Rückrunden-Vorschau: Lage des HSC ist ernst, aber nicht hoffnungslos...

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Foto: Albert Hochstädter
Foto: Albert Hochstädter

Die Coburger Handballer haben es selbst in der Hand, den Klassenerhalt zu schaffen. Die ersten Spiele gegen die direkten Konkurrenten sind entscheidend.

Mit dem Knaller Eins gegen Zwei startet die 1. Handball-Bundesliga am Mittwochabend ins Restprogramm der Saison 2016/2017. Dabei empfängt Spitzenreiter Flensburg-Handewitt seinen schärfsten Verfolger THW Kiel. Für den HSC 2000 Coburg geht es erst am Samstag, 18. Februar um 19 Uhr mit einem Heimspiel in der HUK-Arena gegen den TBV Lemgo weiter. Beide Teams kämpfen dann um zwei wichtige Punkte für die Liga-Zugehörigkeit.

Im Tabellenkeller stehen vor dem Re-Start exakt die sechs Vereine, die das Tageblatt in seiner Saison-Vorschau als potenzielle Abstiegskandidaten gehandelt hat und die für die drei Abstiegsplätze am Saisonende in Frage kommen. Zum Jahreswechsel rangieren also auf den Plätzen 13 (Minden) bis 18 (Bergischer HC) die zu erwartende Konkurrenz des HSC 2000 Coburg, der als Tabellenvorletzter mittendrin, statt nur dabei ist.

Überraschenderweise gesellt sich dazu auch noch der mit Minden punktgleich auf Platz 12 stehende VfL Gummersbach - auch nur drei Punkte von einem Abstiegsplatz entfernt. Auffallend: Seit dem bekannt ist, dass Trainer Kurtagic nicht verlängert wird, also seit Anfang November 2016, gewann der Traditionsverein nur noch ein Spiel und das trotz hochkarätiger Spieler wie Lichtlein, Ernst und Kühn.


Nur sechs Punkte - oft chancenlos

Sechs Punkte ergatterte bisher der Aufsteiger aus der Vestestadt. Perfekt war dabei der Start mit den beiden Sensationspunkten in Melsungen, trotzdem reichte es bisher nur zu Tabellenplatz 17.

Die Einschätzung von Trainer Jan Gorr, dass sein Team während der Vorrunde lediglich in den Spielen gegen Magdeburg, Flensburg und in Lemgo chancenlos war (Tageblatt vom 3. Januar), erscheint von den Ergebnissen her durchaus nachvollziehbar, ist aber zu optimistisch. Denn zu oft hat der Gegner nach schneller Führung das Spiel kontrolliert und überwiegend kräfteschonend seine zweite Garnitur spielen lassen, um diese These als belastbar erscheinen zu lassen.

Auch die vielfach beklagte Verletztenmisere war in der Abstiegszone kein Einzelschicksal. Natürlich ist es gerade für einen Aufsteiger schwer, Woche für Woche Leistungsträger zu ersetzen, doch beim Bergischen HC fehlten zu Saisonbeginn gleich bis zu sechs Spieler. Gutbrod im linken Rückraum verpasste fast die Hälfte der Spiele und mit Nippes/Herrmann fiel das Duo im rechten Rückraum sogar gleichzeitig aus.

Ähnlich ging es Balingen, wo Hens kaum spielte und weitere Stammspieler längere Verletzungspausen hatten. Auch der TVB Stuttgart hatte massive Personalprobleme, fielen doch mit Jogi Bitter und dem Rückraumduo Felix Lobedank (früher HSC 2000 Coburg) und M`Bengue auch wichtige Schlüsselspieler aus.

Die Verletzungsprobleme bei den "Kellerkindern" könnten auch damit erklärt werden, dass die Schlüsselspieler über Gebühr lange auf dem Feld stehen müssen und die Gefahr von Verletzungen damit naturgemäß steigt.
Zu den Fakten: Der Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz beträgt für den HSC nur vier Punkte. Die Situation ist also alles andere als aussichtslos. Erst recht, weil die Verantwortlichen der Handball-Bundesliga quasi einen maßgeschneiderten Terminplan für den HSC gebastelt haben! Schließlich sind die ersten sechs Gegner alle aus der Kategorie "schlagbar":


Februar und März entscheidend

Lemgo (H), Bergischer HC (A), Erlangen (H), Leipzig (A), Balingen (A) und FA Göppingen (H) heißen die direkten Konkurrenten im Februar und März. Alles Gegner, gegen die der HSC in den Hinspielen mit Ausnahme von Lemgo, lange mithielt. Schon nach den ersten beiden richtungweisenden Begegnungen werden die Fans vermutlich erkennen, wohin die (Abenteuer)-Reise der "Schwarz-Gelben" in ihrer ersten Saison in der angeblich stärksten Liga der Welt führt.

Wollen Gorr, Büdel, Kelm & Co. ihr großes Ziel, nämlich den Klassenerhalt realisieren, sollten diese beiden Spiele jedenfalls nicht verloren werden.


Kritik: Die Quoten sind mäßig

Welche Faktoren sind für den Klassenerhalt des HSC 2000 Coburg entscheidend?


