"Das Wichtigste ist der Respekt"

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Bei ihr dreht sich alles um den Basketball, Jessica Miller. Foto: Udo Schilling
Bei ihr dreht sich alles um den Basketball, Jessica Miller. Foto: Udo Schilling

Jessica Miller coacht nun Männer. Die Amerikanerin kommt als Co-Trainerin zum Drittligisten BBC Coburg. Die 32-Jährige bringt Erfahrung aus der Frauen-Bundesliga und der WNBA mit.

Offen, freundlich und mit sehr gutem Deutsch begegnet einem Jessica Miller, die die meisten nur Jessie nennen. Die 1,73 Meter große Frau hat bis vor fünf Jahren als Aufbauspielerin die Fäden im Spiel der DJK Bamberg in der Bundesliga und 2. Liga gezogen. Wegen einer Knieverletzung musste sie ihre aktive Karriere beenden und wechselte direkt auf die Trainerposition der DJK. In der kommenden Saison coacht sie als Assistentin von Valentino Lott den Männer-Drittligisten BBC Coburg.

Dort bringt sie vielfältige Erfahrung mit ein, denn neben dem Traineramt in Bamberg arbeitete Miller im Sommer in der Frauen-NBA, der WNBA, in den USA, zunächst als Video-Koordinatorin in Chicago und bis zum vergangenen Jahr als Co-Trainerin in Indiana.

Kein Anschlussvertrag in der WNBA

In den Staaten lief ihr Vertrag Ende 2019 aus, da in Indiana der Headcoach entlassen worden war. Für das dreimonatige Corona-Turnier in Florida kam kein neuer Vertrag zustande. So kann Miller seit 2010 erstmals einen Sommer in Deutschland verbringen. Mit ihrer Lebenspartnerin und ehemaligen Mitspielerin Svenja, mit der sie im Januar die Ehe eingegangen ist, zieht sie derzeit von Ingolstadt wieder ins Fränkische. Mit ihrer Beziehung gehe sie offen um, posaune das aber nicht bei jeder Gelegenheit hinaus.

Svenja hofft - nachdem ihr befristeter Vertrag in Oberbayern ausgelaufen war, auf eine Gymnasiallehrerstelle in der Nähe Bambergs, damit beide ihre Jobs in Franken ausüben können. "Ich wollte wieder als Trainerin arbeiten und hatte verschiedene Angebote. Ich hatte eigentlich wieder an den Frauenbereich gedacht, doch nun kam es anders", sagt die 32-Jährige. Den ersten Kontakt mit Coburg hatte Miller schon im Februar. Lott, in der kommenden Saison Nachfolger von Ulf Schabacker auf der Cheftrainerposition, rief Miller nach dem Corona-Saisonabbruch an. "Er fragte mich, ob ich mir vorstellen konnte, mit ihm zusammenzuarbeiten. Nach ein paar weiteren Gesprächen haben wir zusammengefunden", erklärt Miller.

"Ich will den Spielern helfen, besser zu werden"

"Klar habe ich wenig Erfahrung im Männer-Coaching", gesteht Miller und betont, "es ist wichtig, dass die Jungs erkennen, dass ich ihnen mit meiner Basketball-Erfahrung helfen kann, ihre Ziele zu erreichen. Dann wächst der Respekt zueinander. Ich bin selbstbewusst, weiß viel über Fitness und über Basketball. Das will ich den Jungs vermitteln und deren Fähigkeiten verbessern. So sehe ich keine Probleme in der Zusammenarbeit. Es muss locker zugehen, das Wichtigste ist aber der Respekt."

Warum es so wenige Trainerinnen bei Männerteams gibt, weiß Miller auch nicht. "Es werden aber immer mehr Frauen in Männerteams, weil es mehr Möglichkeiten für Frauen gibt. Entscheidend ist erst einmal die fachliche Kompetenz. Wenn die Männer erkennen, die kann was, lassen sie sich auch von einer Frau coachen", ist Miller überzeugt.

Lott: Keine Frage von Mann oder Frau

So sieht es auch Lott, der schon bei Vertragsabschluss sagte: "Man muss von dieser Frage eigentlich wegkommen - es ist 2020. Es geht nicht um Mann oder Frau, sondern um Stärken und Schwächen. Und da sehe ich niemanden sonst in Deutschland, der dieses Profil mitbringt."

Eines hat Miller ihrem "Chef" schon voraus - die Trainer-B-Lizenz. Die hat die 32-Jährige vor kurzem in einem Sonderlehrgang für ehemalige Spitzensportler (unter anderem mit Anton Gavel) erworben. Lott geht derweil den normalen Weg, besuchte den Lehrgang und muss noch seine Prüfung bestehen.

