Seit 2011 setzt sich Brigitte Finke für Flüchtlingsfamilien ein. Am 15. Dezember 2014 lud sie am Nachmittag zum ersten Mal in den Holzschuppen hinter der St. Kilians Kirche in Scheßlitz ein. Wir waren beim dritten Sharecafé-Termin dabei.
Er träumt von einem Kissen. Ja, da könnte er wirklich noch gut eines gebrauchen - für die Nächte in seinem Zimmer im Flüchtlingsheim, für seinen "Hals", das Wort kann er sogar schon auf deutsch sagen. Er, das ist ein Junge, ein junger Mann, der aus Afghanistan vor drei Monaten nach Deutschland flüchtete. Als ich die Tür zum Holzschuppen hinter der St. Kilians Kirche in Scheßlitz öffne - ein weißes Papier auf dem in Druckbuchstaben ausschließlich das Wort "Sharecafé" steht sagt mir, dass ich richtig bin - fixiert er mich mit seinem Blick.
Er steht vor dem Wärmestrahler, strahlt selbst und setzt sofort einen Schritt zur Seite. Er deutet mir an, jetzt kann ich mich wärmen. Mehr als lächeln und eine Frau ansprechen, die eindeutig deutsch spricht, geht im ersten Augenblick nicht - ich bin überfordert, ganz ehrlich.
Der Raum in dem Holzschuppen ist 20, vielleicht auch 30, Quadratmeter groß - und voll. Hier ein T-Shirt das aus dem Karton gezogen wird, da ein voller Kleiderständer mit Winterjacken in Kindergrößen - und immer wieder muss ich aufpassen, dass ich nichts und niemanden anremple. Zu dem Gespräch mit einer Lehrerin stößt Brigitte Finke dazu. Erst zum dritten Mal hat sie gestern, am Montag, zu Kaffee und Kuchen mit Kleidertausch eingeladen.
Aber schon 2011 haben sie und ihr Mann drei iranische Jungs quasi "adoptiert". Und schon seit langem - noch bevor der große Flüchtlingsstrom in Bayern ankam und auch zum Thema in der Öffentlichkeit wurde - ist sie immer wieder mit beladenem Kofferraum zu den Flüchtlingen gefahren, um Klamotten vorbeizubringen.
Aber sowohl ihr war es irgendwie unangenehm, die Sachen zwischen Tür und Angel zu verteilen, als auch den Flüchtlingen, in einem fremden Kofferraum zu wühlen. Damals noch haben sich eher wenige fürs Anpacken und Mithelfen begeistern lassen. Heute sieht es - zumindest in diesem Rahmen des Sharecafés - anders aus.
Besser als daheim Eine schlanke, schöne Frau bereitet Tee und Kaffee und möchte den Menschen den Mittag auch mit einem Keks versüßen. Ihr Leben hier ist hart, sagt sie, aber besser als daheim - wo ihr Ehemann noch immer lebt. Auch der junge Mann vor der Theke möchte unbedingt erzählen. Er würde auch gerne was arbeiten. Was lernen, deutsch vor allem, am liebsten im Bereich Technik wieder einsteigen.
Er hat einen Plan, aber die Gesetze ermöglichen ihm momentan nicht viel mehr als Langeweile und solche Nachmittage im Sharecafé. Aber immerhin: Es gibt Ehrenamtliche, wie drei Rentner, die sich um einen Stehtisch zusammengefunden haben und ihre "Biete Deutschunterrricht" Kärtchen für die Pinnwand ausfüllen. Vor Weihnachten hat die ehemalige Französischlehrerin schon einmal versucht, Sprachunterricht anzubieten. Ihr Versuch ging allerdings nach hinten los. Zwar hat der Fehlstart bei ihr nachdrücklich für Enttäuschung gesorgt, aufgeben ist aber noch keine Option. Das nächste Mal will sie die Regeln vielleicht ein bisschen konsequenter durchziehen, die Anwesenheit vielleicht irgendwie verpflichtend machen. Einen Raum, der unterrichtstauglich ist, haben sie mittlerweile gefunden. "Entgegenkommen" gab es von vielen Seiten. "Aber organisieren muss man es alles selbst", sagt die ältere Dame.
"Ich halte es für so wichtig, dass die Leute Deutschlernen...wie sollen sie denn sonst zurechtkommen?", sagt der Rentner.
Im Sharecafé geht das Verständigen notfalls auch mit Händen und Füßen. Für Helga Bätz kein Problem. Gerade schauen sich zwei Mütter mit ihren kleinen Töchtern in den Kartons um. Bätz erahnt die Größe und zieht alle möglichen Stücke hervor: Mütze, Schal, Winterjacke. Beim grauen Kuschel "I-Ah" greift das Mädchen sofort zu. Aus einer leerstehenden Wohnung hat sie mal eben so ein privates Logistikzentrum gemacht. Acht bis zehn Stunden verbringt sie mit sortieren von Kleidungsstücken, 70 Quadratmeter Sommersachen warten darauf, in den nächsten Monaten an die Flüchtlinge verteilt zu werden.
Ärger hatte sie selbst mit noch keinem Flüchtling. Dass nicht alles einfach nur wunderbar ist, weiß sie aber.
Allerdings macht sie "die negativen Erfahrungen eher mit den Einheimischen". Enttäuschung und Unverständnis hat sie für Aussagen wie: "Die lungern schon wieder in der Stadt rum." Wer ihr so kommt, erfährt prompt eine Antwort: "Du warst schließlich auch in Scheßlitz in der Innenstadt...", und mal ehrlich: "Was sollen die denn in einem Zimmer zu fünft, zu sechs machen?", sagt Helga Bätz. Musikmachen können bestimmt einige, aber ohne Instrument?! Während der junge Afghane sein Kissen bekommt, verwandelt sich das Sharecafé am Nachmittag in eine Bühne. Denn, auch Gitarre und Akkordeon können ausgeliehen und geteilt werden.