Schlechte Zeiten fürs "Häusle bauen" in Friesen

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Die drei Hirschaider Bürgermeisterkandidaten sollten zur Ausweisung eines Baugebiets auf einer 2,6 Hektar großen Wiese unterhalb der Friesener Warte Stellung nehmen. Foto: Baier
Die drei Hirschaider Bürgermeisterkandidaten sollten zur Ausweisung eines Baugebiets auf einer 2,6 Hektar großen Wiese unterhalb der Friesener Warte Stellung nehmen.  Foto: Baier
 
 
 

Der Staat zwingt die Kommunen zum Umdenken: Die Innenentwicklung ist vorrangig. Das Ziel sind attraktive, lebenswerte Ortskerne.

Von "Bürgerbeteiligung" ist zum Beispiel die Rede, wenn Bürger offiziell die Gelegenheit bekommen, zur gemeindlichen Bauleitplanung Stellung zu nehmen. Der Verein "Grünes Herz Friesen" drehte den Spieß um, und lud die drei bisher nominierten Hirschaider Bürgermeisterkandidaten zu einer "Politikerbeteiligung" in das Dorfgemeinschaftshaus von Friesen ein.



Dass der Saal im gut aufgewärmten Dachgeschoss der alten Schule aus den Nähten platzte, erklärt sich mit dem Anliegen, das gut drei Stunden lang gewälzt wurde: Vor der drohenden Ausweisung eines Baugebietes auf einer 2,6 Hektar großen Wiese unterhalb der Friesener Warte bewegt die Ortsbewohner, aber nicht nur sie, das Thema "Stoppt den Flächenverbrauch! Entwicklung und Wachstum ohne Versiegelung".



Hintergrund: In Bayern werden täglich annähernd 20 Hektar Land für Siedlungen oder Infrastruktur "verbraucht", in Hirschaid 2,6 Hektar pro
Jahr.

Nach zwei Fachvorträgen war es dann der SPD-Marktgemeinderat Josef Haas, der die drei Bürgermeisterkandidaten in die Pflicht nahm, sich zu dem Projekt in Friesen klar zu äußern. Haas, der sich im Interesse des Naturerhalts bereits klar gegen die Baugebietsausweisung positioniert hatte, hegt die Befürchtung, dass das in Auftrag gegebene Gutachten zur Beurteilung der Verwertbarkeit des Grundstücks so ausfallen werde, wie es die Gemeinde haben wolle.


Erhebliche Erschließungskosten

Der SPD-Bürgermeisterkandidat Horst Auer verwies darauf, dass er mit den bisherigen Beschlüssen des Marktgemeinderats nichts zu tun habe. Bei ihm sei keine Bestrebung vorhanden, die Fläche oberhalb Friesens bebauen zu lassen. Für ein neues Baugebiet sei ohnehin kein Bedarf vorhanden, erklärte Auer mit Bezug auf die Bezirksregierung.

Klaus Homann, Kandidat der CSU, bekannte sich zu seinen Vorbehalten gegen die Bebauung der Wiese. Wegen des steinigen Untergrunds sei mit erheblichen Kosten für die Erschließung von maximal 15 Bauplätzen zu rechnen, fürchtet er. Homann wartet das Entwicklungsgutachten ab. Dann könne man weiter diskutieren und er sich festlegen.

Bürgermeisterkandidat Georg Kestler von den Freien Wählern erinnerte daran, dass die Gemeinde das Areal vor etwa 20 Jahren für umgerechnet eine halbe Million Euro erworben habe. Angesichts der sehr angespannten Finanzlage des Marktes Hirschaid fordere ein Teil der Freien-Wähler-Fraktion, das Gelände zu verwerten. Es werde nicht möglich sein, das gesamte Areal zu besiedeln, meinte Kestler. Man benötige eine ganzheitliche Betrachtung der Problematik durch ein kompetentes Planungsbüro und dann das Zusammenwirken mit den Ortsbewohnern, um eine Lösung zu finden, die alle zufrieden stelle.


Kosten-Nutzen-Analyse gefordert

Für den gastgebenden Verein "Grünes Herz Friesen" kündigte Vorsitzende Csilla Jámbor an, auf einer Kosten-Nutzen-Analyse zu bestehen, damit im Falle einer Bebauung von vornherein klar sei, welche Folgekosten später auf die Gemeinde zukommen werden.

Nach den Vorträgen von Claus Hensold vom Bayerischen Landesamt für Umwelt sowie von Petra Gräßel, Leitende Baudirektorin und Sachgebietsleiterin Städtebau bei der Regierung von Oberfranken, kann das "Grüne Herz Friesen" hoffen, dass der Markt Hirschaid die Finger von einer weiteren Be- und Zersiedelung der unberührten Natur lässt.