Für die ehrgeizige Amerikanerin, die am College einen Bachelor in Kinesiologie erworben hat, ist es ein Ziel, einmal als Headcoach zu arbeiten. "Ob das hier ist, in der BBL oder am College, wird sich zeigen. Ich bin noch relativ jung als Coach, arbeite da erst seit fünf Jahren. Ich habe zwar sehr viel mit Basketball erlebt, von der U10 bis zur WNBA, muss aber noch viel lernen und mich verbessern." Ob sie sich vorstellen kann, auch in der Männer-Bundesliga als Chefin zu coachen? "Ich weiß nicht", sagt sie und fügt nach kurzem Zögern an: "Warum nicht. Wenn das Talent und die Coaching-Fähigkeit da sind, und man ist die beste Kandidatin."

Beobachtung der Basketball-Trends

In der Vergangenheit hat sie die Trends, wie sich der Basketball verändert, beobachtet - angefangen in der NBA, auf internationalem Niveau, in der Euroleague bis zur WNBA. "Daraus nehme ich Dinge, womit man erfolgreich ist, die vielleicht hier noch nicht gespielt werden und die wir beim BBC einbauen können", beschreibt Miller, woran sie gerade arbeitet. Wenn sie darüber spricht, ist Miller in ihrem Element, redet über Spieler-Entwicklungen, Verteidigungstaktik und die andere Athletik im Männerbereich. "Das Spiel über Ringniveau wird neu für mich. Da bin ich dann auf die Erfahrung von Valentino angewiesen."

Ihre Stärken sieht sie in der individuellen Entwicklung von Guards und der taktischen Einstellung der Mannschaft auf den Gegner. Nun brennt sie nach der Corona-Pause darauf, wieder in der Halle zu stehen und zu arbeiten.

Zur Person Jessica Miller

Geboren am 16. März 1988 in Burnsville (Minnesota) als ältesteTochter von David und Lori Miller. Aufgewachsen mit Schwester Kristin und den Brüdern Nick und Jake Verheiratet mit Svenja Miller (geb. Zeis) Karriere als Spielerin University of Illinois (Chicago) mit Abschluss Kinesiologie, DJK Bamberg, 2. Liga und Bundesliga (2010-15) Karriere als Trainerin Assistenzcoach bei der DJK Bamberg (2016/17), Cheftrainerin bei der DJK Bamberg (2017/18), Video-Koordinatorin beim WNBA-Team Chicago Sky (2015 und 2016), Co-Trainerin beim WNBA-Team Indiana Fever (2017 bis 2019)

Trainerinnen in Männer-Teams - drei Beispiele

Inka Grings: Die ehemalige deutsche Fußball-Nationalspielerin war die erste Frau die bei einem Verein in einer der vier höchsten deutschen Ligen hauptverantwortlich an der Seitenlinie stand. Seit 1. April 2019 leitete sie die Geschicke des SV Straelen in der Regionalliga West. Grings und ihr Team musste allerdings am Ende der Saison 2018/19 den Gang in die Oberliga antreten. Nach dem erfolgreichen Wiederaufstieg in die Regionalliga am Ende der Saison 2019/ 2020 erklärte Grings ihr Engagement beim SV Straelen am 10. Juni 2020 für beendet.

Imke Wübbenhorst: Am 17. April 2020 wurde die Fußballlehrerin während der durch die Covid-19-Pandemie bedingten Saisonpause Trainerin bei den Sportfreunden Lotte in der Regionalliga West. Sie ist nach Grings erst die zweite Frau, die auf professionellem Niveau einen Posten auf der Trainerbank erhielt. Der Vertrag der 31-Jährigen läuft bis zum Saisonende 2022.

Daphne Bouzikou: Seit der Gründung der Frankfurt Skyliners 1999 stand sie am Spielfeldrand und betreute fast 10 Jahre lang die Mannschaft als Assistenztrainerin. Am 17. Mai 2008 schrieb die Co-Trainerin der Frankfurter in der Basketball-Bundesliga Geschichte - als erste hauptverantwortliche Frau an der Seitenlinie. Trainer Murat Didin (53) wurde der Halle verwiesen. Bouzikou coachte die Skyliners gegen Leverkusen zum 74:66-Sieg in den Play-offs. Im November 2008 endete allerdings ihre Karriere im Streit. Der Klub und die Griechin überschütteten sich mit Vorwürfen. Vor dem Arbeitsgericht endete der Zwist mit einem Vergleich. Ein Angebot als Cheftrainerin in der Bundesliga gab es nie. Bouzikou äußerte sich damals selbstkritisch: "Vielleicht war ich zu bescheiden."

Inzwischen arbeitet die 50-Jährige als Supervisorin für Wirtschafts- und Sportunternehmen und nennt sich nun Dafni, wie ihr griechischer Name ursprünglich geschrieben wird.