Steigerwald: Regierung kippt Schutzgebiets-Verordnung

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Urwaldszenerie im Schutzgebiet Hoher Buchener Wald bei Ebrach. Mit einem Federstrich hat am Dienstag die Staatsregierung den Schutzstatus für des 775 Hektar großen Wald aufgehoben.
Urwaldszenerie im Schutzgebiet Hoher Buchener Wald bei Ebrach. Mit einem Federstrich hat am Dienstag die Staatsregierung den Schutzstatus für des 775 Hektar großen Wald aufgehoben.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Alle Appelle der Naturschützer haben nichts bewirkt. Die Staatsregierung hat das Schutzgebiet über den "Hohen Buchenen Wald" bei Ebrach mit sofortiger Wirkung außer Vollzug gesetzt. Der Bund Naturschutz bezeichnete dieses Vorgehen als "rechtlich waghalsig".

Eine Pressemitteilung mit wenigen Zeilen besiegelt das "Aus" für Bayerns größtes Waldnaturschutzgebiet außerhalb der bestehenden Nationalparke. Darin teilt die Staatsregierung mit, dass die umstrittene Schutzgebietsverordnung für den "Hohen Buchenen Wald" bei Ebrach außer Vollzug gesetzt wird. Das Schutzgebiet mit einem deutschlandweit einzigartigen wertvollen Starkbuchenbestand hat somit genau einen Monat existiert. Der Staatsforstbetrieb kann ab sofort wieder mit Harvester und Säge in den Wald einrücken.

Doch glaubt man der Staatsregierung, dann geht es nicht ums Sägen, sondern um den besseren Umweltschutz: "Umweltminister Marcel Huber und Forstminister Helmut Brunner haben heute zusammen mit dem neuen Bamberger Landrat Johann Kalb ein neues, erweitertes Naturschutzkonzept für den Steigerwald besprochen. Die Staatsregierung und der neue Bamberger Landrat sind überzeugt, eine Lösung anbieten zu können, die im Ergebnis die vorhandene Verordnung hinfällig macht. Bis dahin wird die Verordnung außer Vollzug gesetzt", heißt es in der Pressemitteilung.


Bei den Gegnern eines Waldschutzgebiets in Ebrach löste die Mitteilung aus München und aus dem Landratsamt Bamberg Erleichterung aus. Der Verein "Unser Steigerwald", in dem sich vor allem Nationalparkgegner formiert haben, hatte gegen die Verordnung eigens ein Gutachten anfertigen lassen und Ministerpräsident Seehofer übergeben.

Anders sah es gestern auf der Gegenseite aus: Die Naturschützer und solche Bürger der Region, die mit dem neuen Schutzgebiet die Hoffnung auf den Welterbetitel und einen Aufschwung in der strukturschwachen Region verbanden, reagierten mit Empörung auf die Entscheidung aus München. "Die Verordnung mit einem Federstrich aufzuheben, ist aus unserer Sicht rechtswidrig" , sagte Hubert Weiger (Bund Naturschutz). Schon am Montag bei einer Pressekonferenz in Nürnberg hatte er angekündigt, im Fall einer Rücknahme des Schutzgebiets alle Hebel in Bewegung zu setzen, um diesem "schweren Angriff" auf den Naturschutz in Bayern zu begegnen. Auch eine Popularklage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof schließt Weiger nicht aus. Dort kann jeder bayerische Bürger die Rechtmäßigkeit eines Gesetzes, einer Verordnung oder einer Satzung überprüfen lassen.

Chancenlos wären die Aussichten wohl nicht. Denn unter Juristen gilt es als unstreitig, dass eine Verordnung so lange gültig ist, bis sie durch eine Aufhebungsverordnung für ungültig erklärt wurde. "Das Grundgesetz schreibt vor, dass auch die Verwaltung an Recht und Gesetz gebunden ist, und auch eine Verordnung ist ein Gesetz im materiellen Sinn", sagt der Bamberger Verwaltungsjurist Christian Hinterstein. Aus verwaltungsrechtlicher Sicht hätte er es für "sauber" befunden, wenn man eine Verordnung dadurch entsorgt, dass man die alte aufhebt. "Man vergibt sich doch nichts."

Problematische Grauzone
Doch was bedeutet die Außervollzugsetzung im praktischen Sinne? Hört man sich beim Bamberger Landratsamt um, so ist man mit dem Dekret aus München alles andere als glücklich, auch wenn man sich nach dem Chefwechsel nicht offen dazu bekennen kann. Denn die Formulierung heißt nichts anderes, als dass Verstöße gegen die Verordnung des Schutzgebietes, etwa das Absägen von Holz, künftig nicht geahndet werden, obwohl die Verordnung noch in Kraft ist. Eine problematische Grauzone, denn sie rührt an die Grundfesten des Rechtsstaats. Nicht nur Juristen befürchten, dass auch andere Bürger auf die Idee kommen könnten, es mit Verordnungen nicht mehr so genau zu nehmen.

Nach Angaben der Staatsregierung sprechen aber auch sachliche Gründe dafür, den Schutzstatus des "Hohen Buchenen Waldes " aufzuheben. Wie Forstminister Helmut Brunner erklärte, haben die Staatsforsten in den vergangenen Jahren "ein hervorragendes integratives Naturschutzkonzept" etabliert. Von 16 500 Hektar Staatswaldfläche würden heute bereits 6 000 Hektar extensiv bewirtschaftet; rund 1000 Hektar seien aus der Nutzung genommen.

Stimmen die Zahlen? BN-Vorsitzender Weiger bezweifelt die Größenordnung. Der Staatsforst lasse sich seit Jahren nicht in die Karten schauen. Ganz abgesehen davon sei das von den Staatsforsten propagierte so Trittsteinkonzept mit einzelnen geschützten Punkten nur zur Sicherung der Artenvielfalt in bewirtschafteten Wäldern geeignet. "Es ist fachlich unzweifelhaft, dass wir auch flächige Großschutzgebiete ohne Nutzung brauchen, um die Ziele des Artenschutzes zu erreichen", glaubt Weiger,. "Würde die Theorie der Staatsregierung stimmen, könnte man alle Nationalparke außer Vollzug setzen."

Enttäuschung auch bei Günther Denzler (CSU): "Das ist ein großer Schaden für den Landkreis Bamberg, denn ohne Schutzgebiet wird es kein Weltnaturerbe geben und die Buchen dürfen wieder abgehackt werden" sagte der frühere Landrat. Er war es gewesen, der zum Ende seiner 18-jährigen Amtszeit die Verordnung gegen große Widerstände nach einem Anhörungsverfahren erlassen hatte. Die Entscheidung in München folge den gleichen populistischen Prinzipien, die die Menschen unweigerlich in die Politikverdrossenheit führe, weil sie sich auf nichts mehr verlassen könnten, nicht einmal mehr auf Rechtverordnungen.

Denzler erinnerte an ein Acht-Augen-Gespräch mit Seehofer, Huber und Brunner im April, bevor die Verordnung erlassen wurde. Keiner von den dreien habe damals die Gelegenheit ergriffen, die Verordnung zu stoppen.

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