Coburgs Landrat Straubel: "Wir sind vorbereitet auf die vierte Welle"

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Test wie hier im Testzentrum auf der Lauterer Höhe bleiben in der Region Coburg eine wichtige Komponente im Kampf gegen das Corona-Virus.
Test wie hier im Testzentrum auf der Lauterer Höhe bleiben in der Region Coburg eine wichtige Komponente im Kampf gegen das Corona-Virus.
Archiv/Landratsamt
In der ersten Corona-Welle waren Faceshields in Kombination mit Masken, wie Landrat Sebastian Straubel sie im Juni 2020 trug, noch als probater Schutz gefragt. Jetzt wappnet sich die Region bereits gegen die vierte Welle.
In der ersten Corona-Welle waren Faceshields in Kombination mit Masken, wie Landrat Sebastian Straubel sie im Juni 2020 trug, noch als probater Schutz gefragt. Jetzt wappnet sich die Region bereits gegen die vierte Welle.
Archiv/Wöhner-Gruppe

Wie sich die Region Coburg wappnet gegen den zu erwartenden Anstieg der Infektionszahlen.

Die Impfkampagne rollt, gleichzeitig sind wir in der vierten Corona-Welle. Im Westen Deutschlands steigen die Infektionszahlen wieder deutlich an. Wie gut ist der Landkreis nach den Erfahrungen der letzten Monate vorbereitet, falls die Zahlen bei uns auch wieder steigen? Und wie wird die nahe Zukunft mit Corona aussehen? Landrat Sebastian Straubel (CSU/Landvolk) mit einem Rück- und Ausblick im Interview.

Die Inzidenz im Landkreis ist, im Gegensatz zu anderen Regionen, noch niedrig. Überwiegt bei Ihnen die Freude darüber oder die Sorgen vor einem neuen Anstieg?

Sebastian Straubel: Weder noch. Wir haben in der Vergangenheit gemerkt, dass die Fallzahlen bei uns - verglichen mit anderen Regionen in Deutschland - immer mit einem gewissen Verzug steigen. Und das sehen wir hier langsam auch wieder geschehen. Das bereitet mir schon ein wenig Bauchschmerzen, aber wir sind vorbereitet auf die vierte Welle.

Im Westen steigen die Zahlen am deutlichsten, dort sind auch die Ferien eher vorbei als bei uns. Rechnen Sie hier auch mit einem Anstieg durch Reiserückkehrer?

Es sind zwar nicht nur die Reiserückkehrer, die die Zahlen steigen lassen, aber ja, wir werden diese Welle zum Ferienende wahrscheinlich auch wieder spüren. In welchem Ausmaß, das können wir jetzt noch nicht vorhersehen.

Wenn Sie sagen, der Landkreis sei vorbereitet - wie viele Menschen waren denn bisher maximal im Einsatz, um Inzidenzen zu verfolgen und Ansteckungsketten nachzuvollziehen, als wir hier in der Corona-Spitze waren?

Hauptamtlich insgesamt 91 Personen. Das setzte sich zusammen aus beispielsweise 21 aus dem Gesundheitsamt, 17 so genannte Containment Scouts, die die Infektionsketten nachvollziehen und Kontaktpersonen ermitteln, dazu zehn von der Bundeswehr, zehn von der Polizei, fünf Ärzte und 28 von verschiedenen Organisationen wie dem THW, der Regierung von Oberfranken oder Studenten, auch von der Hochschule Coburg. Hinzu kamen 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Landratsamt, die in der Hochphase im Einsatz waren.

Wie viele sind es jetzt? Und wie schnell können Sie aufstocken, wenn es wieder mehr werden?

Zur Zeit sind es 37 Containment Scouts. Wir sind in der Lage, die Zahl aus unserem Personalpool, also aus dem Landrats- und Gesundheitsamt, aufzustocken. Eine weitere Aufstockung zum Beispiel mit Hilfe der Staatsbehörden wäre dann innerhalb von ein bis drei Wochen möglich.

Was hat die Bewältigung der Pandemie im Landkreis bislang gekostet?

Die so genannten Pandemiebedingten Mehrausgaben, für unter anderem Personal, Schutzausrüstung belaufen sich auf circa 460000 Euro. Hinzu kommen etwa 1,7 Millionen Euro für das Testzentrum sowie etwa 1,8 Millionen für das Impfzentrum. Alle Kosten werden aber mit dem Freistaat verrechnet.

Was war der Moment in der Pandemie, der Ihnen persönlich am ehesten in Erinnerung bleiben wird?

