"Ich habe Pubertät" - Und Weihnachten fällt aus?

1 Min
Bleiben die Lichter heuer aus? Die Frage von Nicola an Papa Michael ist berechtigt. Foto: Michael Busch
Bleiben die Lichter heuer aus? Die Frage von Nicola an Papa Michael ist berechtigt. Foto: Michael Busch

Michael und Nicola Busch - Unser Redakteur, Vater einer 13-jährigen Tochter, schreibt seine Erfahrungen in einer wöchentlichen Kolumne auf.

Die Frage musste kommen, und doch traf sie mich so unvorbereitet, weil ich mir keine Antwort paratgelegt habe. Beim Frühstückstisch fragt Nicola: "Fällt Weihnachten heuer aus?"
Um mir Zeit zu verschaffen, machte ich das, was ein Vater in so einer Situation machen muss: eine Gegenfrage stellen. Also: Warum? Die Antwort ihrerseits kam allerdings so schnell, dass mir klar wurde, dass meine "kleine Pubertierende" sich durchaus ernste Gedanken zu einem ernsthaften Thema gemacht hat. "Na ja, wegen dem Berlin!"
Der Gedankengang war damit aber nicht abgeschlossen, im Gegenteil. Nicola erklärte: "Im Radio haben die gesagt, dass sie keine Weihnachtsmusik mehr spielen - wegen dem Anschlag." Ich versuchte, ihr die Begriffe Pietät, Trauer, Unlust auf Lustiges nahezubringen, musste mich aber einer weiteren Argumentation beugen. Denn Nicola erklärte: "Wenn die keine Weihnachtsmusik mehr spielen, haben die Attentäter, die ja genau gegen diese christlichen Ideen kämpfen, doch gewonnen." Mmh! Bestechende Naivität. Doch noch lange nicht das Ende ihrer Argumentationskette: "Und wenn die Menschen so einen Anschlag erleben, wäre doch gerade das Weihnachtslied die richtige Reaktion!"


Grundsätzlich hat sie recht

Mein sicher nicht sehr glücklicher Gesichtsausdruck offerierte Nicola mein Unverständnis des Zusammenhanges, doch sie war ja auch noch nicht fertig. "In den Weihnachtsliedern geht es doch um Frieden, um Glaube, um das Wunder von Bethlehem, um unsere christlichen Werte ..." Auch wenn ich der Überzeugung bin, dass sie den Text von Whams "Last Christmas" nie wirklich übersetzt hat, musste ich ihr grundsätzlich recht geben und reagierte auf den abschließenden Vorschlag recht cool. "Das", so Nicola, "heißt, dass jetzt im Grunde gerade erst recht Weihnachtsmusik gespielt werden muss. Sogar im Sommer, wenn es da zu einem Anschlag kommt. Das wäre logisch, nicht die Idee, diese Musik gar nicht zu spielen!"
Ich tat mir schwer am Frühstückstisch, mit einem Adventskranz in der Mitte und vier brennenden Kerzen, in der vorweihnachtlichen Stimmung, dieser Argumentation irgendetwas Vernünftiges entgegenzusetzen. Mir fiel nur ein kurzer Satz ein, der die Diskussion unglücklicherweise beendete: "Nein, Weihnachten fällt nicht aus. Weihnachten ist noch nie ausgefallen." Ich wollte ihr noch etwas entgegnen, etwas Beschwichtigendes, etwas Mutmachendes. Ich sagte das, was ich immer sage, aber dieses Mal nicht bösartig, sondern mit hohem Respekt: "Scheiß Pubertät!"

Und was sagt Nicola?
Wenn Erwachsensein heißt, nicht mehr menschlich zu denken, dann will ich in der Pubertät bleiben.