Wenn der Hel- Niclos mit den Ketten rasselt

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Das weihnachtliche Bamberg: auch dieses Aquarell von Günter Heinz ist im "Bamberger Weihnachtsbuch" zu sehen. Veste Verlag Roßteutscher
Das weihnachtliche Bamberg: auch dieses Aquarell von Günter Heinz ist im "Bamberger Weihnachtsbuch" zu sehen.  Veste Verlag Roßteutscher
Renate Reuther und Elfi Roßteutscher Foto: pr
Renate Reuther und Elfi Roßteutscher Foto: pr
 
 
 
 
 

Zurück in längst vergangene Zeiten führt "Das Bamberger Weihnachtsbuch". Von skurrilen Bräuchen bis hin zu aberwitzigen "Polizeimeldungen" des 19. Jahrhunderts spannt sich der Bogen. Auch Geschichten, die zu Herzen gehen, erzählt Renate Reuther als Autorin. Anbei gibt's eine Leseprobe.

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Ist Ihnen die "eiserne Bertha" mal begegnet, die Lausbuben in alter Zeit das Fürchten lehrte? Ihr Besuch drohte im Advent, während sich der Hel-Niclos den Nachwuchs erst nach den Weinachtsfeiertagen vorknöpfte: Dann schneite der "in Erbsenstroh gehüllte" Schrecken aller Kinder ins Haus, rasselte mit den Ketten und züchtigte unfolgsame Racker mit der Rute, wie Renate Reuther im "Bamberger Weihnachtsbuch" berichtet: einer Fundgrube an skurrilen, herzergreifenden und aberwitzigen Geschichten. Bis ins 18. Jahrhundert zurück führt die Zeitreise der fränkischen Historikerin, die untergegangene Welten aufleben lässt.


Blick auf den "Zukünftigen"

Die eigentümlichsten Bräuche verbanden sich früher mit der Vorweihnachtszeit. Nehmen wir den Thomastag: Reuther zufolge bestreuten Bauern am 21.
Dezember ihr Vieh mit geweihtem Salz, um es vor dämonischen Übergriffen zu schützen. "Mägdlein" glaubten in der Thomasnacht im Spiegel eines Wasserbottichs ihren "Zukünftigen" zu sehen. Auch sein Beruf war abzulesen, sofern frau einen Löffel flüssigen Bleis ins kühle Nass fließen ließ: Schon zeigte die erstarrte Form den Broterwerb des "Herzallerliebsten".

Faszinierend ist allein die Sprache des 18., 19. und frühen 20. Jahrhunderts, die "Das Bamberger Weihnachtsbuch" transportiert - im Gegensatz zu vielen vergleichbaren Werken. So zitiert Renate Reuther aus Bekanntmachungen, Anzeigen und anderen Veröffentlichungen zwischen 1750 und dem Zweiten Weltkrieg. Darunter ein "Polizeibericht" vom 13. Dezember 1892, der heute trotz aller Tragik unfreiwillig komisch klingt: "Geländet wurde gestern am Rechen der unteren Mühlbrücke die Leiche des 19jährigen dahier bedienstet gewesenen Knechts Johannes Götz von Kübelstein, der sich vorgestern einen Zahn reißen ließ, dann noch fortwährend über Schmerzen klagte und in der Aufregung freiwillig den Tod gesucht und gefunden hat."

Wunderbar formuliert ist auch eine im "Bamberger Intelligenzblatt" 1831 erschienene "allerhöchste Verordnung" des Stadt-Magistrats, die Mildtätigkeit unter Strafe stellte: Wer umherziehenden Habenichtsen Almosen gab, musste demnach mit Bußgeldern rechnen. Ebenso "Aeltern oder deren Stellvertreter, die aus Fahrlässigkeit oder Mangel an Aufsicht ihre Kinder dem Betteln und einem herumschweifenden Leben nachgehen lassen..."
Tatsächlich gab es damals noch bittere Not leidende Bamberger, die auf Hilfe angewiesen waren. Gerade im Winter, wo sich der Armenpflegschaftsrat der Bedürftigen annahm, die "nicht einmal genug Brennholz für eine warme Suppe hatten", wie Renate Reuther berichtet. Das Bamberger Tagblatt rief 1835 zur Unterstützung einer Familie auf, die "seit geraumer Zeit auf Stroh und zwei einzelnen Bettstücken schläft, keine Kleider hat zum Ausgehen, kaum Brod." Vater, Mutter und Kinder - "gottesfürchtig, nüchtern, auch arbeitssam erzogen" darbten "auf schreckliche Weise".