Die Torhüter

Die beiden Torhüter, insbesondere Jan Kulhanek, haben sich bisher besser geschlagen, als Pessimisten vorausgesagt haben. Allerdings schwanken auch seine Leistungen relativ stark. Bei manch knappem Spiel bekam aber weder er, noch sein Partner Oliver Krechel in den entscheidenden Spielphasen kaum eine Hand an den Ball.
Oft klappte auch das Zusammenspiel zwischen Abwehr und Torhüter nicht, dann sieht der Mann im Kasten natürlich immer schlecht aus. Da der Angriff zu selten effektiv agierte, kam es zu vielen Tempogegenstößen, bei denen die Torhüter wenig Chancen haben.


Die Abwehr

Am eigenen Kreis wurden zweifelsohne die bisher stärksten Mannschaftsleistungen gezeigt. Der gute Eindruck in der Hinrunde wurde jedoch durch die vielen Gegentore in den letzten drei Spielen etwas getrübt. Durch den immer stärker werdenden Barsties und die Rückkehrer Wetzel und Hagelin sollte dieser Mannschaftsteil in der Rückrunde sogar noch etwas stabiler werden. Wenn man die Chance auf den Klassenerhalt nutzen will, ist das auch zwingend notwendig.


Der Angriff

Die Achillesferse des HSC - vor allem der Rückraum. Auf Außen ist "Schwarz-Gelb" durchaus im Soll. Steffen Coßbau und Florian Billek haben eine solide Vorrunde gespielt. Aber auf den Königspositionen ist der HSC zu schwach besetzt. Einzig Nico (Energie)-Bü(n)del hat seine uneingeschränkte Bundesliga-Tauglichkeit eindrucksvoll nachgewiesen. 81 Tore (Wurfquote 61 Prozent) sowie 27 Assists zeugen von seiner Stärke. Im Falle des Abstiegs werden Anfragen aus der 1. Liga kommen.

Die anderen Rückraumspieler waren zu oft zu ineffizient. Wurfquoten von 40 Prozent bei dem oft nicht im Vollbesitz seiner Kräfte spielenden Steffen Lex, 45 bei Girts Lilienfelds und 47 bei Kirveliavicius reichen bei weitem nicht aus, um die entscheidenden Spiele zu gewinnen. Der oft kritisierte Adnan Harmandic wirft auch nicht schlechter (46 Prozent), ist aber mit seinen 24 Assists bei deutlich geringerer Spielzeit spürbar effektiver. Er hat aber in der Abwehr große Probleme.

Zwei Fakten fallen auf: Der HSC hat die schlechteste Angriffsquote - nur knapp 45 Prozent aller Angriffe enden mit einem Tor - das ist Negativrekord. Und Coburg erzielt bei gebundenen Angriffen die wenigsten Tore von den Außenpositionen - nur 29. Das heißt, dass die Rückraumspieler nicht nur schwache Wurfquoten haben, sie schaffen es auch zu selten, ihre Außen frei zuspielen.



Kommentar von Christoph Böger:

Wir sind Handball! Coburgs Oberbürgermeister Norbert Tessmer outete sich und damit auch die Vestestadt beim Neujahrsempfang des HSC 2000 Coburg mit diesem klaren Bekenntnis zur stärksten Liga der Welt und speziell zu den "Gelb-Schwarzen".

Ob er mit seiner emotionalen Aussage in die großen Fußstapfen treten wollte, die sein Vorgänger hinterlassen hat, muss aber bezweifelt werden. Norbert Kastner hat in Sachen Handball schließlich Meilensteine für Coburg gesetzt.

Wir sind Handball - ist auch eine gewagte und nicht unumstrittene Aussage. Funktionären von anderen Sportarten dürfte das Lippenbekenntnis die Zornesröte ins Gesicht getrieben haben. Gerade in Zeiten, in denen viele Fußballer vergeblich darauf warteten, dass die Stadt den Kunstrasenplatz von Schnee befreit. Weil jedoch beim Freischippen zu viel von dem teuren Granulat verloren gehen könnte, herrschte in der Wiesenstraße Eiszeit. 50000 Euro für einen Hallenboden für die Handballer seien jedoch da, schimpfen Kritiker aus Fußball-Kreisen, in denen auch gemunkelt wird, dass die Stadt kein Geld für neue Eckfahnen ausgeben will.
Wir sind Handball! - damit spricht das Stadtoberhaupt allen Unkenrufen zum Trotz aber vielen Bürgerinnen und Bürger aus der Seele. Und: Tessmer stärkt damit dem HSC eindrucksvoll vor dem Re-Start ins Restprogramm der 1. Bundesliga auch den Rücken.

Der Klub kann in dieser schwierigen Situation - finanziell drückt wegen einer hohen Steuerschuld der Schuh und sportlich lief es in der Vorrunde nicht wirklich prickelnd - jeden Support brauchen. Sollte es nämlich im bevorstehenden Abstiegskampf nicht zu großen Einbrüchen der besser platzierten Konkurrenten kommen, dann reicht es am Saisonende für den tapferen Aufsteiger nicht.

Optimisten hoffen auf mindestens zehn, elf oder gar zwölf Punkte, die Trainer Jan Gorr mit seinen Schützlingen während der Rückrunde noch erkämpft. Gleichzeitig werden den Mitbewerbern aus Balingen, Lemgo und Stuttgart noch maximal acht Punkte zugetraut - nur dann würde der HSC auf der Zielgerade noch vorbeiziehen!
Ein Hoffnungsschimmer oder eine (un)realistische Rechnung? Egal, letztlich muss der HSC für das Erreichen seines großen Zieles noch zwei Vereine hinter sich lassen und hoffen, dass Schlusslicht Bergischer HC keinen Lauf bekommt.