Melkendorf feiert - mit Bier und Speisen wie 1915

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Die "alten Hasen" Gerhard Pickel, Josef Hemmer und Andreas Neundörfer (von links) sind noch mit dem, was Fässerpichen heißt, vertraut und führen es den Jüngeren in Vorbereitung auf das Schuljubiläum vor. Foto: privat
Die "alten Hasen" Gerhard Pickel, Josef Hemmer und Andreas Neundörfer (von links) sind noch mit dem, was Fässerpichen heißt, vertraut und führen es den Jüngeren in Vorbereitung auf das Schuljubiläum vor. Foto: privat
Fred Winkler, Bernd Schumann, Brauer Markus Götz und Wirt Fritz Winkler (von links) bei der Arbeit.Foto: privat
Fred Winkler, Bernd Schumann, Brauer Markus Götz und Wirt Fritz Winkler (von links) bei der Arbeit.Foto: privat
 
Ddie Buben wollen ein Fass rollen, Bernd Schumann (links) und Dietmar Dorscht lassen sich derweil das Bier schmecken. Foto: p
Ddie Buben wollen ein Fass rollen, Bernd Schumann (links) und Dietmar Dorscht lassen sich derweil das Bier schmecken. Foto: p
 
Foto: privat
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Der Litzendorfer Gemeindeteil Melkendorf feiert "100 Jahre alte Schule" mit einem Festwochenende am 29. und 30. August. Dabei soll an die Entstehungszeit erinnert werden. Bier aus alten, gemeinsam neu gepichten Fässern gehört dazu.

Es waren die Jungen von der Feuerwehr, die wissen wollten, wie das früher war. Und so sorgten die "Alten" vom Obst- und Gartenbauverein für Anschauungsunterricht darüber, wie es sich so verhalten hat, das mit dem Fässer pichen. Das passte auch, ging es doch um ein generationenübergreifendes Gemeinschaftsprojekt, an dem man mit einander arbeitet: das Jubiläum 100 Jahre Schule, das Melkendorf am 29. und 30. August feiert.

"Es war schon erstaunlich, was die seinerzeit nur etwa 300 Einwohner geleistet haben", findet Monika Neundörfer. Sie ist die Vorsitzende des Obst- und Gartenbauvereins und bei dem laufen jubiläumsbezogen die Fäden zusammen.

Monika Neundörfer hat bereits im Frühjahr einen Vortrag über die Geschichte der Schule gehalten. Die zahlreichen Dokumente speisen nun nicht nur ein eigenes Fotobuch, sondern auch noch eine eigene Ausstellung, die zum Jubiläum gezeigt werden soll.

Freilich ist die Schule in ihrem Jubiläumsjahr keine Schule mehr, zumindest nicht im herkömmlichen Sinn. Zu Beginn war sie im Untergeschoss für die Jahrgangsstufen eins bis sieben ausgelegt, wurde in den 40ern um die 8. Klasse erweitert und in den 60ern gesellte sich die 9. Klasse hinzu. Bis zum Jahr 2007 wurden hier Grundschüler der Gemeinde Litzendorf unterrichtet. Dann standen die Klassenzimmer leer, die Lehrerwohnung hingegen war weiterhin vermietet.

Über 7000 ehrenamtliche Stunden haben die Melkendorfer in die Renovierung ihrer Schule gesteckt, auch wenn sie de facto gemeindliche Immobilie ist. Bis 2011 wurde innen renoviert, in diesem Jahr außen.

Die beiden Räume im Untergeschoss nutzen einerseits Jugend und die VHS und den anderen der Obst- und Gartenbauverein. Mit seinen 150 Mitgliedern einer der wichtigen Kulturträger in dem knapp 800 Einwohner zählenden Ort. Und als solcher ist man auch heimatkundlich interessiert. Gemeinsam mit der Feuerwehr stemmt der OGV das Schuljubiläum, "nachdem wir erst 2011 unser eigenes 100-Jähriges hatten," so Monika Neundörfer.

Das Schuljubiläum soll ganz bewusst an die Zeit vor 100 Jahren anknüpfen. Deswegen schon das Fässerpichen vor etlichen Wochen fürs Jubiläumsbier. Und auch das Programm soll an die Ursprungszeit der Schule erinnern. Also keine Pommes, Steaks und dergleichen. Sondern Erdäpflsuppe, Schälrippchen vom Feuer, Salzknöchla und Sauerkraut, Riesenbratwürste, Mixgetränke, Schabeso und natürlich das heiß ersehnte Bier aus den neu gepichten Holzfässern. "Wir waren ja gespannt, ob sie wirklich wieder dicht würden." Wenn das Holzfass "schweißte", merkt die Vereinsvorsitzende an. Um ein Zugeständnis an die heutige Zeit komme man freilich nicht herum: Kaffee gab es vor 100 Jahren nicht in der Form... Dazu werden dann aber wieder stilecht Brösalaskuchen, Käsechkuchen, Krapfen und "Melkendorfer Küssla" gereicht.

