Immer mehr Einzelhändler in Coburg geben auf

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Bis zum März/April wird es das Modegeschäft Christopher in der Nägleinsgasse noch geben. Fotos: Helke Renner
Bis zum März/April wird es das Modegeschäft Christopher in der Nägleinsgasse noch geben. Fotos: Helke Renner
Ende Februar schließt das Schuhhaus Eckerlein in der Judengasse.
Ende Februar schließt das Schuhhaus Eckerlein in der Judengasse.
 
Knapp 100 Meter weiter macht Waldtraut Weidner ihre zwei Läden dicht.
Knapp 100 Meter weiter macht Waldtraut Weidner ihre zwei Läden dicht.
 

Fehlende Parkplätze, die Online-Konkurrenz, der ungleiche Wettstreit mit Handels-Giganten, zu viel Miete: Immer mehr Einzelhändler werfen das Handtuch und fürchten um die Innenstadt.

Sie werde wohl umschulen, sagt Eugenia Müller frustriert. "Ich passe in keinen anderen Laden hier." Die junge Frau leitet das Modegeschäft in der Nägleinsgasse 1, das Christopher Bracke vor zweieinhalb Jahren eröffnet hat. Es lief sehr gut an, denn was bei Christopher angeboten wird, ist ausgefallen. "Vor einem halben Jahr etwa kam der Knick", stellt Eugenia Müller fest und scheut sich auch nicht zu ergänzen: "Für mich hat das auch mit der Eröffnung von Schuh-Mücke zu tun. Die führen zum Teil die gleichen Marken wie wir, können die aber günstiger anbieten." Doch es sei auch der Online-Handel, der den Einzelhändlern zu schaffen mache. "Die Leute kommen hier rein, probieren die Sachen an und kaufen dann im Internet." Dabei seien sie ihren Kunden immer entgegengekommen und auch mal mit dem Preis heruntergegangen. Wer knapp bei Kasse war, konnte später zahlen.


Kritik an Parkplatzsituation

Probleme habe die lange Schließzeit des Parkhauses Mauer mit sich gebracht. "Die Parksituation insgesamt ist hier einfach miserabel, kundenunfreundlich", sagt Eugenia Müller. Und die Miete zu hoch. Die Stadt habe sie nicht unterstützt. "Einmal habe ich mein Werbeschild vorn am Markt aufgestellt, da haben sie mir nach einer halben Stunde schon angedroht, ich müsste dafür 250 Euro zahlen."

Nun geben Christopher Bracke und Eugenia Müller auf. Bis März/April werden sie noch verkaufen. Dann schließen sie zu und suchen bis dahin einen Nachmieter. "Manche Kunden haben schon hier im Laden geweint", erzählt die Geschäftsführerin und hat ihre Emotionen nur schwer im Griff.

Bis Ende August im Plus

So geht es auch Romy Hanft vom Schuhhaus Eckerlein in der Judengasse. Im Moment ist sie dabei, zusammen mit ihrer "treuen Seele", Yvonne Saller, 3000 Schuhe mit einem Reduzierungsetikett zu versehen. Sie stellen jetzt so viel wie möglich in den Laden, denn Ende Februar ist Schluss. "Ich dachte, ich hätte noch 13 Arbeitsjahre in meinem Laden vor mir." 20 Jahre lang hat sie bei der Firma Eckerlein - damals noch in der Judengasse 48 - gearbeitet. 1997 übernahm sie das Geschäft von ihrem Chef Georg Eckerlein und ist in die Judengasse 6 umgezogen. "Bis Ende August haben wir noch ein Plus erwirtschaftet. Ich wusste, dass der Kuchen kleiner wird. Dass aber nur noch Krümel übrigbleiben, habe ich nicht geahnt."

Parkhaus-Schließung gemeistert

Dabei hätten sie und ihre Mitarbeiterin sogar die Parkhaus-Schließung mit Bravour gemeistert. Doch nun gehe es nicht mehr weiter. Zum Glück sei sie schuldenfrei, sagt Romy Hanft. "Ich will das hier mit Anstand zu Ende bringen."

