Erstmals hat sich die Bahn in der Frage der Trassenwahl festgelegt: Sie sieht das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis beim Ausbau im Bestand. Tunnelbau und Ostumfahrung scheiden demnach aus. Und das nicht nur wegen der Kosten und ökologischen Nachteile.
Am Ende sind es vier Minuten, die entscheiden. Oder drei. Über die Zukunft einer tausendjährigen Stadt und über eine Investition von schätzungsweise 600 Millionen Euro. Aber für Klaus-Dieter Josel, den Bevollmächtigen der Deutschen Bahn, ist es nunmal die Zeit, die zählt - im Wettbewerb mit boomenden Fernbuslinien und in Konkurrenz zu Billigfliegern.
Das Rechenexempel wurde am Dienstag im Saal der Harmonie aufgemacht: Käme es beim Bahnausbau in Bamberg zum Tunnel oder zur so genannten Ostumfahrung durch den Wald, dann würden Schnellzüge wie der ICE wegen der komplizierteren Gleistopologie vier bzw. drei Minuten gegenüber einem ICE verlieren, der auf der Bestandsstrecke unterwegs wäre.
Glaubt man Josel, dann könnte eine solche Verzögerung sogar den für Bambergs so wichtigen ICE-Halt ausbremsen. Denn zwischen Erfurt und Nürnberg bleiben im Spinnennetz der Fernverbindungen nur fünf Minuten für die Halte in Bamberg und in Erlangen. "Wenn da vier Minuten fehlen, könnte das wackeln", sagt Josel.
Bei den Befürwortern einer untertunnelten Ostumfahrung nur für Güterzüge hört sich die Interpretation des Dienstags natürlich ganz anders an. Robert Bartsch von der Initiative Bahnsinn bezweifelt die Schlussfolgerungen der Bahn und will weiter für "neutrale Informationen" kämpfen. "Wir haben heute nur Subjektives gehört. Auf dieser Basis Entscheidungen zu treffen, wäre grob fahrlässig."
Trotzdem: In der Geschichte der Bamberger ICE-Debatte könnte die jüngste Sitzung des Koordinierungskreises als jener Moment eingehen, an dem die Bahn erstmals die Katze aus dem Sack gelassen hat, auch wenn das niemanden besonders überrascht: Sie will den Bahnausbau im Bestand, sie lehnt die Ostumfahrung und den Tunnelbau ab.
Aber sie hat wichtige Gründe dafür. Auf einen Blick abzulesen ist das an jenem Schaubild, das die Bahn nach dem Vorbild der Stadt nun ihrerseits vorgelegt hat. Die "Bahn-Matrix” zeigt beim Ausbau im Bestand einmal die Farbe grün, beim Tunnelbau zwei Mal die Farbe rot, während bei der Ostumfahrung neutrale Farben dominieren. In Prosa übersetzt heißt das: Die Untertunnelung ist nicht nur deutlich teurer als der Ausbau im Bestand (in der Sitzung kursierte für letzteren die Zahl von 600 Millionen Euro). Sie ist auch vom Ausbau her die langwierigste; acht Jahre soll es dauern. Sie verbessert zudem weder Bestandsinfrastruktur, noch befreit sie Bamberg von lauten Güterzügen. "Es gibt das Recht auf freie Trassenwahl", sagte Josel.
138 Güterzüge im Bahnhof Nur wenig besser sieht es für die Ostumfahrung aus. Diese Trasse, allerdings ohne die von den Kritikern geforderte Westanbindung, wäre etwas günstiger zu bauen und würde die geringsten Belastungen beim Bau bedeuten, hätte aber massive Nachteile. Nicht alle Güterzüge könnten die Ostumfahrung benutzen, im Gegenteil: 138 Güterzüge würden täglich den Bahnhof frequentieren. Außerdem ist auch der "verkehrliche Nutzen" kleiner als im Bestand - die bekannten vier Minuten...
