Die Verteidiger von Casi-Direktor Burkhard Spachmann scheiterten am zweiten Tag der Berufungsverhandlung mit zwei Ablehnungsanträgen gegen Ulrike Barausch. Das Urteil wird voraussichtlich am Freitag, 7. November, gesprochen.
Mit einem Paukenschlag begann gestern der zweite Tag der Berufungsverhandlung gegen den Schulleiter des Coburger Gymnasiums Casimirianum, Burkhard Spachmann: Seine Verteidiger Eckart Staritz und Thomas Bittorf hatten am Mittwoch einen Ablehnungsantrag gegen die Vorsitzende Richterin Ulrike Barausch beim Landgericht eingereicht. In erster Linie warfen die beiden Anwälte der Richterin Befangenheit vor, denn sie habe bereits eine "innere Haltung" gegen Spachmann eingenommen.
Unter anderem zitierten die Verteidiger aus den Berichten der Lokalpresse, wonach Barausch den Angeklagten aufgefordert hatte, Fehler zuzugeben, "in sich zu gehen" und sich mit seinen Anwälten zu besprechen.
Das wertete Staritz in seinen Erläuterungen zum Antrag als "unzulässige Aufforderung zu einem Geständnis" und nannte es den Versuch, das Vertrauensverhältnis zu seinen Rechtsanwälten zu untergraben.
Gesagt oder nicht gesagt? In ihrer Stellungnahme, die Richter Ingo Knecht-Günther verlas, wies Ulrike Barausch darauf hin, dass sie sich zwar nicht mehr an den genauen Wortlaut erinnern könne, doch sie habe Spachmann - entgegen den Presseberichten - nicht aufgefordert, Fehler zuzugeben und "in sich zu gehen". Dass sich der Schulleiter mit seinen Anwälten besprechen solle, sei keine Aufforderung zu einem Geständnis, sondern der nicht gerade einfachen Rechtslage geschuldet.
Zur Klärung, was die Richterin gesagt oder nicht gesagt hatte, wollten Staritz und Bittorf sogar noch die beiden Berichterstatter der Lokalpresse in den Zeugenstand rufen, doch Ingo
Knecht-Günther lehnte den Befangenheitsantrag ab, womit den Journalisten auch der Auftritt vor Gericht erspart bleibt.
Noch ehe der Richter allerdings seine Entscheidung verkünden konnte, hatten Spachmanns Verteidiger schon den nächsten Befangenheitsantrag gegen Ulrike Barausch gestellt. Noch einmal ging es um Zitate in den Presseberichten und darum, ob die Richterin Spachmann direkt angesprochen hatte oder nicht.
Staatsanwalt Philipp Karr konnte sich zwar ebenfalls nicht mehr an den genauen Wortlaut von Barauschs Ausführungen erinnern, vertrat aber die Ansicht, dass eine Zeitung kein ausreichender Nachweis dafür sein könne, ob und wie etwas in einer Gerichtsverhandlung gesagt worden sei.
Ingo Knecht-Günther schloss sich dieser Auffassung im Wesentlichen an und lehnte auch den zweiten Antrag ab.
Drittentscheid unnötig Gut fünf Stunden später als geplant begann schließlich die Hauptverhandlung - unter Vorsitz von Ulrike Barausch. Nachdem am ersten Verhandlungstag vor allem die Lehrer des Casimirianums als Zeugen geladen waren, wurden am Donnerstag Vertreter des Ministeriums gehört.
Edmund Neubauer, der Ministerialbeauftragte für die oberfränkischen Gymnasien, hatte im Auftrag des Ministeriums und mit Unterstützung dreier Fachreferenten die Abiturarbeiten untersucht, bei denen Spachmann die Noten um jeweils einen Punkt angehoben hatte.
Wie Neubauer dem Gericht gestern schilderte, wäre seiner Ansicht nach der "Dritt entscheid" durch Burkhard Spachmann nicht nötig gewesen, denn in allen Fällen hätten die beiden ersten Prüfer übereinstimmend benotet. "Ein Dritt entscheid ist nur dann vorgesehen, wenn die beiden Prüfer nicht zu einem übereinstimmenden Ergebnis kommen", so Neubauer.
