Am Sonntag hielt Pfarrer Günther Schardt seinen letzten Gottesdienst in der Erlöserkirche. Während seiner Amtszeit trat er mit seiner Gemeinde schon mal in den Singstreik.
Vier Jahre lang - "Immer wieder haben wir nach einem Kirchenmusiker gefragt, aber aus Kostengründen einfach keinen bekommen. Irgendwann war es genug mit den provisorischen Vertretungen", antwortet Pfarrer Günther Schardt (65) auf die Frage nach einem unschönen Erlebnis in 14 Jahren Erlöserkirche.
"Also haben wir einen Gottesdienst gemacht, in dem wir die Lieder monoton gelesen anstatt gesungen haben." Vier Wochen später erhielt er die Nachricht: Die Gemeinde bekommt wieder einen Kirchenmusiker.
Schardt ist niemand, der sich vor einem unkonventionellen Gottesdienst scheut. Als er 1998 von Coburg nach Bamberg wechselte, brachte er die "3" mit - "Erlöser 3", wie Bayern 3, der Radiosender. Warum benennt man eine Gottesdienstform nach einem Radioprogramm? Weil man ein breiteres Publikum ansprechen möchte. "Es ist ein Gottesdienst für Distanzierte, für Suchende, aber natürlich auch für geübte Christen", erläutert Schardt. Keine klassische Predigt, dafür neue Lieder und kreative oder medidative Elemente. Offen für alle.
"Offen" ist ein Wort, dass auch auf seine - nun ehemalige - Gemeinde zutrifft. "Ich wollte bei meinem Wechsel in eine Innenstadtgemeinde, weil ich die Hoffnung hatte, dass hier viel nach außen ausstrahlen kann. Wenn die Leute mitmachen." Haben sie.
Irgendwie geht nach dem Gottesdienst am Sonntag immer alles einfach auseinander? Man könnte doch noch in der Kirche eine Tasse Kaffee trinken? Geboren war der "Kirchenkaffee".
"Aber es war mir auch immer ein Anliegen, die nicht zu vergessen, die am Rand stehen", sagt der Pfarrer. Die Kindertagesstätte Löwenzahn, die 2004 gegründet wurde und sich mittlerweile zum Familientreff für Migranten ausgeweitet hat, liegt ihm sehr am Herzen.
Überhaupt ist er ein Herz-Mensch: "Es rührt mich sehr, wenn jemand nach dem Gottesdienst kommt und sagt, dass die Botschaft angekommen ist. Es ist ein Geschenk, wenn jemand mit einem großen Herzen aus dem Gottesdienst raus geht."
Dann erzählt er von einem Mann, der ein sehr großes Auto fährt. "Er kommt unter der Woche, setzt sich eine Weile in die Kirche und fährt wieder." Der Pfarrer weiß nicht, warum der Mann kommt. Genauso wenig, warum andere Menschen tagsüber kurz in der Kirche Platz nehmen. "In der Straße sind viele Arztpraxen. Vielleicht kommen sie vor dem Arztbesuch. Oder danach?" Schardt steht einige Meter vor dem Altar und überlegt. Dann sagt er: "Die Kirche ist ein Ort, an dem man über sich hinausblickt." Und vielleicht etwas Unerwartetes entdeckt: Manchmal, wenn er eine Predigt verfasst hat, gab es kein passendes Lied. "Dann hab ich halt eins geschrieben. Hätte ich diesen Beruf nicht gewählt, hätte ich nie entdeckt, dass ich das kann."
Was er auch hatte, war eine aktive Gemeinde, die seine Ideen annahm und zum Beispiel mit Chor und Instrumentalisten eines seiner Lieder vertonte und in der Kirche aufführte. "Ich wünsche mir, dass sich die Gemeinde ihre Offenheit bewahrt, auch in ökumenischer Hinsicht." Was fällt ihm spontan ein, wenn er an die vergangenen 14 Jahre zurückdenkt? "Dankbarkeit", sagt er, "gegenüber den Menschen, gegenüber Gott."
Aber er spricht auch von dem, was sich ganz augenscheinlich bewegt hat: 2011 wurde die Erlöserkirche die erste Radwegkirche Bayerns. Außerdem erhielt das Gotteshaus das erste Blockheizkraftwerk in der Evan gelischen Landeskirche - "Schöpfungsbewahrung" nennt Schardt das. 2010 wurde das Gemeindezentrum unter der Kirche renoviert, seitdem können Ältere und Mütter mit Kinderwagen mit dem Aufzug nach unten fahren. Freitagabend ist Pfarrer Schardt selbst nach unten gefahren, zu einer persönlichen Abschiedsfeier seiner Gemeinde. Was ihn erwartete, wusste er nicht. "Alles streng geheim, ich bin ganz gespannt", sagt er vorher. Dann grinst er. "Das ist fast wie Weihnachten."