Lara Smith jedenfalls freut sich auf die restliche Grundschulzeit. Und darauf, in eineinhalb Jahre auf eine neue Schule zu kommen - zu den Großen.
Sind vier Jahre Grundschulzeit ausreichend? Zwei Menschen, zwei Meinungen
Pro: "Vier Jahre sind besser"
Michael Schwägerl, Vorsitzender Bayerischer Philologenverband
Alle Jahre wieder: Die Frage nach der Dauer der gemeinsamen Grundschulzeit. Dabei dominieren in der meist hitzig geführten Schulstrukturdebatte häufig Behauptungen und nicht fundierte, wissenschaftliche Erkenntnisse - Ideologie geht vor Fakten. Der Bayerische Philologenverband beobachtet deshalb diese Diskussion seit Jahren und hat in seiner Broschüre "Die 11 Irrtümer zum Grundschul-Übertritt" die Ergebnisse der Bildungsforschung der letzten Jahrzehnte zusammengetragen. Sie führen zu dem klaren Fazit: Ja, vier Jahre sind nicht nur ausreichend, sie sind besser. Längeres gemeinsames Lernen ist die falsche Antwort auf gesellschaftliche Herausforderungen.
Die Ergebnisse zeigen: Eine Verlängerung der Grundschulzeit erzeugt weder mehr soziale Gerechtigkeit noch steigert sie die Leistungen der Schüler. Im Gegenteil: Die Faktenlage spricht für die Differenzierung im Schulwesen nach der vierten Klasse und gegen längeres gemeinsames Lernen - zumindest, wenn man eine optimale Begabungs- und Leistungsentwicklung aller Schüler möchte. Denn leistungsstärkere Kinder werden bei einer längeren gemeinsamen Schulzeit allzu schnell unterfordert, weniger leistungsstarke Kinder dagegen überfordert. So leiden die Leistungen aller Schüler. Es ist vor allem im Interesse der Eltern und Schüler, alle Fähigkeiten, Anlagen und Potenziale der Kinder voll zu entfalten und ihnen frühzeitig die größten Chancen auf erfolgreiches und motivierendes Lernen zu bieten. Wir tragen dabei in besonderem Maße die Verantwortung für das Wohl jedes einzelnen Kindes: Es soll sich in seinem Lernumfeld richtig aufgehoben fühlen.
Aber es ist auch im Interesse unsere Gesellschaft, die Bedingungen eines besonders erfolgreichen Bildungsprozesses frühzeitig zu suchen und die verschiedenen Potenziale der Kinder optimal zu fördern. Dazu können die frühzeitige Förderung sozial schwacher Kinder und Ganztagsunterricht einen wichtigen Beitrag leisten. Oder um es mit den Worten des "PISA-Papstes" Jürgen Baumert auszudrücken: "Um soziale und ethnische Unterschiede zu verkleinern, brauchen wir eine konsequente Frühförderung und flexible, sehr unterschiedliche Hilfen in der Grund- und Sekundarstufe."
Stellen wir daher unser im Vergleich mit anderen Bundesländern wirklich gut funktionierendes und durchlässiges Schulwesen in Bayern nicht ohne Not in Frage, sondern sorgen wir für den Ausbau von Unterstützungssystemen und Flexibilität! Wir brauchen eine Stärkung unserer weiterführenden Schularten gepaart mit einem klaren Bekenntnis zur Gleichwertigkeit von beruflichen und akademischen Bildungsgängen - und keine längere Grundschulzeit.
Contra: "Es muss zum Kind passen"
Simone Fleischmann, Präsidentin Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband
Die Diskussion, wie lange unsere Kinder gemeinsam in der Grundschule lernen sollen, führen wir nicht erst seit gestern. Tatsache ist, der Zeitpunkt des Übertritts stammt aus dem Jahr 1920. Damals wurde in der Reichsschulkonferenz heftig diskutiert. Die einen waren für zwei Jahre gemeinsame Grundschule, die anderen für sechs Jahre. Was hat man gemacht? Einfach das arithmetische Mittel festgelegt, also die vierte Jahrgangsstufe. Das war die Geburtsstunde der vierjährigen Grundschule. Fast 100 Jahre später sollte man jedoch ideologiefrei darüber diskutieren können, ob der Zeitpunkt richtig ist. Ein "Das haben wir schon immer so gemacht" darf es nicht geben. Das wird den Kindern nicht gerecht und für viele ist das eine Hürde, die zu großem Druck führen kann.
Die Antwort auf die Frage nach der optimalen Grundschulzeit lautet daher: sie muss zum Kind passen. Die Sicht auf die jeweilige Persönlichkeitsentwicklung, die Bildungsbiografie und die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler stehen dabei im Mittelpunkt. Am Ende der vierten Jahrgangsstufe sind Kinder unterschiedlich weit entwickelt. Das heißt, eine vierjährige Grundschulzeit ist nicht für alle das Beste. Denn im Zentrum von Bildung und Erziehung steht die bestmögliche, individuelle Förderung der Kinder. Vielen würde daher eine längere gemeinsame Grundschule gut tun. Dafür gibt es gute pädagogische Gründe.
Für Schülerinnen und Schüler ist es sehr wichtig, sich in Ruhe entwickeln und entfalten zu können. Wenn nachhaltiges Lernen gelingen soll, muss garantiert sein, dass die Kinder Bindungen knüpfen und Beziehungen aufbauen können. Leider wird das aber von schulpolitischen Vorgaben konterkariert. An bayerischen Grundschulen werden solche Beziehungen bereits früh beendet, wenn der Wechsel auf eine weiterführende Schule ansteht. Gewachsene Bindungen werden getrennt und im Aufbau befindliche Beziehungen zerstört. Ob sich Kinder in solchen Situation verstanden fühlen, bleibt dahingestellt.
Je näher der Übertritt kommt, umso höher der Stress - für Kinder, Eltern und Lehrkräfte. Wir wissen alle, dass sich dann alles um den zu erreichenden Notenschnitt von 2,33 dreht. Wenn das Kind "funktioniert", sind alle entspannt. Wenn der Schnitt aber in Frage steht, geht der Stress los: Viele Eltern setzen alles daran, dass ihr Kind diese Hürde nimmt. Sie wollen letztlich ja auch nur das Beste für ihr Kind und gesellschaftlich wird das Gymnasium als das einzig Wahre suggeriert. Für Kinder bedeutet das einen enormen Druck. Kein Wunder, dass viele davon regelrecht krank werden oder - genauso dramatisch - die Lust am Lernen verlieren und das in einer Zeit, in der es auf lebenslanges Lernen ankommt. Aus meiner Sicht ein pädagogischer Unfug, der abgestellt werden muss!
Ideologiegeführte Strukturdebatten braucht in diesem Zusammenhang kein Mensch. Wenn wir das mal beiseitelegen wird klar, um was es bei der Frage. ob vier Jahre Grundschulzeit ausreichend sind, eigentlich gehen sollte: darum, wie viel Zeit jedes einzelne Kind braucht, um sich bestmöglich entwickeln zu können. Bei der Vielfalt unserer Schülerinnen und Schüler kann es darauf keine einheitliche Antwort geben. Das sollten endlich auch die Bildungspolitiker akzeptieren.