Ein etabliertes Netzwerk in Coburg gegen sexuelle Gewalt

2 Min
Beim 25. Jubiläum des Arbeitskreises "Keine sexuelle Gewalt" spielt die Schülerin Katja Richter "Frühlingsstimmen" von Sandra Labsch. Foto: Daniela Pondelicek
Beim 25. Jubiläum des Arbeitskreises "Keine sexuelle Gewalt" spielt die Schülerin Katja Richter "Frühlingsstimmen" von Sandra Labsch. Foto: Daniela Pondelicek
Renate Hoffmann von der Organisation "Solwodi" beschreibt in ihrer Festrede die Schicksale von verschiedenen geflüchteten Frauen, denen ihr Netzwerk in den letzten Jahren geholfen hat. Foto: Daniela Pondelicek
Renate Hoffmann von der Organisation "Solwodi" beschreibt in ihrer Festrede die Schicksale von verschiedenen geflüchteten Frauen, denen ihr Netzwerk in den letzten Jahren geholfen hat. Foto: Daniela Pondelicek
 

Der Arbeitskreis "Keine sexuelle Gewalt" besteht seit 25 Jahren. Er kümmert sich um missbrauchte Kinder, Frauen und Männer - und verstärkt um Geflüchtete.

Die Zahlen sind nach wie vor erschreckend: In der EU wird etwa jede dritte Frau Opfer von Gewalt, in Deutschland hat ein Viertel aller Frauen Gewalt durch den aktuellen oder einen früheren Partner erlebt. Auch Kinder sind häufig durch sexuelle Gewalt gefährdet: Im Jahr 2015 wurden allein in Deutschland 14.000 Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern verzeichnet. In Coburg leistet der Arbeitskreis "Keine sexuelle Gewalt" Betroffenen seelischen Beistand und organisiert Aktionen, um auf die verschiedenen Arten von sexuellem Missbrauch aufmerksam zu machen.

Am Donnerstagabend feierte der Arbeitskreis gleich zwei Jubiläen: Zum einen wurde der Arbeitskreis vor 25 Jahren gegründet, aber auch sein selbst konzipiertes Präventionsstück "Die Katzen und Mrs. Murr" hatte Geburtstag. Vor 15 Jahren wurde es zum ersten Mal aufgeführt.


"Mutmachtag" und Theaterstücke

Marianne Morchel und Erna Rank-Kern, das Organisationsteam des Arbeitskreises, blickten auf ein Vierteljahrhundert gemeinsame Arbeit zurück. "Wir haben immer darauf geachtet, unsere Aktionen an aktuelle Probleme anzupassen", erklärte Erna Rank-Kern. Angefangen habe alles mit dem "Mutmachtag für Kinder" in der CoJe. "Später haben wir verschiedene Theaterstücke organisiert - eines davon hat in einem Hotelzimmer stattgefunden, so dass die Nähe zum Geschehen besonders eindrucksvoll von den Besuchern empfunden wurde", erklärte sie.

Seit 2006 werde Gewalt im Internet vom Arbeitskreis thematisiert. Im Jahr 2012 wurde der "Runde Tisch gegen häusliche Gewalt" gegründet, aus dem die Arbeitsgruppe zum Thema "Senioren" entstand. "Wir entwickelten die ,Coburger Pflegecharta‘, bei der sich alle Pflegeeinrichtungen im Coburger Land zu einer gewaltfreien Pflege verpflichten - das ist in ganz Deutschland einzigartig", betonte sie.


Sexuelle Gewalt unter dem Aspekt der Flucht

Aktuelle Projekte des Arbeitskreises nehmen sich der sexuellen Gewalt unter dem Aspekt der Flucht an. "In der Aktion ,Zusammenleben‘ haben hier lebende Migranten die wichtigsten deutschen Grundrechte in ihre Heimatsprache übersetzt, die Texte wurden dann auf Postkarten gedruckt", erklärte sie.

Ein weiteres Projekt stehe gerade in den Startlöchern: "Unseren Gemeinschaftsgarten können Flüchtlingsfrauen gemeinsam beackern und bewirtschaften." Ziel dieses Projektes sei es, dass die Frauen sich von den Grauen der Flucht und der erlebten Gewalt ablenken können. Dabei entstehe vielleicht auch eine ungezwungene Atmosphäre, um sich über das Erlebte auszutauschen und es so zu bewältigen.

Das Präventionsstück "Die Katzen und Mrs. Murr" hat große Erfolge gefeiert. "In den 15 Jahren wurde das Stück etwa 170 Mal aufgeführt, das heißt, etwa 9500 Kinder haben es gesehen", erzählte Marianne Morchel. Das Stück sei von Mitgliedern des Arbeitskreises selbst konzipiert und inszeniert worden. Nach der Vorführung werde das Gesehene zusammen mit den Kindern nachbereitet. "In Rollenspielen sowie mit Gesang und Musik erlernen die Kinder, wie sie sich verhalten sollen, wenn sie selbst in so eine Situation geraten", sagte sie. Dafür erhielt das Stück im Jahr den "Bündnis für Kinder Preis" des Bayrischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales und in diesem Jahr den "HUK Jugendförderpreis".


Thomas Nowak lobt das Engagement

Dritter Bürgermeister Thomas Nowak (SPD) lobte das Engagement des Arbeitskreises: "Mit dem Stück habt ihr ein sensibles Thema aufgegriffen und es sensibel und kindgerecht aufbereitet." Auch der Gemeinschaftsgarten für Flüchtlingsfrauen sei ein wichtiger Beitrag zur Bewältigung von sexueller Gewalt. "Außerdem hilft er dabei, dass sich die neu zu uns gekommen Bürger mit Coburgern verständigen", erklärte er.

Heidrun Piwernetz, Regierungspräsidentin von Oberfranken, meinte, das Schaffen des Arbeitskreises sei bemerkenswert. "Auch härtere Strafen können sexuelle Gewalt nicht aufhalten, aber der Arbeitskreis kann die Situation für Betroffene enorm verbessern", sagte sie.

"Gewalt ist oft Ausdruck von Sprachlosigkeit", erklärte Rainer Mattern (CSU), stellvertretender Landrat. Er habe beobachtet, dass Gewalt mittlerweile allgegenwärtig sei: "Täglich sieht man Gewalt in den Nachrichten, aber auch in Krimis wird Gewalt dargestellt." Der Arbeitskreis schaffe einen Gegenpol dazu.