Die Eröffnung der Jahresausstellung des Kunstvereins Bamberg in der Villa Dessauer stieß auf großes Interesse. Zeitgenössische Kunst schlägt einen Bogen zu den Bücherschätzen des 1000-jährigen Klosters Michael.
Obwohl der Kunstverein Bamberg bei der Vernissage seiner Jahresausstellung auf musikalische Akzentsetzung verzichtete, rückte der Flügel in der Villa Dessauer ins Blickfeld. Die vielen Besucher lauschten zwar aufmerksam der Einführung von Vereinsvorsitzender Barbara Kahle. Doch das Instrument zog einfach magisch an.
Das war dem Münchner Künstler Albert Coers zu verdanken, der den Ausstellungstitel "Sagen und Zeigen - Schrift in der Kunst" auf seine Weise interpretiert hatte. Etwa 180 schmale Bände mit der Aufschrift "Müde Bücher" sind rund um die Flügelbeine drapiert, teils wie zufällig hingestreut, teils sorgfältig aufgestapelt.
"Die Last des Flügels, der für großbürgerliche schwere Kultur steht, wird durch die filigrane Bücherkomposition bestätigt", will Albert Coers sein Werk "Piano forte" verstanden wissen.
Lesbare Kunst hat Kuratorin Notburga Karl in der Villa Dessauer versammelt: Gemaltes, Gedrucktes, Gezeichnetes, Gebautes, Installationen, Fotos, Videos, Performances - geschaffen von 40 Künstlern und Künstlerinnen. Sie schlagen mit ihren zeitgenössischen Ausdrucksweisen einen Bogen zu den Bücherschätzen des 1000-jährigen Klosters Michaelsberg: "Bamberg und Geschriebenes, Bücher, Buchdruck, Prachtbände - dies sind Jahrhunderte alte Beziehungen, die bisher auch im Bewusstsein der Bamberger selbst eher wenig im Fokus standen", erklärte Barbara Kahle. Aber das diesjährige Jubiläum von St.
Michael "lässt ganz Erstaunliches zu Tage treten". Die mittelalterlichen Bücherschätze der einstigen Abtei hätten den Kunstverein gereizt, einmal auf die Bedeutung des Wortes beziehungsweise der Sprache in der heutigen Kunst einzugehen.
Diese Kunst bediene sich des Mediums Wort, Sprache zu ihren eigenen Zwecken, führte Kahle aus. Für viele Künstler sei Sprache nicht nur ein lesbares Wort im linearen Sinne, sondern als visuelles Bild interessant. "Seh-Texte" und "Sprachspielereien" oder "lebendige Kultur des Zeigens" nannte Barbara Kahle diese Bilder. Als ein Beispiel verwies sie auf das Objekt "Take me": Erikapflanzen auf dem Rasen am Schönleinsplatz.
Indem "take me" (nimm mich) wörtlich verstanden werde, ändere sich auch die Erscheinungsform der Worte.
Kuratorin Notburga Karl sprach hinsichtlich der dargebotenen Exponate von "einem Dialog und eine Mischung von Positionen, einem Austausch von Argumenten". Es gehe um "sinnlich Wahrnehmbares", um "Unterschiede von Bild- und Textlogik".
Logisch ins Bild passte die Ausstellungseröffnung durch Kulturbürgermeister Christian Lange (CSU), der in seinen Text große Bamberger Schriftsteller wie Hans Wollschläger, Nora Gomringer oder Tanja Kinkel anführte, die Bambergs Ruf als "Stadt der Buchkultur" gefestigt hätten. Für den Kunstverein eröffnete der Bürgermeister die mögliche Perspektive, auf dem Konversionsgelände im Bamberger Osten eine Heimstatt zu finden.
Die Ausstellung ist in der Villa Dessauer, Hainstraße 4, bis zum 8. November zu sehen. Dienstag bis Donnerstag 10 bis 16 Uhr, Freitag bis Sonntag 12 bis 16 Uhr.
Diese Ausstellung des Kunstvereins in der großbürgerlichen Villa Dessauer zeigt hochkarätige Werke internationaler Künstler. Einige gehören bereits zu den Klassikern, so Eugen Gomringer, "Vater der Konkreten Poesie" und der gerade in diesem Jahr auf der Biennale in Venedig gefeierter Künstler herman de vries, der seit 40 Jahren im Steigerwald lebt. Auch Hanne Darboven und Joseph Kosuth wären zu nennen, die aus der Sammlung der Bamberger Galeristin Dietlinde Schunk-Assenmacher beigesteuert wurden. Professoren an den Kunstakademien sind Albert Hien, Nanne Meyer, Jochen Flinzer, Michael Hakimi und Judith Siegmund. Viele Künstler haben eigens ihre Arbeiten für diese Ausstellung geschaffen, wie Albert Coers, Peter Engel, Till Krause und Albert Hien, um nur einige zu nennen. Alles in allem ist es eine Ausstellung, die internationales Format hat und genauso in einer Großstadt gezeigt werden könnte. Für Bamberg ein Ereignis und lohnend, jeden Freitag zu kommen, wenn Studentinnen und Studenten des Lehrstuhl Kunsterziehung an der Bamberger Otto-Friedrich-Universität um 15 Uhr zu Führungen einladen.