Gartenabfälle schaden dem Ökosystem Wald

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Unbekannte haben in dieser Fichtenschonung haufenweise Gartenabfälle im Wald entsorgt. Foto: Nützel
Unbekannte  haben in dieser Fichtenschonung haufenweise Gartenabfälle  im Wald entsorgt.  Foto: Nützel
Pedro Gerstberger, Pflanzenökologe der Uni Bayreuth. Foto: Nützel
Pedro Gerstberger, Pflanzenökologe der Uni Bayreuth. Foto: Nützel
 

Gartenabfälle sind biologisch abbaubar und können deswegen, wenn man keinen Komposthaufen hat, auch einfach im Wald abgelegt werden - ein Trugschluss, der verheerende Folgen haben kann.

Der Trampelpfad verrät die Spur der Heimlichentsorger. Vom Straßenrand eine kleine Böschung hinauf sind sie gestapft und dann mitten in den Wald, wo es flacher wird. Reifenspuren im Fahrbahnbegleitgrün deuten auf ein Auto plus Anhänger als Fluchtfahrzeug. Was darauf lagerte, türmt sich nun haufenweise unter Fichtenkronen: vor allem Grasschnitt; dazwischen Einsprengsel von Nadeln einer geköpften Thuja; ein Bubikopf mit braunem Scheitel; die Schalen einer (der Menge nach für einen kompletten Straßenzug) geschälten Kartoffelkultur, eine Orchidee samt Plastiktopf und Zettel mit dem Herkunftsnachweis aus einem Baumarkt, Anfangsbuchstabe O.

"Schade, dass nicht der Name des Besitzers draufsteht." Harald Güntner (Name geändert) hätte ihm gerne die ehemals blühende Schönheit wiedergebracht. Aus Angst vor Trittbrettfahrern respektive nachträglicher Racheakte der "Müll-Terroristen" will der Waldbesitzer seinen richtigen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen. "Die kommen sonst zurück und wiederholen die Sauerei absichtlich." Er dreht die Phalaenopsis in seinen prankigen Händen. Dann wirft er das Gewächs in einen Laubsack. "Ich kam heute morgen hier raus, um Holz zu machen. Jetzt darf ich diesen ... diesen Mist da wegschaffen." Und im Weggehen ruft er: "Das hier ist doch nicht Gorleben!"

Unrat versperrt Rückegasse


Begleitet wird die Aufräumaktion von Flüchen, die an dieser Stelle nicht wiedergegeben werden können. Güntners Augen aber sind ein Karfunkelgebirge. Wenn er könnte, würde er seinen Holzspalter hinten an seinem Traktor lieber heute als morgen zweckentfremden - und zwar nicht nur für symbolische Haarspaltereien. Zwischen zwei Verwünschungen der anonymen Kompostis legt Güntner Hand an den Grasschnitt. Der ist bereits in einen zweiten Reifegrad übergegangen und müffelt drei Festmeter gegen den Wind.

Als Atemschutz müssen die Schnittschutzhandschuhe herhalten. Direkt vor die Nase, nützt aber wenig. Es hilft nix, das Zeug muss weg, denn die Halden versperren dem Bayreuther die Rücke gasse, auf der er die zerteilten Stämme von sieben Fichten zu seinem Anhänger bugsieren wollte. "Diese Spinner glauben, die tun was Gutes für die Umwelt." Er hustet und spuckt einen Grashalm aus. "Die glauben, das sei ja alles öko und überhaupt nicht schädlich für den Bod..." Der Satz wird von einem gutturalen Bellen verschluckt.

Schädlich für den Boden, wollte er sagen. Und hat Recht damit, wie Pedro Gerstberger bestätigt. Der Akademische Direktor für Pflanzenökologie an der Universität Bayreuth beobachtet, dass immer mehr Neophyten die Landschaft und auch vor allem die Ränder von Wäldern dominieren. Neophyten - das sind Pflanzenarten, die nicht heimischen Ursprungs sind, sondern eingeschleppt wurden. Oder eben ausgebracht durch Gartenbesitzer auf Entsorgungstour. "Nicht bloß das indische Springkraut und die ätzende Herkulesstaude machen Ärger durch ihre immer stärkere Ausbreitung", sagt Gerstberger.

