Die antisemitisch motivierten Morde von Halle im Kopf und den Sound einer x-beliebigen Björn-Höcke-Rede. im Ohr: das E.T.A.-Hoffmann-Theater bringt "Den Reichskanzler von Atlantis" auf die Bühne.
Der wahnhafte Sermon von den Ariern, dem Schicksal des deutschen Volkes und der jüdischen Weltverschwörung klang schmerzhaft vertraut bei der Premiere im E.T.A.-Hoffmann-Theater. Es waren die Zwangsgedanken des zweifachen Mörders von Halle, den in der vergangenen Woche nur eine stabile Tür am beabsichtigten Massaker in einer Synagoge hinderte.
Nach allem, was man weiß, ist Stephan B. kein Reichsbürger. Aber bis an die Zähne bewaffnet war auch er. Und auch er gibt in seiner ins Internet gestellten Selbstauskunft den Juden alle Schuld daran, dass sein Leben sich nicht so entwickelt hat, wie es sich nach eigenen Größenvorstellungen hätte entwickeln sollen. Sein aggressives Selbstmitleid eint B. mit Fürst Burkhard (Oliver Niemeier), den selbst ernannten Reichskanzler.
Geschrieben hat "Der Reichskanzler von Atlantis" Björn SC Deigner. Für das Bamberger Theater bearbeitet hat das Stück Victoria Weich, Regie führte Brit Bartkowiak. Gemeinsam verwandeln sie die Studiobühne in die autonome Zone von Reichsbürgern.
Rechtsideologisches Milieu
Nach der einschlägigen Definition des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) lehnen Reichsbürger "die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem" ebenso ab, wie sie "den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation absprechen oder sich in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend definieren". Etwa 18 000 Personen werden diesem rechtsideologischen Milieu zugeordnet.
Fürst Burkhard fantasiert sich in die Ahnenreihe der mit Bismarck beginnenden Reichskanzler hinein. In Wahrheit ist er ein Hanswurst, mit öligem Pferdeschwanz und schwacher Konstitution. Der kleinste Bruch mit den Routinen des Alltags überschreitet seine Kräfte. Aus Gründen der Selbstentlastung deutet er noch die kleinste Unannehmlichkeit - ein Hundehaufen im Garten! - als Ausweis der jüdischen Weltverschwörung.
Neue Kraft schöpft der vom Alltag Überforderte aus den Haaren seiner Frau Jutta (Katharina Brenner). Deren blonder Schopf durchströmt die arische Ur-Kraft Vril.