Zu schnell mit der Kutsche gefahren?

Daneben gab's Zeitgenossen, die kein leuchtendes Beispiel an Tugendhaftigkeit waren. So prangert das "Bamberger Intelligenzblatt" in einer Ausgabe des Jahres 1830 eine ganze Reihe an Vergehen an: Fünf Bamberger wurden demnach wegen verbotenen "Konkubinats" (Beischlafs) abgestraft, vier wegen "Halten des blauen Montags", zwei wegen "nächtlicher Ruhestörung" und ein Lehrling "wegen verbotenen Wirtshausbesuchs". Darüber hinaus hagelte es Strafen "wegen schnellen Fahrens". Auch mit der Kutsche durfte man folglich nicht durch Bamberg "rasen".

Gerechtfertigt waren zu allen Zeiten Klagen über die " Jugend von heute": So dachten sich auch "Kids" des 19. Jahrhunderts in der Weihnachtszeit profane Streiche aus. Beispielsweise drangen sie "scharenweise" in die Martinskirche ein, lärmten während des Gottesdienstes und belästigten Besucher. Während in der Oberen Pfarrkirche ein Bub mit einer Pfanne glühender Kohlen herumwedelte, bis neben Funken auch brennende Kohlestücke auf die "Andächtigen" flogen.

Das Geschäft mit geklauten Christbäumen, auf die sich räuberische Jugendliche spezialisiert hatten, boomte. Von "Exzessen" sprach die Königliche Landesdirektion 1807, nachdem von Feldern, aus Wäldern und Gärten dementsprechend viele Exemplare verschwanden. Noch praktischer war's, einen sogenannten "Christbaum für Alle" mitzunehmen. Schließlich hing daran schon der Weihnachtsschmuck. Allerdings gab's diesen Luxus erst im 20. Jahrhundert - am Bahnhofs- und Schönleinsplatz. Nicht zu vergessen der Oberpostdirektion, vor der skrupellose Täter 1931 ein "mit Lichtern bestecktes Bäumchen" mitgehen ließen.

Waren die "Christbäume für Alle" heiß begehrt, so interessierte sich kaum einer für den ersten Bamberger Weihnachtsmarkt am Schrannenplatz, der 1911 "schwach besetzt" über die Bühne ging. In den "Bamberger Neuesten Nachrichten" hieß es am 22. Dezember: "Die Frequenz des Marktes ist eine ganz minimale - und mag dies auch die Ursache sein, dass von den fünf bis sechs Händlerinnen, die bei der Eröffnung anwesend waren, gestern nur noch eine einzige zugegen war." Ein Sturm verwüstete in der darauf folgenden Nacht den letzten verbliebenen Stand des ersten Weihnachtsmarktes.


Krippen verboten

Vom Bummel über einen festlich beleuchteten Adventsmarkt konnte damals also keine Rede sein. In den Kirchen bestaunten Romantiker seit 1825 immerhin wieder kunstvoll gestaltete Krippen. In jenem Jahr nämlich hob König Ludwig I. das im Zuge der Säkularisation erlassene "Krippenverbot" auf: Es hatte ganze 22 Jahre lang gegolten und war im "Regierungsblatt für die Churpfalz-bairischen Fürstentümer in Franken" mit dem Argument begründet worden, "dass es solcher Vehikel zur religiösen Aufklärung und Belehrung nicht mehr bedarf". Schließlich seien "die Einwohner der fränkischen Provinzen seit geraumer Zeit weit in der religiösen Aufklärung fortgeschritten".

Natürlich fehlen auf den 138 Seiten des "Bamberger Weihnachtsbuchs", das Elfi Roteutschers illustrierte, kulinarische Schmankerl nicht. Köstlich auch die historischen Zeitungsausschnitte, Ansichten, Zeichnungen und Aquarelle. Aber schmökern Sie selbst in der Veröffentlichung, die einen in eine fremd gewordene Realität zieht.


Zum Buch

"Das Bamberger Weihnachtsbuch" von Renate Reuther und Elfi Roßteutscher, erschienen im Veste-Verlag Roßteutscher, ist unter der ISBN 978-3-925431517 im Handel erhältlich und bei den Geschäftsstellen des Fränkischen Tags.