Wie immer man dazu stehen mochte, die meisten Mitglieder im Koordinierungskreis waren offenbar beeindruckt. Von einer guten Entscheidungsgrundlage sprach OB Andreas Starke (SPD). Nun stehe fest, dass der neue Bundesverkehrswegeplan den Bahnausbau in Bamberg nicht verzögern werde. Auch sei klar, dass Schienenstegdämpfer und besonders überwachte Gleise ab 2015 zugelassen seien.
Wände drei Meter hoch Was heißt das für Bamberg? Laut Bahn ist damit sicher, dass die Lärmschutzwände drei Meter nicht überschreiten. Dem Stadtrat legte Starke eine Vorentscheidung nahe: "Aus meiner Sicht ist die Ostumfahrung kein Allheilmittel, um die für Bamberg beste Lösung zu finden."
Ob dem OB eine Mehrheit folgen wird? Wie einig sind sich CSU und SPD? Zumindest Dieter Volk, Sprecher der Naturschutzverbände, zweifelt, dass die Trasse durch den Osten schon vom Tisch ist, trotz der aus seiner Sicht deutlichen Informationen. Klar: Volk will die Trasse im Osten nicht.
Andere schon. Die Grünen zum Beispiel, oder auch die Gärtner im Stadtrat gehören zu jenen, die nach wie vor Klärungsbedarf für eine getunnelte Güterzugumfahrung sehen.
Für die Masse der Bamberger, die vor einem Jahrzehnt der Baustellen stehen, bleibt die bange Frage, wann es eigentlich losgehen soll, mit einem Vorhaben, das mindestens 600 Millionen Euro kostet kostet und gaze vier Minuten Zeitvorsprung bringt. Antwort von Klaus-Dieter Josel: "Wenn es gut läuft, könnte der Spatenstich 2020 erfolgen."
Das angebliche Recht auf freie Trassenwahl spricht nicht gegen die Untertunnelung der Bestandsstrecke. Denn es ist sehr wohl möglich, durch Anordnungen und / oder Trassenpreise zu steuern. Daß die Bahn dies nicht gern sieht und daher versucht, das Unwissen des Großteils der Bevölkerung durch falsche Aussagen zu bestärken, ist zwar verständlich - eines in öffentlichem Eigentum stehenden Unternehmens indes unwürdig.
Daher sollten Tunnel und moderner Lärmschutz, dessen Zulassung nicht länger verzögert werden darf, gegeneinander abgewogen oder - je nach Ergebnis entsprechender (objektiver !!!) Prüfungen - miteinander kombiniert werden.
Nebenbei: Auch für die Deutsche Bahn gilt das Sozialgebot des Grundgesetzes, nach dem der Gebrauch des Eigentums zugleich dem Wohl der Allgemeinheit zu dienen hat.
Der Hochgeschwindigkeitswahn und die Konzentration der Finanzmittel auf ihn entbehren ohnehin jeglicher rationalen Komponente. 95 % der Bahnkunden fahren im Nahverkehr. Auch den Fernreisenden, ob privat in der Freizeit, im Ehrenamt oder beruflich unterwegs, interessiert nicht die Fahrzeit zwischen zwei ICE-Halten. Entscheidend ist die Reisezeit vom Start bis zum Ziel (Tür zu Tür) inklusive aller Warte- und Umsteigezeiten. Profitieren können somit nur die, welche im Regelfall Beginn und Ende ihrer Reise in der Nähe eines ICE-Bahnhofs haben. Für alle anderen führt die Reduzierung der Fernverkehrshalte zu teils deutlich längeren Reisezeiten.
Somit bleibt - neben der Bahnindustrie, die aber auch (vielleicht stärker) von einem kundenorientierten Ausbau des Flächennetzes Vorteile hätte - nur eine nennenswerte (?) Gruppe über: Die Politiker, welche sich gern im Glanz teurer Prestigeprojekte sonnen und bei Neueröffnungen und -freigaben in Kameras lächeln wollen!
