Stromautobahn könnte auch bei Bamberg entstehen

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Nicht nur Ostoberfranken ist betroffen: Es gibt Pläne, die Riesenmasten durch den Gottesgarten und die Fränkische Toskana ziehen lassen. Foto: dpa
Nicht nur Ostoberfranken ist betroffen: Es gibt Pläne, die Riesenmasten durch den Gottesgarten und die Fränkische Toskana ziehen lassen.  Foto: dpa
 

Der Streit um die von Sachsen kommende Stromautobahn betrifft nicht nur ferne Bayreuther Gefilde. Es gibt auch einen Plan B und einen Plan C - und die schneiden mitten durchs Bamberger Land.

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Als Wolfgang Möhrlein (CSU) zum ersten Mal die Pläne sah, war er geschockt. Die Vorstellung von 70 Meter hohen Strommasten, die quer durch die Fränkische Toskana, vorbei an Schammelsdorf und Lohndorf nach Süden ziehen, ist für ihn ein kaum zu steigerndes Horrorszenario: "Wenn das käme, wäre das für die Region der größte anzunehmende Unfall. Damit wäre alles vergebens, was wir uns als Naherholungsraum und Touristenziel aufgebaut haben."

Was der Bürgermeister von Litzendorf meint, hat die Menschen im oberfränkischen Osten bereits auf die Barrikaden getrieben. Und beunruhigt nun auch Bürgermeister und gut informierte Bewohner des Bamberger Landes. Es ist die geplante Gleichstromtrasse Süd-Ost, mit der Wind- und Braunkohlestrom von Halle in Sachsen-Anhalt nach Meitingen bei Augsburg transportiert werden soll.
Anders als zunächst angenommen, könnte das 450 Kilometer lange Herzstück der Energiewende nicht nur den Raum Bayreuth, sondern auch den Westen des Regierungsbezirks treffen.


Bündel von Trassenkorridoren
Zwar verläuft die Vorzugstrasse wie berichtet an Hof vorbei etwa der A 9 folgend nach Süden, weit vor den Toren Bambergs also. Doch es gibt in den Entwürfen des Netzbetreibers Amprion auch einen Plan B und C, die zumindest ernst zu nehmen sind. Genau genommen handelt es sich sogar um Bündel von Trassenkorridoren, die Bamberg im Osten förmlich einkreisen. Einer der einen Kilometer breiten Trassenäste schlängelt sich entlang der A 73 nach Süden und folgt dem Maintal von Gottesgarten kommend bis nach Hallstadt und Bamberg. Dort knickt die Trasse nach Osten ab, um die Stadt zu umgehen und im Jura-Vorland weiter nach Süden zu führen. Die zweite Variante nutzt die vorhandene Stromtrasse östlich von Teuchatz in der Fränkischen Schweiz, was aber nicht heißt, dass dort ein Neubau oder eine zweite Trasse vermieden werden könnte.

Wie realistisch ist das Szenario, dass im Bamberger Land eine Stromautobahn mit bis zu 70 Meter hohen Masten die gewohnten Blickbeziehungen zerstören könnte, ganz abgesehen von anderen Folgen der umstrittenen Gleichstrom-Passage? Marian Rappl von Amprion kann nicht bestätigen, dass die Pläne im Westen des Regierungsbezirks bereits verworfen sind. Allerdings haben umfangreiche Voruntersuchungen ergeben, dass die östlichen Korridore voraussichtlich auf weniger Hürden stoßen werden als die im Westen. Eine solche "Raumwiderstandstudie" umfasst sämtliche abschätzbaren Hindernisse des milliardenschweren Neubaus - von Siedlungen über Naturschutzgebiete bis hin zu topographischen Faktoren.

Weniger Widerstand im Osten als im Westen? Wer die Bilder von demonstrierenden Menschen vor Augen hat, könnte ins Zweifeln geraten. Zudem bedeutet die Tatsache, dass Amprion mit der Vorzugstrasse im Osten in die so genannte Bundesfachplanung starten will, nicht zwingend Entwarnung für Bamberg. Im Gegenteil: Die Entscheidungsfindung in einem Raumordnungsverfahren erfolgt wegen der Beteiligung aller Betroffenen grundsätzlich ergebnisoffen. Ähnlich der Planung für die ICE-Trasse in Bamberg wird es zuletzt auf die Abwägung ankommen, die die Bundesnetzagentur trifft. "Im Prinzip kann jede Trasse gebaut werden", sagt der Sprecher von Amprion.


Seehofers Moratorium
Diese Erkenntnis macht es für die Politiker im Bamberger Land nicht gerade einfach, angemessen auf die Trassenpläne zu reagieren. Soll man sich gegen Pläne wehren, die vorerst nur zweite Wahl sind? Zudem ist auch klar, dass Seehofers Moratorium an der grundsätzlichen Notwendigkeit nichts ändert, zusätzlichen Strom nach Bayern zu führen, wenn ab 2015 fünf Kernkraftwerke abgeschaltet werden. Denn die Energie im Süden Bayerns wird ja gebraucht.

Unterdessen könnte es auch auf ein Tauziehen zwischen Ost- und Westoberfranken hinauslaufen. "Natürlich wird man im Osten alles tun, um uns die Trasse rüberzuschieben”, sagt der Bamberger Landrat Günther Denzler (CSU). Doch auch der Westen wird sich keine "Monstermasten" vor die Haustür setzen lassen. "Wenn das kommen sollte, kann man sich mindestens auf den gleichen Widerstand einstellen", stellt Denzler klar.

Trotz dieser Befürchtungen weckt der Seehofer-Vorstoß wenige Wochen vor der Kommunalwahl in der Region keine Freude: Denzler und Bambergs Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD) bangen um die Ziele der zwischen Stadt und Land vereinbarten Klimaallianz. Wenn weder Windräder, noch Stromtrassen gebaut werden dürfen, die für die Energiewende zwingende Voraussetzung sind, ist das ambitionierte Vorhaben so gut wie gescheitert. Starke nimmt kein Blatt vor den Mund: "Die Staatsregierung hat es versäumt, ihrer Verantwortung für die Bürgerschaft gerecht zu werden. Man muss den Bürgern und den Betroffenen in den Regionen ehrlich sagen, dass ein Verzicht auf den Ausbau der Stromtrasse den Verzicht auf die Energiewende bedeutet."