Lkw-Fahrer aus dem Raum Coburg-Lichtenfels-Kronach sprachen bei einem Treffen in Seßlach die speziellen und vielfältigen Probleme ihrer Berufsgruppe an. Auch das Thema "Psychische Erkrankungen" war dabei kein Tabu.
"Jeder schimpft, doch alle brauchen uns", sagt Fritz Macziek, seines Zeichens Fernfahrer. Ohne die Männer und Frauen, die Tag für Tag hinter dem Lenkrad der Lkws sitzen, würde in den Regalen der Supermärkte gähnende Leere herrschen. Norbert Jungkunz von der katholischen Betriebsseelsorge bringt es auf den Punkt: "Die Wirtschaft würde stillstehen, wenn unsere Fahrer nicht unterwegs wären."
Viermal im Jahr treffen sich die Lkw-Fahrer aus dem Raum Coburg, Kronach und Lichtenfels zum Frühschoppen, um mit der Polizei, der Gewerbeaufsicht Oberfranken und der Gewerkschaft Verdi über die Sorgen und Nöte ihres Berufsstandes zu diskutieren.
Aus Sicht des Betriebsseelsorgers Jungkunz gehören die Fernfahrer zu einer heiklen Berufsgruppe: Lohndumping, Zeitdruck, Gängelei durch die Unternehmen und drohende Vereinsamung machten den Fernfahrern zu schaffen.
Die Männer und Frauen stehen demnach unter einem enormen Druck, sie sind oft tagelang alleine auf den Straßen unterwegs. "Die Scheidungsraten sind in diesem Berufsfeld extrem hoch," erläutert Jungkunz. Der Seelsorger beobachtet, dass diese Berufsgruppe stark von Depressionen und Burnout betroffen ist und dies mit Alkohol oder Aufputschmitteln kompensiert wird.
Mitwirkungspflicht Mit dem Absturz der Ger-
manwings-Maschine hat sich eine neue Diskussion um die psychischen Erkrankungen entfacht. Müssen Fernfahrer diese Krankheit dem Arbeitgeber melden? Prinzipiell, erklärt Jungkunz, seien Seelsorger und Ärzte immer zur Verschwiegenheit verpflichtet. Jungkunz: "Bei suizidalen Tendenzen wird dem Fahrer sofort professionelle Hilfe nahe gelegt."
Eine Pflichtuntersuchung, erklärt Gerhard Trinkwalter von der oberfränkischen Gewerbeaufsicht, gebe es zwar nicht.
Dem Arbeitnehmer werde aber eine arbeitsmedizinische Vorsorge angeboten. Laut dem Arbeitsschutzgesetz habe der Arbeitnehmer eine Mitwirkungspflicht und sei verpflichtet, die Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber unverzüglich zu melden.
Michael Blümlein, der bei der SÜC arbeitet, warnte davor, Menschen mit Depressionen in die Ecke der potenziellen Selbstmörder zu rücken: "Der Knackpunkt liegt bei der Bezahlung."
Dem pflichtet Jungkunz bei: "Arbeitszufriedenheit und Gesundheit hängen freilich vom Lohn ab."
Ebenfalls mit dem Lkw Tag für Tag unterwegs ist Werner Günther aus Seßlach. Er bringt einen weiteren Aspekt in die Diskussion: "Wir alle wissen, wie stressig dieser Job ist. Daher ist es unverantwortlich, mit 63 oder 65 Jahren noch zu arbeiten.
Was passiert, wenn ein 65-jähriger Fernfahrer mit einem 40-Tonner einen Herzinfarkt hat?"
Viel zu wenig fühlen sich die Trucker wahrgenommen, zum Beispiel, wenn es um Ruhephasen geht. "Industriegebiete sind verbaut oder abgesperrt, wir können sie nicht für unsere Pausen nutzen", sagt Fritz Macziek. Und Lkw-Parkplätze seien eben nicht in ausreichender Zahl vorhanden. "Es gibt zwar Riesenparkplätze, aber wir müssen um 22 Uhr verschwinden, weil sich Anwohner beschweren," klagt Macziek.
Runder Tisch erwünscht Harald Kober, Bezirksvorsitzender von Verdi Oberfranken beklagt, dass nur fünf bis zehn Prozent der Fernfahrer gewerkschaftlich organisiert seien. Er wünscht sich einen runden Tisch mit Vertretern der Politik und der Unternehmen, um auf die Probleme hinzuweisen.
Denn Fernfahrer, ergänzt Trinkwalter, würden teilweise von Fremdfirmen nicht gut behandelt und müssten beim Auf- und Entladen stundenlange Wartezeiten erdulden.
Uwe Ender aus Neuensorg wünscht sich ein besseres Image seines Berufsstandes und mehr gegenseitige Rücksichtnahme im Straßenverkehr, und zwar von beiden Seiten, von Pkw- und von Lkw-Fahrern.
Statistik Verkehrstote Im Jahr 2014 gab es auf Bayern Straßen 619 Verkehrstote, vier Prozent davon waren Lkw-Fahrer, in Oberfranken waren es 34 Verkehrstote, kein Lkw-Fahrer.
Unfallbeteiligung An bayernweit 29 000 Unfällen waren 5016 Lkw-Fahrer beteiligt.