Wie die drei Fachreferenten allerdings übereinstimmend bestätigten, seien einige Arbeiten ihrer Meinung nach zu streng bewertet worden. "Ich wäre bei einigen abgewichen - nach oben wie unten", sagte eine Zeugin. Bei den strenger bewerteten Arbeiten seien positive Aspekte seiner Ansicht nach zu wenig berücksichtigt worden, meinte ein anderer Zeuge.
Und dennoch: Wäre Burkhard Spachmann am Tag vor der Zeugnisübergabe 2013 auf Edmund Neubauer zugekommen und hätte ihn gefragt, ob er die Abiturnoten wegen zu strenger Bewertung anheben dürfe
- dieses Szenario hatte Richterin Barausch entworfen - der Ministerialbeauftragte hätte Spachmann eine klare Antwort gegeben: "Ich hätte ihm geraten, es nicht zu tun."
Zur Sache Burkhard Spachmann wird Falschbeurkundung im Amt vorgeworfen. Er hatte nach der Abiturprüfung 2013 die Noten im Fach Deutsch in 86 Fällen um jeweils einen Punkt angehoben. Der Schulleiter war dafür in erster Instanz zu einer Geldstrafe verurteilt worden, ging dagegen jedoch - ebenso wie die Staatsanwaltschaft - in Berufung.
Fortsetzung Der Prozess wird am Freitag, 7. November, um 9 Uhr am Landgericht Coburg fortgesetzt.
Systemfehler der Spiegel 51/2013, 16.12.2013:
...Von einem - bewussten oder unbewussten - "Schulterschluss" sprechen auch kritische Richter. Er ist auf das einzigartige Personalsystem des Landes zurückzuführen, die sogenannte Pflichtrotation: Auch Richter beg
Systemfehler der Spiegel 51/2013, 16.12.2013:
...Von einem - bewussten oder unbewussten - "Schulterschluss" sprechen auch kritische Richter. Er ist auf das einzigartige Personalsystem des Landes zurückzuführen, die sogenannte Pflichtrotation: Auch Richter beginnen in Bayern ihre Laufbahn als Staatsanwalt. In der Regel müssen sie später immer wieder zur Staatsanwaltschaft zurück. Das schafft vielerorts Verständnis, Nähe und persönliche Verbundenheit.
Der Münchner Anwalt Ziegert spricht von der bayerischen Strafjustiz als einer "großen Familie".
Nun kann man sich etwa vorstellen wie intim die kollegiale gerichtliche Familie vor Ort arbeitet.
Es ist allerdings vollkommen üblich, dass der Angeklagte vorverurteilt ist. Es ist gerade keine Befangenheit, weil das in der Praxis so üblich ist. In der Vorprüfung entscheidet der Richter ob Anklage erhoben wird und dabei entsteht schon das erste Vorurteil von dem grundsätzlich nicht mehr abgewichen werden kann auch schon in psychologischer Hinsicht (Inertia-Effekt).
Hat ein Richterkollege bereits über die Sache entschieden ergibt sich daraus bereits das Vorurteil, denn dem lieben intimen Richterkollegen von Ort möchte man nur sehr ungerne ein solches Ungemach bereiten, dass er eine falsche Entscheidung getroffen hätte und je falscher die Entscheidung um so weniger. Teilweise muss sogar zwangsweise kollegial verbunden entschieden werden.
„Befangenheit an sich: Über den Umgang mit einem prozessualen Grundrecht“ NJW 1993, 2222, Dr. Lamprecht:
…Verständlich ist auch, warum sich alle – Richter wie Anwälte – scheuen, einem anderen solches Ungemach zu bereiten. Morgenstern steht Pate: Es kann nicht sein, was nicht sein darf.“
http://blog.justizfreund.de/?cat=9
Der Schulterschlusseffekt und die kollegiale intime Familie wird dem Bürger dann aber noch als "besonderer richterlicher Erfahrungswert" beim stetigen Wechsel von Staatsanwaltschaft zu Richteramt verkauft.