Aus der Entstehungszeit der Schule auch die den Kindern gebotene Kurzweil: Kutschenfahren, Stelzenlauf, Tatzern und Schnorren. Am Samstagabend beginnt das Jubiläumswochenende um 17 Uhr mit einem Gottesdienst im Festzelt bei der Schule, der Sonntag schließt ab 11.30 Uhr mit Mittagessen wie vor 100 Jahren an. An beiden Tagen ist die Ausstellung "Die Zeit der alten Dorfschule" geöffnet. Wegen der Straßensperrung in Litzendorf ist eine Anfahrt über Geisfeld nach Melkendorf empfehlenswert.



Das schreibt Monika Neundörfer zum Thema Fässer-Pichen:

In Süddeutschland sind noch viele Bier- und Brautraditionen lebendig. Während der eigentliche Brauprozess derselbe geblieben ist, erleichtern moderne Maschinen und Materialien die einzelnen Arbeitsschritte Bier zu brauen. Handwerkskunst ist in der Regel kein körperlicher Kraftakt mehr. Noch vor wenigen Jahrzehnten dagegen galten nicht nur Wissen und Fingerspitzengefühl, sondern auch pure Muskelkraft. Diese war auch dann besonders gefragt, wenn der Braumeister ärgerlich feststellte "Die Fässer schweißen!" Wurde die Pechschicht im Fassinneren rissig, rauh oder undicht, konnten sich Bakterien festsetzen und das Bier verderben. Deshalb kontrollierte der Braumeister vor dem Abfüllen des frisch gebrauten Bieres alle Fässer. Entdeckte er schadhafte Stellen in der Pechverkleidung, setzte er einen Pichtag an. An diesem Tag waren vom Lehrling bis zum Braumeister jeder Mann gefordert und jeder hatte eine spezielle Aufgabe.

Am Pichtag wurde der Koksofen geschürt, der Pechkessel aufgesetzt und das Feuer geheizt, bis sich Glut bildete. Dann führten die Gesellen einen kalten Luftstrom in den Ofen. Die heiße Luft, die daraufhin durch die Hörner des Koksofens ausströmte, leiteten sie durch das Spundloch ins Fass, bis sich das alte Pech verflüssigte und auslief. Inzwischen war das frische Pech im Kessel heiß. Die Gesellen füllten einige Liter Pech in das Fass, nahmen es vom Ofen und verschlossen es mit einem Holzkorken. Dann "schwankten" sie das Fass, drehten, wendeten und schüttelten es also, damit sich das flüssige Pech im Inneren des Fasses gleichmäßig verteilte. Schließlich legten die Lehrlinge zwei Stangen auf Böcke, stemmten das Fass darauf und drehten es mehrere Minuten lang ganz langsam, während das Pech trocknete. Die Pechschicht musste sehr dünn sein, sonst stimmte die Füllmenge des Fasses bei der nächsten Eichung nicht mehr. Sofort nach dem Drehen wurde kaltes Wasser in die Fässer gefüllt, damit die Pechschicht keine Sprünge und Risse bekam. Nach zwei bis drei Stunden wurde das Wasser wieder abgelassen. Das Pichen war beendet und die Holzfässer kamen zur Reinigung und zur Abfüllung in die "Fasswichs", dem Raum zur Reinigung der Fässer.

"Ein Bier aus einem frisch gepichten Fass ist ein Gedicht", schwärmt Braumeister Alfred Schneele. Das neue Pech, ein bisschen kommt der Holzgeschmack durch, gab dem Bier einen unglaublich frischen Geschmack. Von 1952 bis 1999 arbeitete der Brauer und Mälzer in einem schwäbischen Brauhaus. Als Lehrling drehte er am Pichtag die Fässer, später war er für das Schwanken der Fässer verantwortlich. Damit führte er die Oberaufsicht und übernahm die schwierigste Aufgabe. Mit einem Hammer schlug er nach dem Füllen mit Pech den Holzpfropfen aus den Fässern. Durch den hohen Druck im Fass konnte es vorkommen, dass der Pfropfen bis zu zehn Meter weit aus dem Fass schoss, gefolgt von heißem Pech. Sprichwörtlich "Pech" hatte der Pichtrupp auch, wenn im Koksofen Pech über den Kesselrand floss und in die Glut tropfte. Dann schossen Stichflammen empor, die nicht mit Wasser gelöscht werden konnten, sondern mit Rupfensäcken erstickt werden mussten. Auch auf die ideale Temperatur des Pechs von 120° bis 140° Celsius mussten die Brauer beim Erhitzen achten. War das Pech zu heiß, wurde es dunkel, erinnert sich Braumeister Alfred Schneele. Am besten war eine helle, braune Farbe. Das sah schöner aus und gab dem Bier auch einen besseren Geschmack.