Bedrohung durch vermeintlich Harmloses


Es sind die scheinbar harmlosen Blatt-Typen, die raus aus Häusern und Gärten rein in die Natur wandern und sich ungehindert breit machen. "Eine Geranie richtet wenig Schaden an, denn die erfriert und vergeht." Gerstberger sieht eher ein Problem in hartnäckigen Gesellen wie der Goldrute oder dem Punktierten Gilbweiderich: eine gelb blühende Staude, bis zu einem Meter hoch und ursprünglich in der Türkei beheimatet. Sie wird gern in halbschattigen Ecken am Haus gepflanzt. Wenn sie dort denn bliebe. Gerstberger weiß: "Gelangen Ableger der frostharten Pflanze in die Umgebung, kann sie sich extrem vermehren und unterdrückt mit ihrer Wuchskraft vor allem die Bodendecker, die an ihrem ursprünglichen Standort im Schatten keine Chance haben.

Es muss aber keine wild gewordene Blühpflanze sein; schon das Ausbringen von Rasenschnitt kann sich im Wald verheerend auswirken, sagt der Experte: "Breit gerecht würde sich das Ganze schnell in Wohlgefallen auflösen. In Haufen ausgebracht aber dichtet die Masse unweigerlich den Boden ab, fault und lässt kaum noch Sauerstoff durch. Beim Kompostieren setzt der Gärtner die Miete regelmäßig um. Im Wald unterbleibt das."

Beim Rotteprozess gelangen laut Experte große Mengen an Stickstoff in den Boden. Der Bereich um die Wurzeln wird überdüngt, mit dieser Fülle können die Bäume nichts anfangen. Später kann das Gemisch ins Grundwasser gelangen. Und wenn in der Nähe ein Bächlein fließt, werden die Elemente gleich da hineingewaschen. Ein unseliger Kreislauf, den die Natur so nicht vorgesehen hat.

"Entenfutter" wird Faulschlamm


Ein im wahrsten Wortsinn erdrückendes Beispiel für die Folgen der Grasausbringung hat Gerstberger an manchem Abschnitt der Wisent beobachtet: "Da kamen Menschen und warfen Rasenschnitt ins Wasser in der irrigen Annahme, die Enten würden das alles fressen." Die Folge: Das Gras sinkt auf den Grund, verwandelt sich allmählich in Faulschlamm und legt sich wie ein Leichentuch über alles Leben, inklusive der Kiesbänke, wo Fische ihre Laichgründe haben. Für den Fluss eine Katastrophe - obwohl der Eintrag ja natürlichen Ursprungs, aber eben unter den anaeroben Bedingungen nicht abbaubar war.

Nicht in der Tiefe, sondern in der Höhe verrichten Gipfelstürmer wie der Japanische Staudenknöterich oder das Geißblatt in freier Waldbahn ihr zerstörerisches Werk. Die Kletterpflanzen sind ein Blickfang an Mauern und Pergolen. Doch wehe, wenn sie losgelassen: Dann nutzen sie Baum und Strauch als Rankhilfe und schwingen sich auf in Höhen von acht Metern und mehr. Durch das Laubdach dringt kein Sonnenstrahl mehr auf den Boden. Dort verendet alles, was eigentlich gedeihen sollte. Dazu bildet der Eindringling unterirdisch ein Wurzelwerk (Rhizom) aus, dessen Ausläufer Armdicke erreichen können und dem kaum beizukommen ist. Höchstens mit Gift, aber Herbizide zur Bekämpfung sind im Wald normalerweise gesetzlich verboten.

Kostenlose Kompostierplätze


"Gottseidank", sagt Harald Güntner. Und zum Glück ist bei seinen Abfällen wenigstens kein solcher Kletterverhau dabei. "Mir genügt das, was da liegt. Ich finde, da müssten die Behörden endlich mal aufklären." Die Stadt Bayreuth tut das derzeit. Offenbar sind den Verantwortlichen mehrere Beschwerden von Waldbesitzern zu Ohren gekommen. Pressesprecher Joachim Oppold hat in einer aktuellen Mitteilung die Bürger dazu aufgerufen, das "wilde Deponieren" zu unterlassen. "Wir bieten Gartenbesitzern, die selber kompostieren, Nachlässe bei den Müllgebühren an. Außerdem gibt es ganz in der Nähe Kompostierplätze, die größere Mengen kostenlos annehmen."

Sonst kann die Entsorgung teuer werden, sagt Oppold: 75 Euro und mehr werden fällig. Wenn die Verursacher erwischt werden und nicht den Wald unbemerkt über den Trampelpfad bereits wieder verlassen haben. Dabei sollte die Devise lauten: Wehret den Anfängen, wie Karl Lappe zu verstehen gibt.

Der Geschäftsführer der Waldbauernvereinigung Bayreuth weiß um den Herdentrieb des Menschen: "Wo einmal ein Haufen angefangen ist, kommt schnell mehr dazu. Da könnte man sogar noch von Glück reden, wenn es bei Unrat aus dem Garten bleibt - und kein Müll aus dem Haushalt gleich mit entsorgt wird."