Aruna den Ballwechsel zu Ende spielte. Tosender Applaus war dem Spaßvogel, der auch gerne Golf spielt, in diesen Momenten sicher.

Auf höchstem Niveau

Auffallend war jedoch, dass sich die Show-Einlagen der anderen fünf Matadoren in Grenzen hielten und über weite Strecken des Abends absoluter Spitzensport geboten wurde. "Ich nehme jeden Ballwechsel ernst, auch wenn wir mal die Luft rausnehmen und den Zuschauern etwas Außergewöhnliches bieten", sagte Timo Boll mit einem breiten Grinsen über sein "Milch-Bubi-Gesicht".

Bolls Tischtennis-Psychologie

Überhaupt versprühte die deutsche Tischtennis-Legende pure Freude. Er lachte quasi ständig. "Das gehört seit Jahren zu seiner Strategie. Das ist pure Tischtennis-Psychologie", will der 20-jährige Sebastian wissen, der selbst regelmäßig um Punkte schmettert.
Noch genauer schaute Martin (51) hin: "Der Filus dreht seinen Schläger sogar während der Ballwechsel. Mit der roten Seite kann er nicht angreifen. Da hat er einen reiner Abwehrbelag drauf, für einen Schmetterschlag mit der Rückhand braucht er die schwarze Seite", beobachtete der erfahrene Jugendtrainer aus Wildenheid exakt.
Und Wolfgang Gremmelmaier von der VR Bank Coburg, selbst ein guter Tischtennisspieler, stellte sein Fachwissen schon vor dem ersten Aufschlag unter Beweis. Der Bankier behielt nämlich Recht, als er vermutete, dass Boll nach überstandener Lebensmittelvergiftung, das Turnier in Neustadt gewinnt. Nach dem Finale bewies der sportbegeisterte Coburger noch einmal Sachverstand: "Man hat gesehen, dass ein rechtshändiger Abwehrspieler gegen einen Angreifer mit links deutliche schlechtere Karten hat. Filus war von Anfang an chancenlos".
Tatsächlich hatte Boll auch im Finale alles im Griff. Er gewann glatt in drei Sätzen mit 11:4, 14:12 und 11:7. So sehenswert die Rückhand-Abwehrschläge von Filus auch waren, Boll hatte bei seinem außergewöhnlichen Schlag-Repertoire meistens eine noch bessere Antwort.