Ein sehr persönlicher Tanzabend in Coburg

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Die Coburger Ballettcompagnie auf ihrem persönlichen Erkundungstrip. Fotos: Henning Rosenbusch
Die Coburger Ballettcompagnie auf ihrem persönlichen Erkundungstrip.  Fotos: Henning Rosenbusch
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Mit "Introductions" lässt der Coburger Ballettchef Mark McClain die Mitglieder seiner Compagnie als individuelle Persönlichkeiten hervortreten.

Die Puppen tanzen zu lassen, ist sein Job als Choreograf, wenn er ganz im Klassischen Ballett bleibt. Die strenge, exakt abgezirkelte Formensprache zwingt die Tänzerinnen und Tänzer in eine Art Puppendasein, geführt an imaginären Fäden, so dass sie sogar ihrer Erdenschwere davonzufliegen scheinen, als Schwäne, als Sylphiden, als Traumprinzen.
Mit der neuesten Ballettproduktion des Landestheaters Coburg lässt Mark McClain die "Puppen" seiner Compagnie nicht nur tanzen, er lässt sie lebendig werden, er lässt sie als individuelle Menschen in ihrer Persönlichkeit und Erdenschwere hervortreten. "Introductions" in der Reithalle, Premiere am Wochenende, ist eine "Einführung" in die menschliche Dimension der Tänzer hinter der strengen Formensprache.
In kleinen "Bildern" bringen die Coburger Tänzerpersönlichkeiten ihre "eigene Art" hervor. Zu kleinen Texten, persönlichen Erklärungen, Poetischem erkunden sie im Moment ihres Solos für sie Typisches, Wichtiges, Wesentliches. Sie werden an jedem Aufführungsabend wieder individuell improvisieren, zu modernerer Musik von Bernstein, Copland, Gershwin, Schostakowitsch.
Dabei hat beispielsweise der schon reifere Tänzer Sylvain Guillot die klassischen Beschränkungen sofort hinter sich, zeigt sich als kraftvoller Körperkünstler mit der faszinierenden Fähigkeit, einzelne Körperteile selbständig und gegen die Erwartung spielen zu lassen. Er spricht in der dazu ablaufenden Bandaufnahme vom langen und schmerzhaften Weg des Tänzers, der unbedingte Liebe und Leidenschaft fordert, um dann, wenn der Körper nicht mehr mitmacht, "irgendeine Art von Ausweg" suchen zu müssen für den weiteren Lebensweg des Tänzers.
Der Franzose spricht deutsch, andere in ihrer Muttersprache, weshalb an der rechten Seite in der Reithalle Texte auf der Leinwand eingeblendet werden. Das ist eine etwas schwierige Konstellation in dieser ambitionierten Produktion. Denn ich kann nicht lesen (schon gar nicht, wenn man rechts sitzt) und gleichzeitig konzentriert in der Bewegung der Tänzer sein.
Zudem haben die einzelnen "Bilder" Titel und durchaus spezielle Bedeutung, sind im Ablauf aber ohne weiteren Hinweis schwer zuzuordnen. Was aber davon abgesehen ist und bleibt, ist die Unmittelbarkeit der Bewegungskunst, sind die spannenden Momente der Körper in ihrer eigenen, bewegten Bildlichkeit.


Lila Momente

Federico Frigo und Jaume Costa i Guerrero wieder beispielsweise, Inbegriffe klassischer männlicher Eleganz, die in ihren weiten Gesten und Sprüngen über das Vorgegebene hinauszufliegen scheinen. Und sie selbst werden. Nur sie selbst, in diesem Tanzmoment. Lauren Limmers "Lilac Wine" tanzt, windet, krümmt und strebt durch die Geburt ihrer Tochter Lilly (die ihr zunächst wie ein lila Tintenfisch erscheint) und in ihr Muttersein, das sie rückhaltlos liebt.
Dann sind da aber auch die von McClain durchchoreografierten Szenen, die das ganze Ensemble zusammenführen, etwa in einer packenden kleinen "Gesellschaftsstudie", mit Passanten, Paaren, konfliktgeladenen Begegnungen, Zusammenstößen, Aggressivität.
"Introductions" ist ein konzentrierter, nur gut einstündiger Erkundungsabend des Tanzes, der nahe geht. Gerade die schönen Tänzerinnen und Tänzer, die wir sonst fast als etwas Abstraktes, Prinzipielles, Puppenhaftes wahrnehmen, treten, indem sie uns ihre hohe Kunst vorführen, heraus aus ihrer Kunst. Ins individuelle Menschsein. Und vereinen sich zum augenzwinkernden Schluss dann gar in Van McCoys 1975er Disco-Hit "The Hustle" mit einem Teil des bereitwillig mittanzenden Publikums. Der Puppenspieler McClain in der Mitte. - Sieht gut aus.

Landestheater Coburg "Introductions" , Tanztheaterabend von Mark McClain zu Musik von Aaron Copland, Leonard Bernstein, George Gershwin und anderen

Es tanzen Chih-Lin Chan, Lucia Colom, Natalie Holzinger, Laure Limmer, Mireia Martinez Pineda, Jaume Costa i Guerrero, Jordi Arnau Rubio, Federico Frigo, Sylvain Guillot, Joshua Limmer, Takashi Yamamoto

Weitere Termine 31. Januar, 1. Februar, 1. März, 23., 25. März, 20 Uhr in der Reithalle