Umstrittene Werbung: Sind Samenspender Helden?

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Eines der Werbeplakate
Eines der Werbeplakate
 
 

Zum 1. Juli gibt es ein bundesweites Spenderregister. Eine Erlanger Samenbank hat eine Kampagne gestartet, die bei Spenderkindern schlecht ankommt.

Für den unwahrscheinlichen Fall, dass er dem Samen von James Bond entwachsen wäre: Spenderkind Leonard F.* (der Name ist der Redaktion bekannt) dürfte den Namen seines biologischen Vaters erfahren. Abgesehen davon, dass dieser mit Sicherheit nicht Bond heißt - der Geheimagent ist für F. ein rotes Tuch. Die Figur ist eine von drei so genannten "Helden", mit denen die Erlanger Samenbank zurzeit auf Plakatwänden im Großraum Nürnberg für die Samenspende wirbt. Was von Andreas Hammel, ärztlicher Leiter der Samenbank, als Hingucker gedacht ist, macht Leonard F. wütend.

"Rechtswidrige Vereinbarungen"

Leonard - und alle bisher entstandenen Spenderkinder - haben bereits jetzt das Recht, ihren genetischen Vater kennenzulernen. Das hat der Bundesgerichtshof schon 2015 bestätigt. "Mit anderen Worten: Anderslautende Vereinbarungen zwischen Ärzten, Eltern und Samenspendern waren schon immer rechtswidrig. Das stand sogar 1970 schon im Deutschen Ärzteblatt", sagt Anne Meier-Credner vom Vorstand des bundesweiten Vereins "Spenderkinder". Bislang sei es für Spenderkinder nur häufig sehr schwierig, dieses Recht umzusetzen, weil Ärzte und Samenbanken nicht alle so vorbildlich wie die Erlanger Samenbank dokumentiert hätten und sich zum Teil auch einfach weigern würden, vorhandene Informationen herauszugeben. "Deswegen wäre es so wichtig, diese bereits existierenden Informationen in ein zentrales Register zu überführen, damit sich die Spenderkinder nicht weiter mit unkooperativen Ärzten und Samenbanken auseinandersetzen müssen", fordert Meier-Credner. Spenderkinder begrüßen die neue Regelung

Womit wir beim Thema wären: Vor einem Jahr wurde ein Gesetz zur Errichtung eines Samenspenderregisters beschlossen, das zum 1. Juli 2018 in Kraft trat. Ziel ist es, "für Personen, die durch heterologe Verwendung von Samen bei einer ärztlich unterstützten künstlichen Befruchtung gezeugt worden sind, die Verwirklichung des Rechts auf Kenntnis ihrer Abstammung sicherzustellen". Der Verein "Spenderkinder" begrüßt diese Regelung. "Auch wenn das Gesetz aus unserer Sicht an einigen Stellen noch verbesserungsbedürftig ist, greift es das Bedürfnis vieler Spenderkinder auf, einfach und unbürokratisch erfahren zu können, wer ihr genetischer Vater ist", sagt Meier-Credner.

Die Kinder kommen nicht vor

Die Werbekampagne der Erlanger Samenbank hält sie jedoch für fragwürdig. "Darin werden Samenspender als Helden und das Gesetz als Absicherung der Bedürfnisse von Wunscheltern und Spendern dargestellt", kritisiert Meier-Credner. Leonard F., der in Nürnberg wohnt, sagt: "Jedes Mal, wenn ich auf meinem Weg durch die Stadt mit der Werbung konfrontiert werde, versetzt mir das einen Stich. Hier werden nur die künftigen Eltern thematisiert, die Kinder kommen überhaupt nicht vor."

Der Verein hat seiner Empörung in einem Brief an die Samenbank sowie in einer Stellungnahme auf seiner Homepage Luft gemacht. Hammel, der 2003 die Erlanger Samenbank gründete, antwortete den Spenderkindern via Facebook. "Die Idee meiner Kampagne ist es, das Image der Samenspender positiv darzustellen", sagt er auf Anfrage dieser Zeitung. "Ich meine, dass in jedem Menschen ein Stück Held steckt, zumal wenn er sich engagiert, etwas von sich gibt oder etwas Außergewöhnliches macht, was anderen hilft. Das ist der Bezug zu meiner Kampagne."