An den ersten Fall hier in der Region werde ich mich sicher immer erinnern. Das war direkt ein verzwickter Fall mit vielen Kontakten. Die mussten alle ermittelt und kontaktiert werden, am Morgen danach standen die Telefone hier im Landratsamt nicht still. Zum Vergleich: an einem normalen Tag haben wir circa 300 Anrufe, an diesem Tag waren es um die 12000. Das war schon eine Herausforderung, denn auch wir hatten ja damals noch keine richtigen Erfahrungen mit Corona. Und was mich während der Pandemie immer beschäftigt hat, sind natürlich die Maßnahmen, die man treffen muss und die Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger haben. Da grübelt man immer und kommt selbst zu Hause gedanklich nicht zur Ruhe.

Die nächste Stufe in der Impfkampagne werden die Totimpfstoffe sein. Also solche, die viele Menschen von ihrer Tetanus- oder Polio-Impfung kennen. Glauben Sie, dass das noch mehr Menschen dazu bringen wird, sich impfen zu lassen, weil sie an diesen Vakzinen weniger zweifeln?

Das kann ich nur eingeschränkt beantworten, ich bin kein Mediziner. Aber ich kann mir schon vorstellen, dass solche Impfstoffe noch mehr Menschen überzeugen. Aber auch die jetzigen Vakzine sind ja so intensiv getestet worden, wie kaum andere Impfstoffe zuvor und bieten bereits einen guten Schutz.

Werden Sie auch für die Impfung mit diesen Präparaten werben und Angebote wie einen Impfbus machen, wie schon bei den jetzt vorhandenen Vakzinen?

Natürlich werden wir auch neue Stoffe genauso anbieten - sobald diese zugelassen sind.

Ab einer Inzidenz von 35 gilt ja nun die 3G-Regel. Ist das nicht schon eine Impfpflicht durch die Hintertür?

Ich bin grundsätzlich gegen eine Impfpflicht. Aber an erster Stelle steht nach wie vor die Gesundheit und die gilt es so gut wie möglich zu schützen. Dazu müssen Infektionsketten unterbrochen werden und das kann durch die sogenannten 3G gelingen, also entweder durch die Impfung oder eben durch Tests.

Sind Sie immer glücklich gewesen mit allen Entscheidungen, die in der Pandemie aus Berlin oder München kamen und hier umgesetzt werden mussten?

Ich kenne keinen, der mit der Corona-Pandemie glücklich ist. Wir alle standen vor einer riesigen gesamtgesellschaftlichen Herausforderung, die wir so noch nicht hatten. Wir mussten Schritt für Schritt vorwärtsgehen, um Gesundheit und Menschenleben zu schützen. Dabei war das kein einmaliges Ereignis, sondern ein sich ändernder Prozess. Die Entscheidungsträger in Berlin und München haben nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Natürlich gab es da Herausforderungen, zum Beispiel manchmal bei den Schulen: Wenn am Freitagnachmittag Entscheidungen bekannt gegeben wurden, die dann schon am Montag in den Schulen umgesetzt werden mussten - da hätte ich mir schon oftmals zeitnahere und klarere Vorgaben gewünscht. Aber auch in diesen Situationen haben alle Beteiligten einen Super-Job gemacht, auch die Eltern, die Schulleitungen.

Sie sagen, auch bei Bund und Land musste man erst lernen, mit der Situation umzugehen. Dort aber gab es doch schon, zum Teil Jahre alte Katastrophen- und Pandemiepläne, die sich jetzt als untauglich herausgestellt haben. Hätte man da nicht besser vorbereitet sein sollen?

Ja, aber diese Pläne auf Bundesebene werden ja gerade überarbeitet. Alle haben erkannt, dass sie verbessert werden müssen.

Sie haben die Schulen angesprochen: Was brauchen die jetzt, wenn es wieder losgeht, am dringendsten?

Wichtig ist vor allen Dingen Planungssicherheit. Aber die Pandemie hat auch gezeigt, dass die digitale Ausstattung mehr an Bedeutung gewinnt. Deshalb haben wir hier bereits investiert.

Was wünschen Sie sich an Ausstattung für das Gesundheitsamt?

Vor allem eine angemessene personelle Ausstattung. Die ist zwar bei uns schon aufgestockt worden, aber es gibt zum Beispiel einige befristete Stellen. Die würde ich gerne dauerhaft behalten. Es gibt ja nicht nur Corona, wir haben auch Aufgaben, die wir wieder aufnehmen, wie Schuleingangsuntersuchungen oder Schwangerenberatung. Und: Alle Gesundheitsämter bekommen immer mehr zusätzliche Aufgaben, da brauchen wir diese personelle Ausstattung sowieso, auch ohne Corona.