Knapp hundert Meter weiter werden Ende Februar zwei weitere Geschäfte schließen. Waldtraut Weidner ist eigentlich schon längst Rentnerin, aber sie liebt ihren Laden, den sie seit 40 Jahren betreibt. Wobei es eigentlich zwei Läden sind: das Sportfachgeschäft für Erwachsene und das für Kinder. Einen Nachfolger konnte sie nicht finden; ihre Kinder leben in Heidelberg, sind Professor und Studiendirektorin. Und ihre qualifizierten Mitarbeiterinnen wollen das Geschäfts auch nicht übernehmen. "Sie haben Angst vor der Geschäftslage in Coburg." Dabei könne sie sich über den Kundenzuspruch nicht beklagen, sagt Waldtraut Weidner. Aber es werde zunehmend schwieriger. "Seit die Stadt hier vor dem Haus Anwohnerparkplätze eingerichtet hat, das Parkhaus ein Jahr lang geschlossen und die Südzufahrt gesperrt war, ist es für uns kritischer geworden." Und die Online-Konkurrenz bekomme sie auch zu spüren, stellt die Geschäftsfrau fest.

Gleich zwei Einzelhändler, die die Judengasse verlassen. Aber es gibt auch in der Mohrenstraße Probleme. Dort wird demnächst eine Bekleidungsgeschäft schließen - wegen zu hoher Mieten und weil sich die Kunden über zu wenig fehlender Parkmöglichkeiten beschweren. Das macht Carolin Lorenz vom Sport-Outdoor-Shop Wigwam zu schaffen. "Bis jetzt habe ich noch nicht ans Schließen gedacht, aber wenn hier ein Laden nach dem anderen zumacht, dann gehe ich auch", sagt sie und fragt sich, wie das in Coburg weitergehen soll. "Die Aktionen des Citymanagements drehen sich nur noch um den Albertsplatz." Darüber hinaus müsse sie zu viel Miete zahlen", erläutert Carolin Lorenz. So viel wie für ein Geschäft, das sie früher in Bamberg hatte und das doppelt so groß gewesen sei. "Das ist doch nicht richtig."

Schuh-Kette investiert

Seit kurzem kursiert auch das Gerücht, dass die Deichmann-Filiale am Marktplatz schließt. Auf Tageblatt-Anfrage stellt Sonja Schröder-Galla von der Unternehmenskommunikation der Schuh-Kette jedoch klar: "Es handelt sich in der Tat um Gerüchte. Das Gegenteil ist der Fall: Coburg ist ein wichtiger Standort für uns, und wir werden unsere dortige Filiale im kommenden Jahr im Rahmen eines turnusmäßigen Umbaus renovieren und gemäß unserem aktuellen Ladenbaukonzept erneuern."

Citymanagerin kündigt Online-Projekte und eine App für die Innenstadt an

Coburg — Citymanagerin Julika Gerlach kann die von Händlern erhobenen Vorwürfe gegen die Stadt und ihre Arbeit nicht verstehen. "Wir tun sehr viel. Und ich biete immer wieder Hilfe und Schulungen an", sagt sie. Es vollziehe sich gerade ein Strukturwandel, der aber auch Chancen berge. "Das Kaufen hat sich verändert. Da müssen sich auch die Händler ändern." Nur im Laden zu stehen und auf Kunden zu warten, reiche nicht aus. "Man muss die Kunden pflegen, ihnen ein Erlebnis bieten und ein gutes Sortiment haben", stellt Julika Gerlach fest. "Es gibt ja auch Neueröffnungen."

Auf der anderen Seite bringe sich auch die Stadt ein. Julika Gerlach verweist auch auf das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (Isek). "Das Isek wird fortgeschrieben. Das heißt, wir werden uns die einzelnen Straßenzüge und die Strukturen anschauen und unter Umständen neu definieren, was eine 1-a-Lage ist." Darüber hinaus seien für 2015 Online-Projekte geplant, und es werde an einer App für die Coburger Innensta dt gearbeitet. "Auch der Einkaufsführer wird wieder herausgegeben."

Gespräche mit Vermietern

Wie Stephan Horn, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft (Wifög), erläutert, werden seit Jahren Gespräche mit Vermietern in der Innenstadt geführt. "In der Regel ist die Zusammenarbeit gut, so dass es uns auch immer mal wieder gelingt, einen neuen Laden in einer guten Lage unterzubringen." In der Mohrenstraße habe das bislang noch nicht so g ut geklappt. "Dort hatten wir gezielt Vermieter eingeladen. Alles war langfristig geplant und vorbereitet, aber es ist nur einer gekommen." Mit ihm habe es jedoch ein gutes Gespräch gegeben. "Wir bleiben am Ball, das braucht vielleicht Zeit." Inzwischen sei auch ein Arbeitskreis Einzelhandel gegründet worden. Im Januar werde es eine erste Zusammenkunft geben.

Ü brigens: Am kommenden Samstag wird in der Innenstadt die Winterzaubernacht gefeiert. Auch die Seitengassen sind einbezogen, wie Julika Gerlach betont.