Models mit leeren Probenbechern

Hammel wählte deshalb als markante Figuren James Bond, Iron Man und Jon Schnee und ließ die Models mit leeren Probenbechern in der Hand fotografieren. Nun starren sie von riesigen Plakatwänden in die Stadt und sorgen gleichermaßen für Aufmerksamkeit und Irritation. Umrahmt vom Slogan "Held sein, wenn andere hoffen" wird für "Familienglück" geworben und auf das neue Samenspendegesetz hingewiesen. Weil darin gleichzeitig mit dem Auskunftsrecht auf Abstammung auch geregelt wird, dass Samenspender nicht mehr als rechtlicher Vater festgestellt werden können, "ist Samenspende für alle Beteiligten sicherer geworden", sagt Hammel.

Die bislang theoretische und nach seiner Kenntnis niemals eingetretene Möglichkeit, Sorge-, Unterhalts- und Erbrechtsansprüche an den Samenspender zu stellen, sei mit dem neuen Gesetz aus der Welt geschafft. "Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch ein Held zu sein, steht nun also nichts mehr im Wege", schreibt er auf der Internetseite der Samenbank.

Werbung, die auffallen soll

"Das ist nicht schmuddelig oder beleidigend für irgendjemand", sagt der Gynäkologe und Reproduktionsmediziner. "Aber natürlich ist es eine Werbung, die auffallen soll." Mit der Kritik geht Hammel offen um. "Sie werfen mir vor, dass ich ihre Interessen mit dieser Kampagne zu wenig schützen würde. Die Werbung suggeriere, dass Samenspender Superhelden seien und ich nicht daran denke, dass dabei Kinder entstehen." Das jedoch weist er von sich. "Die Spenderkinder wissen, dass ich mich von Anfang an berufspolitisch für dieses Thema eingesetzt habe."

Die Erlanger Samenbank sei die erste, die mit dem Hinterlegen von Urkunden bei einem Notar für 100 Jahre sichergestellt hat, dass Kinder ihre Identität nachfragen können. Dieses sogenannte "Erlanger Notarmodell" habe nun auch die Bundesregierung übernommen und ein bundesweites Auskunftsregister bei einer neu geschaffenen Behörde am "Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information" (DIMDI) in Köln eingerichtet.

Außerdem biete die Erlanger Samenbank nach Hammels Worten als einzige den Spendern eine kostenlose psychologische Begleitung, bei der die Konsequenzen durchgesprochen werden. Auch würden die Spender sorgfältig ausgewählt und müssten außer einem medizinischen Eignungstest einen zweiten bestehen: "Wir überzeugen uns in persönlichen Gesprächen davon, das die Männer die Samenspende nicht primär aus finanziellen Gründen machen, sondern dass sie reif und geistig dazu in der Lage sind, die Tragweite ihres Tuns zu überblicken", erklärt Hammel. Pro verwendbarer Spende bekommen sie 130 Euro als Aufwandsentschädigung.

Treffen in der Praxis

Nicht zuletzt biete er Spenderkindern an, sich beim Wunsch nach Auskunft oder einem Treffen mit dem biologischen Vater direkt an die Samenbank zu wenden. "Wir organisieren dann einen Termin und begleiten das psychologisch", sagt Hammel. Dieses Prozedere sei ihm lieber, als wenn sich ein Spenderkind mit seiner Anfrage an das DIMDI wendet. Von dort bekomme es ein Datenblatt mit der letzten ermittelbaren Adresse des Spenders, der wiederum darüber informiert wird, dass seine Adresse herausgegeben wurde. Hammel sieht das kritisch. "Auf der einen Seite bekommen die Kinder keine echten Infos, auf der anderen Seite weiß der Spender nicht, ob und wann sich das Kind an ihn wendet."

Schmerzhaft, aber auch befreiend

Hammel sagt, er nehme die Gefühle der Spenderkinder sehr ernst. "Ich weise die Eltern darauf hin, dass sie ihre Kinder frühzeitig aufklären sollen. Sonst werden sie traumatisiert, wenn sie ihre Herkunft zu spät und eher zufällig erfahren."

Das kann Leonard F. nur bestätigen. "Die Erkenntnis des jahrelangen Verschweigens durch die Eltern ist eine schmerzhafte Erfahrung. Gleichzeitig empfinden diese Menschen eine späte oder zufällige Aufklärung dennoch auch als befreiend und als Erleichterung. Genauso war es bei mir auch."