Die demographische Entwicklung zwingt ohnehin zum Umdenken in der Siedlungspolitik; der Staat schafft mit dem neuen Landesentwicklungsprogramm und dem Baugesetzbuch die erforderlichen Instrumente. Selbst wenn für Hirschaid wegen seiner Zugehörigkeit zum Verdichtungsraum Bamberg bis zum Jahr 2029 eine Bevölkerungszunahme um 5,2 Prozent unterstellt wird, könnte der Wohnraumbedarf weitestgehend durch die Schließung von Baulücken, die Aktivierung von Leerständen oder Gewerbebrachen gedeckt werden.

Claus Hensold belegte das Missverhältnis zwischen Infrastruktur- und Nutzer-Entwicklung von Hirschaid mit Zahlen: Demnach ist von 2000 bis 2011 die Siedlungs- und Verkehrsfläche um 34 Prozent gestiegen. Während die Einwohnerzahl nur um vier Prozent zulegte, erhöhte sich der Bestand an Wohngebäuden um 13 Prozent. Die Folge daraus: Kommune und Einwohner müssten immer mehr Infrastruktur finanzieren.


Präzises Flächenmanagement

Mit einem präzisen Flächenmanagement müsse eine "nachhaltige Siedlungsentwicklung" erreicht werden. Es gehe dem Staat um die Stärkung der Ortszentren, die Vermeidung von Leerständen, um familien- und altengerechtes Wohnen und Versorgen sowie um kurze Wege. Das primär kommunale Handlungsfeld werde durch interkommunales Vorgehen begünstigt. Andernfalls könne zwischen Nachbargemeinden ein ungesunder, schädlicher Konkurrenzkampf entstehen, warnte der Referent.

Hensold riet dringend zur Bewusstseinsbildung unter der Bevölkerung, vor allem um die Verkaufsbereitschaft für ungenutzte Immobilien im Hauptort zu fördern und Bau- oder Kaufwillige von den Vorzügen des Wohnens in zentraler Lage zu überzeugen.

Der Landkreis Schweinfurt habe eine vorbildliche Internetbörse für Baulücken und Leerstände entwickelt; im Hofheimer Land bestehe ein kommunales Förderprogramm für die Innenentwicklung. Potenziale lägen in den Baulücken, in oft nur von Einzelpersonen bewohnten Häusern und Bauernhöfen im Ortskern sowie in den Siedlungen der 50er bis 70er Jahre sowie in den Nachverdichtungsmöglichkeiten.

Den anwesenden Kommunalpolitikern riet der Repräsentant des Umwelt-Landesamtes, den Flächenverbrauchsbericht des Freistaates sowie den auf Bayern zugeschnittenen Folgekostenschätzer anzuwenden. Bayern bildet ein Bündnis zum Flächensparen versicherte der Diplom-Geograph aus Augsburg.

Die Leitende Baudirektorin Petra Gräßel von der Bezirksregierung sprach sich für den Rückbau von außen nach innen aus. Als Beispiel für zeitgemäße Siedlungspolitik nannte sie die Gemeinde Litzendorf, die 20 Hektar Bauerwartungsland aus ihrem Flächennutzungsplan gestrichen habe. Auch den Strullendorfer Weg der aufsuchenden Befragung der Grundstücksbesitzer würdigte der Gast aus Bayreuth.

Als Ziele einer zukunftsorientierten Ortsentwicklung führte Gräßel die Neunutzung innerörtlicher Brachflächen und leer gefallener Bausubstanz sowie den Umbau der Wohnquartiere aus den 50er bis 70er Jahren an. Ferner seien die Rahmenbedingungen für Familien und besonders auch für die zunehmende Zahl von Senioren zu verbessern. Es gelte Abwanderungen entgegenzuwirken und die Attraktivität für Neubürger zu steigern. Dabei sei auch der Auslastung der vorhandenen Infrastruktur Beachtung zu schenken.


25 Hektar Baulücken

Gräßel wies nach, dass im Hauptort Hirschaid und in Sassanfahrt rund 25 Hektar Baulücken und Brachen vorhanden sind - alles "bebaubare Grundstücke". Von den 2827 Wohngebäuden des Hauptortes seien 128 unbewohnt und in 243 Häusern lebe jeweils nur eine Person. Da lohne es, Chancen für neuen Wohnraum auszuloten.

Einen Bedarf an neuen Wohngebieten sieht die Baudirektorin für Hirschaid nicht, höchstens könne es um Ortsabrundungen gehen. Die Referentin bot eine Reihe von Hilfestellungen bis hin zur Förderung der Planungen und Beratung an.

Auf Widerspruch seitens der anwesenden Kommunalpolitiker stießen die Ausführungen der Experten nicht. CSU-Bürgermeisterkandidat Klaus Homann machte allerdings klar, dass er das Gebot des Flächensparens dann übertreten würde, wenn ein interessanter Industriebetrieb um ein Grundstück in Hirschaid nachsuchen sollte.

Im Übrigen wartet der Marktgemeinderat auf die Vorlage und Verabschiedung des städtebaulichen Entwicklungskonzeptes. Baudirektorin Gräßel gab den Kommunalpolitikern mit: "Gemeinden können wachsen, wenn sie von innen heraus wachsen!"