Max Uthoff in Bamberg: ein Klassenkämpfer im Anzug

2 Min
Max Uthoff bei seinem Auftritt in der Bamberger Konzerthalle Foto: Matthias Hoch
Max Uthoff bei seinem Auftritt in der Bamberger Konzerthalle  Foto: Matthias Hoch
Max Uthoff bei seinem Auftritt in der Bamberger Konzerthalle Fotos: Matthias Hoch
Max Uthoff bei seinem Auftritt in der Bamberger Konzerthalle Fotos: Matthias Hoch
 
 
 
 
 
 

Der aus dem Fernsehen bekannte Satiriker Max Uthoff geißelt in der Bamberger Konzerthalle die Diktatur des Kapitals.

Max Uthoff ist ein Moralist, der als Zyniker verkleidet ist. Seine zynisch verdunkelte Sicht auf die Welt erlaubt es ihm, den ausschweifenden Konsum von Internet-Pornografie mit einer vor sich hin dümpelnden Geburtenrate in kausalen Zusammenhang zu bringen.

Sie erlaubt es ihm auch, sich über etwas vergleichsweise Nebensächliches wie die Frisur Donald Trumps lustig zu machen: "Die sieht doch aus, als ob er in einer Maschine für Zuckerwatte eingeschlafen wäre." Und selbst auf dem schlüpfrigen Terrain des gepflegten Herrenwitzes verliert Uthoff am Donnerstagabend in Bamberg nicht die Balance. Die katholische Kirche müsse ihr Konzept des Zölibats endlich vom Kopf auf die Füße stellen: "Eine bessere Voraussetzung als die Ehe gibt es für Enthaltsamkeit doch gar nicht."


Springer und die Fake News

Seine Gastgeberrolle in der ZDF-Sendung "Die Anstalt" hat dem 49-Jährigen zu einiger Berühmtheit verholfen. Entsprechend viele Menschen bevölkerten deshalb auch die Bamberger Konzerthalle, als Uthoff dort mit seinem Programm "Gegendarstellung" gastierte.
Weil Uthoff wie jeder gute Kabarettist sein Publikum und dessen sorgfältig gepflegte Feindbilder bestens kennt, ging es pflichtschuldig auch der Springer-Presse an den Kragen: Ihn wundere schon, warum die Republik ausgerechnet jetzt mit derart leidenschaftlicher Empörung über Fake News diskutiere. Die Bild-Zeitung, so Uthoff unter dem Gelächter der Zuschauer, werde nun doch schon seit einigen Jahrzehnten ausgeliefert.

Trump, Kirche, Springer: Das genügt in der Regel, um das gemeine Kabarettpublikum bei der Stange zu halten und darüber hinaus in seiner Überzeugung zu bestärken, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen. Uthoffs Ambitionen freilich gehen über dieses linksbürgerliche Selbstvergewisserungs-Kabarett weit hinaus. Hinter der Maske des Zynikers trägt Uthoff das besorgte Gesicht des Moralisten. Im Jargon der Aufklärung gesprochen, will dieser der Aufklärung verpflichtete Kabarettist den Verblendungszusammenhang zerfetzen und die Wurzel allen Übels freilegen.

Denn übel ist es in den Augen Uthoffs um die Welt im Allgemeinen, und die deutsche Gesellschaft im Besonderen bestellt. Max Uthoffs also und wie er die Welt ist: Kriege, soziale Verelendung, Flüchtlingsströme und siegestrunkene Rechtspopulisten sind einerseits schlimm genug, andererseits bei genauerer Betrachtung aber lediglich Symptome.

Die Ursache hört bei Uthoff auf den Namen "Neoliberalismus" und stellt die Verwertungsinteressen des Kapitals über die Interessen der arbeitenden Klassen.


Verachtung für die SPD

Neoliberalismus, diesen in der Diskussion fast ausschließlich in verleumderischer Absicht gebrauchten Begriff setzt Uthoff mit niedrigen Spitzensteuersätzen, einer zahnlosen Erbschaftssteuer, einer Vergötzung ausgeglichener Staatshaushalte und einer Deregulierung von Beschäftigungsverhältnisse in eins.
Folgerichtig attackiert Uthoff die Union, AfD oder FDP allenfalls mit Wattebäuschen. Seiner Verachtung würdig ist allein die SPD. Sie habe die Arbeiter verraten, sie habe für das Kapital die Beine breitgemacht, sie habe mit der Hartz-IV-Gesetzgebung die Schwachen ins Elend gestoßen, sie habe in Gestalt ihres früheren Parteivorsitzenden Müntefering mit bewusst verfälschten Bibelzitaten ("Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen") Langzeitarbeitslose verunglimpft und aus dem Kreis ehrbarer Bürger ausgeschlossen.


Versöhnte Gegensätze

Allzu leicht hätte das klassenkämpferische Pathos Uthoffs ins Hohle, Grelle und Hysterische kippen können.
Denn in unserem als post-ideologisch ausgeflaggten Zeitalter scheinen die Schlachten zwischen Arbeit und Kapital doch geschlagen, die Gegensätze in der Kanzlerschaft einer sozialdemokratisierten Christdemokratin mit schlagender Evidenz versöhnt. Man muss deshalb auch nicht allen Schlussfolgerungen Uthoffs folgen, man kann es als halbwegs informierter Gelegenheitsdenker wahrscheinlich auch gar nicht. Dafür ist sein antikapitalistisches Welterklärungsmodell zu radikal und um den Preis der Unterkomplexität zu rückstandslos von Widersprüchen befreit.

Dessen ungeachtet verdient Uthoffs intellektuelle Scharfsinnigkeit, seine moralische Redlichkeit, vor allem aber seine Formulierungskunst allen Respekt. Sie retten den Auftritt vor dem Kitsch, machen ihn in jeder Sekunde zu einem herausfordernden Vergnügen. Als der 49-Jährige am Ende von einem im Schraubstock der Sparauflagen ächzenden Griechenland erzählt, von Selbstmördern und Krebskranken, die sich ihre Therapie nicht mehr leisten können, ist im Saal viele Minuten lang kein Lachen mehr zu hören. Allenfalls zustimmendes Murmeln, manchmal auch dumpfes Stöhnen durchbrechen die Stille.

Zweieinhalb Stunden lang hat Max Uthoff sein Publikum zum Lachen und zum Nachdenken gebracht, gleichermaßen amüsiert und verstört. Mehr lässt sich von einem Kabarettisten nicht verlangen. Die Welt verändern müssen im Zweifelsfall andere.