Hat das Bamberger Rathaus ein Daten-Leck?

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Tausende Bürger mit Migrationshintergrund bekamen Wahlbriefe von der Bamberger SPD. Illustration: Micho Haller
Tausende Bürger mit Migrationshintergrund bekamen Wahlbriefe von der Bamberger SPD.  Illustration: Micho Haller
 

Nur ein Kavaliersdelikt? Wie problematisch war die Herausgabe von tausenden Nationalitäten-Daten durch die Stadt Bamberg im Kommunalwahlkampf?

Vier Monate nach der Wahl muss sich die Stadt für ihren Umgang mit sensiblen Daten rechtfertigen. Während die Staatsanwaltschaft Coburg noch ermittelt, steht für den Landesbeauftragten für Datenschutz im Freistaat, Thomas Petri, der Missbrauch bereits fest. Was ist erlaubt, was nicht?

Tausende Mitbürger mit Migrationshintergrund haben im März, wenige Tage vor der Kommunalwahl, Post von der Bamberger SPD in ihrer jeweiligen Landessprache bekommen. Einige haben schon damals die Frage gestellt, wie die SPD in den Besitz der Nationalitätendaten kam und sie haben eine Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Manche hatten diese Bedenken nicht und zweifeln gar an der Verhältnismäßigkeit der Vorwürfe. Wurde da etwas aufgebauscht? Wer hat sich an Sie gewandt?

Thomas Petri: Es waren keine Massen von Bürgern, die sich bei uns gemeldet haben, mit der Bitte, den Vorfall zu überprüfen. Einige waren es aber. Und es hat sich herausgestellt, dass es um einen erheblichen Verstoß handelt, den die Meldebehörde hier begangen hat. Das Bundesmeldegesetz verbietet die Herausgabe von Daten, die Rückschlüsse über die Nationalität von Menschen zulassen. Wenn so etwas passiert wie in Bamberg, ist das ein eindeutiger Verstoß gegen das Gesetz, der sich nicht wiederholen darf.

Doch wo sind die Grenzen des Erlaubten? Was darf herausgegeben werden, was nicht?

Der Gesetzgeber hat zugelassen, dass bis zu sechs Monaten vor der Wahl Daten an Parteien herausgegeben werden, damit direkte Wahlwerbung möglich wird und bestimmte Zielgruppen angesprochen werden können. Aber das Bundesmeldegesetz beschränkt die Herausgabe von Gruppendaten auf die bestimmte Datensätze. Eine Zuordnung zur Gruppe darf nur über das Kriterium des Alters erfolgen. So ist es für die Parteien beispielsweise möglich, Jugendliche oder ältere Menschen direkt zu adressieren. Aber das gilt nicht für derart sensible Daten, wie es hier geschehen ist - die Herausgabe von Personen mit ihren Adressen und Nationalitäten. Man stelle sich nur vor, was für einen Aufschrei gegeben hätten, wenn eine rechtsextreme Partei eine solche Anfrage gemacht und die Daten bekommen hätte. Der Gesetzgeber hat mit gutem Grund das Profilieren nach Herkunftsdaten verboten.

Hat es vergleichbare Fälle in der Vergangenheit in Bayern gegeben?

Ich bin jetzt seit zehn Jahren in der Position als Datenschutzbeauftragter, aber ich kann mich an keinen Fall erinnern, in dem ähnlich sensible Daten in dieser Menge herausgegeben wurden. Was vorkommt, ist dass Parteien vor Wahlen komplette Adressdaten von Bewohnern haben wollen. Aber auch das ist verboten, wenn man von ganz kleinen Kommunen absieht, in denen keine Gruppenbildung möglich ist. Erlaubt sind lediglich Gruppenabfragen mit dem Alter der Bürger. Man muss wissen: Je detaillierter die Daten sind, die herausgegeben werden, desto leichter wird es für die Parteien zu manipulieren. Das ist nicht im Sinne des Gesetzgebers. Der Wähler soll seine Entscheidung autonom treffen. Auch die Datenschutzgrundverordnung ist in dieser Hinsicht eindeutig: Keine Angaben, die Rückschlüsse auf die Ethnie eines Bürgers zulassen.

In Bamberg wurden die Wahlbrief der SPD an mehrere Tausend Mitbürger mit Migrationshintergrund versandt. Spielt es bei der Einordnung des Verstoßes eine Rolle, dass es eine erhebliche Zahl von Betroffenen gegeben hat?

In der Tat hätten wir möglicherweise von einer Beanstandung abgesehen, wenn nur wenige Bürger betroffen gewesen wären, wenn es ein Fall von untergeordneter Bedeutung gewesen wäre. Aber die Masse von widerrechtlich herausgegebenen Daten zeigt, dass eingegriffen werden muss. Dabei geht es darum, das Vergehen festzustellen und dazu beizutragen, dass sich solche Fälle nicht wiederholen.

In Bamberg scheint sich der Zugriff auf illegale Daten von Bürgern mit Migrationshintergrund sogar wiederholt zu haben. Welchen Einfluss hat der Landesdatenschutzbeauftragte?

Es ist nicht unsere Aufgabe, den Verstoß der hier begangen wurde, mit einem Bußgeld zu sanktionieren. Unsere Rolle ist es, dieses Problem zu bewerten und publik zu machen. Das erreichen wir über unsere förmliche Feststellung und den Tätigkeitsbericht, der unter anderem auch an die Staatsregierung geht. Es geht um die politische Dimension, aber auch um die Strukturen, die Verfahren, die dahinter stehen. Wir betreiben Ursachenforschung, damit etwaige Mängel in der Organisation abgestellt werden können.

In Bamberg wird auch die Rolle des Oberbürgermeisters kritisiert. Als Chef der Verwaltung und als derjenige, der den Wahlbrief der SPD unterschrieben hat. Wie beurteilen Sie den Sachverhalt?

Ich unterstelle der Verwaltung in Bamberg nicht, dass vorsätzlich Recht gebrochen wurde. Ich gehe eher davon aus, dass die Stadt die Rechtslage nicht sorgfältig geprüft hat und dass es infolge dessen zu dieser Fehleinschätzung gekommen ist, dass sie diese Daten herausgeben darf.

Muss man auch der SPD einen Vorwurf machen?

Da möchte ich keine Bewertung abgeben. Die Stadt hätte es aber wissen müssen. Wahlen gibts ja nicht nur einmal. Das ist das tägliche Brot der Behörde. Und die Rechtslage ist eindeutig. Man muss sich vor Augen halten, dass das Bundesmelderegister eine Datenbank ist, in der jeder Bürger zwangsweise erfasst wird. