Nazi-Aussteiger: Deutschland droht Terror von Rechts

4 Min
Wer im Dezember 2014 die geplante Flüchtlingsunterkunft in Vorra (Kreis Nürnberger Land) angezündet ist, ist bis heute ungeklärt. Foto: dpa
Wer im Dezember 2014 die geplante Flüchtlingsunterkunft in Vorra (Kreis Nürnberger Land) angezündet ist, ist bis heute ungeklärt.  Foto: dpa
Felix Bennekenstein
Felix Bennekenstein
 

Kaum eine Woche vergeht, ohne dass eine geplante oder bestehende Einrichtung für Asylbewerber brennt. Die Frage, ob dies die Vorboten des Rechtsterrorismus sind, beschäftigt auch den Neonazi-Aussteiger Felix Benneckenstein.

Neben dem hilfsbereiten Deutschland erhebt in diesen Tagen auch das dunkle Deutschland sein Haupt. Mehrmals in der Woche brennen in Deutschland derzeit bestehende oder geplante Flüchtlingsunterkünfte. Wie Rechtsextremisten die steigenden Asylbewerberzahlen für ihre Zwecke instrumentalisieren, weiß der ehemalige Neonazi Felix Benneckenstein aus München.

Droht Deutschland ein neuer Rechtsterrorismus?
Felix Benneckenstein: Wir haben doch schon rechten Terror in Deutschland. Was ist ein Brandanschlag auf eine bewohnte Flüchtlingsunterkunft anderes als Terrorismus?

Für die extreme Rechte ist die Flüchtlingsfrage ein Geschenk.
Die extreme Rechte musste lange Zeit auf eher sozialpolitische Themengebiete ausweichen: das Freihandelsabkommen, Familienleistungen oder gerechte Löhne.
Auch da wurde natürlich mit rechten Argumenten gearbeitet, aber manches klang ja wie bei den Linken abgekupfert. Der Zuzug der Flüchtlinge gibt der Rechten jetzt wieder die Möglichkeit, offen rassistisch zu argumentieren. Deutschland soll deutsch und weiß bleiben, Menschen aus anderen Kulturkreisen haben hier nichts verloren. Das ist der Kern des rechtsextremen Weltbildes.

Ist das auch die Saat von Pegida, die hier aufgeht?
Bei Pegida haben sich politisch gleichgesinnte Menschen kennengelernt und entsprechende Organisationsstrukturen gebildet. Pegida hat es geschafft, Rechtspopulismus mit dem Rechtextremismus zu verbinden. Viele Teilnehmer der Pegida-Aktionen haben sich sicherlich wieder verabschiedet, aber ein harter Kern ist geblieben. Und der hatte offensichtlich gar kein Problem, das Programm anzupassen: von der vermeintlichen Islamisierung des Abendlands hin zur aggressiven Ablehnung von Flüchtlingen und Asylbewerbern.

Wie groß ist die Gefahr, dass kleine Zellen oder Einzeltäter zuschlagen?
Die Strategie des einsamen Wolfes, der auf eigene Faust oder im Verbund mit nur sehr wenigen Leuten zuschlägt, wird in der extremen Rechten schon lange diskutiert. Auch deshalb, weil die Rechtsextremisten vor nichts so viel Angst haben wie vor V-Leuten. Da herrscht eine regelrechte Paranoia. Deshalb sind viele auch nicht mehr in der NPD aktiv, sondern in kleinen Kameradschaften, die für V-Leute sehr viel schwieriger zugänglich sind. Dass junge Rechtsextremisten dazu aufgefordert werden, zur Bundeswehr zu gehen und sich an Waffen ausbilden zu lassen, habe ich auch selbst erlebt.

Haben Sie noch persönliche Kontakte in die rechtsextreme Szene?
Nein, die habe ich bei meinem Ausstieg komplett abgebrochen. Aber da ich ausstiegswillige Rechtsextremisten berate, bin ich über die Vorgänge in der Szene gut im Bilde. Außerdem besuche ich regelmäßig Demonstrationen und filme dort.

Wie ist denn die extreme Rechte in Deutschland aufgestellt?
Es gibt viele kleine Cliquen und freie Kameradschaften. Die sind im Grunde von außen kaum wahrnehmbar, weil sie im Verborgenen agieren.

Was ist mit der NPD?
Die NPD ist vor allem in den neuen Bundesländern ein wichtiger Faktor. Dort sitzt sie in vielen kommunalen Vertretungen und im sächsischen Landtag. Sie ist ein Verbindungsglied zwischen der extremen, gewaltbereiten Rechten und dem rechten Bürgertum. In Sachsen hat sich gezeigt, dass es vor allem dort viele Demonstrationen und Vorfälle gegen Flüchtlinge gab, wo die NPD kommunalpolitisch stark ist. Und sie dient der Szene auch als eine Form von Schutzschild und Legitimation, weil sie ja noch immer nicht verboten ist.

Wie ist das in Bayern?
Hier spielt die NPD nur eine schwache Rolle. Mit etwas verharmlosender Polemik könnte man die bayerische NDP als Ansammlung von nostalgietrunkenen Altnazis bezeichnen. Als ich damals in die NPD eingetreten bin, war die Erdinger Kreisvorsitzende 103 Jahre alt.

Welche Rolle spielt das Internet?
Es dient der Mobilisierung und als Brückenkopf ins bürgerliche Lager. Seiten wie "Nein zum Heim" oder auch "Bamberg wehrt sich" brechen die Themen auf die lokale Ebene herunter. Da geht es um die Ängste vor einem Asylbewerberheim. Es geht um die Angst vor Kriminalität, Überfremdung oder dem Wertverlust der eigenen Immobilie.
Ist das anschlussfähig in der Mitte der Gesellschaft?
Die extreme Rechte kann sich ausrechnen, dass sich auch viele sogenannte verängstigte Bürger auf ihre Seiten verirren und so mit ihrer Ideologie in Berührung kommen. Wie bei Pegida verbinden sich hier Rechtspopulismus und Rechtsextremismus. Und die extreme Rechte kann so auch das Konstrukt aufbauen, dass das Volk in Wahrheit hinter ihr steht.

Werden die Internet-Auftritte zentral geplant und gesteuert?
Die NPD hat in einem Leitfaden zusammengefasst, wie man gegen Flüchtlinge am besten agitieren kann. Mit Bürgerinitiativen zum Beispiel, aber eben auch mit Facebook-Auftritten. Die Rechte nutzt das Internet ganz bewusst.

Ende August haben Rechte im sächsischen Heidenau tagelang vor einer Asylbewerberunterkunft demonstriert. Welches Signal geht davon aus?
Es war ein Triumph für die Rechtsextremen. Für ein paar Tage und Nächte hat es sich für sie so angefühlt, was sie ohnehin glauben: Dass der Bürgerkrieg in Deutschland nur noch eine Frage der Zeit ist. Und dass sie den Krieg auch gewinnen.

Wie kommen die Rechten zu dieser Sichtweise?
Weil sich der Staat als völlig überfordert erwiesen hat. Es gab in der ganzen ersten Nacht keine einzige Festnahme, zudem haben die Polizisten keine Verstärkung bekommen. Das sind alles Signale, die von Rechtsextremisten sehr gut verstanden werden. Ich weiß das, weil ich früher selbst bei Ausschreitungen und Demonstrationen beteiligt gewesen bin. Die Ereignisse von Heidenau hat die Rechte darin bestätigt, auf dem richtigen Weg zu sein.

Dulden Teile der Polizei die Aktionen der Rechtsextremisten?
Ich würde nicht sagen, dass weite Teile der Polizei von Rechten unterwandert sind. Aber es gibt Werte, die sowohl von der Rechten als auch von vielen Polizisten hochgehalten werden.

Welche sind das?
Die Betonung von Recht und Ordnung zum Beispiel. Und es gibt mit der Antifa ein gemeinsames Feindbild. Ich habe es auf Demonstrationen selbst erlebt, dass Polizisten zu uns Neonazis gesagt haben: "Macht euch keine Sorgen wegen der linken Gegendemonstranten. Wir regeln das für euch."