... dass sich die Vernunft nun bei Stadt und Bahn unisono durchsetzt.
Jede andere Lösung wäre W(B)ahnsinn gewesen.
Das mit dem Lärmschutz ist sowieso bescheuert. Für viele Leute sind plötzlich Schienen aufgetaucht und beschweren sich jetzt über den Lärm.
Der Bau in Bestand ist abzulehnen, wegen den viele Gebäude die abgerissen werden. Außerdem werden 600 Millionen niemals reichen, am Ende werden es wahrscheinlich 800 Mio. Aber wahrscheinlich wird sowieso nicht gebaut, weil den sogenannten Bundesverkehrswegeplan 2015 andere Geschenke für andere Bundesländer und zudem Dorindt eher mit der PKW-Maut beschäftigt ist.
@thomas-bamberg
Ihr übliches Blabla können Sie sich sparen.
Es geht nicht um die vorhandenen Gleise und den daraus resultierenden Lärm, sondern um die zusätzlichen Gleise, welche eine Verdoppelung der Zugverbindungen im Regnitztal mit sich bringen. Das kommt nun mal zetlich definitiv NACH den Häusern und ihren Bewohnern.
Und informieren Sie sich mal über das TEN-Netz:
http://de.wikipedia.org/wiki/Transeurop%C3%A4ische_Netze#Neue_Korridore_2013
TEN — Damit Güter von den Nordseehäfen bis nach Italien und weiter über die Schiene transportiert werden können. Wir bekommen an unserer Bahnstrecke auch das Vergnügen!
http://www.infranken.de/ueberregional/wirtschaft/Verkehr-Bahn-Bahn-investiert-Millionen-in-Schienenanbindung-von-Haefen;art184,750092
Wer wie Starke das "besonders überwachte Gleis" als Vorteil begreift hat nichts begriffen oder ... (s.u).
) http://www.infranken.de/regional/forchheim/Alle-Zuege-standen-in-Forchheim-still;art216,750346
Mit dem Schienenbonus des besonders überwachten Gleises werden die Lärmgrenzwerte nur schön gerechnet, denn die Bahn vernachlässigt das dafür notwendige häufigere Schleifen der Schienen sträflich.
Tut sie es doch einmal steht alles still
Richtig wäre es den Schienenbonus im Lokus für entlarvte Schönfärbereien zu entsorgen und dafür wirkungsvollen Lärmschutz z. B. in Form der noch immer zugelassenen modernen niedrigen Schallschutzwände mit knapp einem halben Meter Höhe direkt an den Gleisen zu bauen. Das Weltkulturerbe-Problem mit den althergebrachten Schallschutzwänden würde sich damit in Wohlgefallen auflösen.
Oder resultiert gerade daraus die Stark'sche Lobhudelei, welche in Wirklichkeit eine handfeste Verarsche der Bamberger Bevölkerung ist, weil sie unnötigen Lärm ertragen soll, um den Weltkulturerbe-Status zu erhalten?
Eisenbahn-Bundesamt und Bundestag schlafen in der Lärmschutzwandfrage (bewusst) den Schlaf des Gerechten. Dies gilt ebenso für die seit 2006 als Entwurf fertige Richtlinie "Schall 03 neu". Die lokalen (Ex-)MdBs Silberhorn und Körber haben jahrelang feste mitgepennt!
Grund sind die evtl. höheren Kosten für die Bahn. So etwas stört beim Privatisierungsprozess Andere Kostenfaktoren wie z.B. Bau und Unterhalt der Pendlerparkplätze hat man vor einigen Jahren einfach der kommunalen Eben aufgebürdet. Den mehrfachen finanziellen Nutzen durch Nicht-mehr-Zuständigkeit und höherer Kundenfrequenz hat die Bahn.
Bis in Bamberg tatsächlich gebaut wird besteht aber noch Hoffnung auf eine verabschiedete "Schall 03 neu" und zugelassenen niedrigen Lärmschutzwänden.