Verschiebt sich die Machtbalance im Rathaus Bamberg?

3 Min
Grafik: Michael Beetz
Grafik: Michael Beetz
 
 

Nie waren die Stadtratswahlen in Bamberg so spannend wie 2014. Das liegt an der Rekordzahl von Bewerbern. Doch auch das neue Auszählungsverfahren könnte für Überraschungen sorgen. Sogar die "Große Koalition" zwischen CSU und SPD könnte zur Disposition stehen.

Es ist ein ehrgeiziges Ziel, das Martin Pöhner, Listenführer der Bamberger FDP , für die Kommunalwahl am 16. März ausgegeben hat. Er hofft, mit den Liberalen zwei bis drei der Sitze im Rathaus zu erobern. 2008 musste sich die Bamberger FDP nur mit einem Mandat begnügen.

Was den 36-jährigen Gymnasiallehrer und seine Mitstreiter beflügelt, ist unter anderem ein neues Auszählungsverfahren. Es nennt sich nach dem Londoner Rechtsanwalt Thomas Hare und dem deutschen Mathematiker Horst F. Niemeyer "Hare-Niemeyer". Der Berechnungsmodus löst erstmals im März bei den Kommunalwahlen die frühere Zählart nach "D´ Hondt" ab, eine Entscheidung, die die frühere Schwarz-Gelbe Koalition in Bayern 2012 in ein neues Wahlgesetz goss.

Die Umstellung im Wahlgesetz mag erst einmal wenig aufregend klingen. Doch es hat Auswirkungen auf die Sitzverteilung und damit die Demokratie dort, wo sie den Bürgern am nächsten ist - in Gemeinden und Städten. Zum Beispiel der Bamberger Stadtrat mit seinen 44 Sitzen. Wäre dieses Gremium bereits 2008 nach Hare-Niemeyer ausgezählt worden, hätte nicht nur die FDP ein zweites Mandat erhalten, was einer Verdoppelung entspräche. Auch die Bamberger CSU hätte dem Wählerwillen entsprechend deutlich mehr Federn lassen müssen. Von 19 wäre der Absturz auf 14 statt auf 15 Sitze noch einmal stärker ausgefallen.


Von ,Hare-Niemeyer´ profitieren die kleinen Gruppierungen

Dieses Ergebnis hat selbst die Experten im Bamberger Rathaus überrascht, die die Auswirkungen von "Hare-Niemeyer" auf die Wahl in Bamberg testweise für 2008 ermittelt haben. "Es ist eindeutig. Von ,Hare-Niemeyer´ profitieren die kleinen Gruppierungen", sagt Christine Feldbauer vom Wahlamt.

Nicht nur für die vielen Davids im Bamberger Stadtrat ist das ein Segen. Peter Gack etwa von der grünen Fraktion spricht von einem deutlich gerechteren Auszählungsverfahren. ",D´ Hondt´ hat einseitig die großen Gruppierungen begünstigt. ,Hare-Niemeyer´ ist ein echtes Spiegelbild des Wählerwillens", sagt Gack, auch wenn er nicht glaubt, dass die Grünen selbst davon profitieren werden.

Doch der wahltechnische Rückenwind für die kleinen Parteien im Stadtrat ist nicht unumstritten. Er kommt zu einem Zeitpunkt, in dem die beiden großen Fraktionen, CSU und SPD, zu kämpfen haben, um ihre Bedeutung zu erhalten. Nicht nur der grüne Stadtrat Peter Gack kann sich ein Szenario vorstellen, bei dem SPD und CSU erstmals keine Stimmenmehrheit mehr haben, also 23 plus x.

Selbst in der früher erfolgsgewohnten CSU wachsen die Bäume nicht mehr in den Himmel: "15 Sitze sind unser Ziel, 14 realistisch", gibt sich Fraktionschef Helmut Müller bescheiden. Dazu muss man wissen, dass seine Partei es den Fans schwarzer Politik in den vergangenen Jahren nicht immer ganz einfach gemacht hat. Neben der Sachpolitik bestimmten vielfach Querelen das Bild, zuletzt sorgte ein Parteiausschlussverfahren gegen drei CSU-Mitglieder, die auf der Liste von Bambergs Unabhängigen Bürgern untergekommen sind, für Ärger. '

Dabei ist es nicht allein die Sorge um den eigenen Bedeutungsverfall, der Müller und die Seinen umtreibt. "Die Verlässlichkeit der Politik ist in Gefahr, wenn wir Weimarer Verhältnisse in Bamberg bekommen", sagt der Fraktionsschef.

Das Modell einer großen Koalition zwischen CSU und SPD in Bamberg, von Manchen auch "Koalition der Vernunft" genannt, hat in der Tat die Politik der letzten Jahre berechenbarer gemacht als es die Mehrheitsverhältnisse hätten vermuten lassen. OB Andreas Starke (SPD), dessen SPD 2008 nur 22 Prozent der Stimmen geholt hatte, konnte sich bei den meisten Abstimmungen auf die CSU verlassen, auch wenn die auch auf nur 32,5 Prozent geschrumpft war.


OB: Mehrheiten "organisieren"

Würde diese Basis noch schwächer, stiege die Bedeutung desOberbürgermeisters gegenüber dem heterogenen Stadtrat zwar. Gleichzeitig könnte die Mehrheitsfindung aber zur zeitraubenden und von Zufällen abhängigen Prozedur werden.

Trotzdem begrüßt Starke die Einführung von "Hare-Niemeyer", "weil es dem Demokratiegedanken mehr entspricht". Wackelpartien bei der Mehrheitsfindung fürchtet Starke nicht. Er geht davon aus, dass es auch im nächsten Stadtrat gelingt, eine Zusammenarbeit zum Wohle der Stadt zu organisieren und bei Bedarf auch "zusätzliche Bündnispartner" zu gewinnen.So habe es auch bisher schon die Notwendigkeit gegeben, parteiübergreifende Beschlüsse zu organisieren, beispielsweise bei der Ansiedlung von Brose.

Am Montag hatte die Bamberger Linke das erste Hundert von 340 benötigten Unterstützerunterschriften noch nicht ganz beisammen. Dennoch lässt sich bereits absehen, dass die Zahl der Kandidaten 2014 größer ausfällt als 2008. Für den Wähler bedeutet dies ein riesiges Angebot. Auf der Gegenseite wächst freilich die Konkurrenz und mit ihr die Befürchtung, dass sich die vielen "Kleinen" kannibalisieren könnten. Freie Wähler, Bamberger Bürger-Block, Bamberger Realisten, Bambergs Unabhängige Bürger und die FDP - sie alle fischen im gleichen Lager. Bei ihnen gibt es zur angeblichen Gefahr der Zersplitterung natürlich auch eine etwas andere Meinung. Für Dieter Weinsheimer (FW) etwa ist Verlässlichkeit keine Frage der politischen Stärke. Auch die "Großen" hätten bei Entscheidungen wie auch beim Personal mancherlei Wechsel vollzogen. Den beiden Fraktionen stellt er kein gutes Zeugnis aus. "Sie erfüllen die Aufgabe nicht, die Verwaltung zu kontrollieren."

Lade TED
 
Ted wird geladen, bitte warten...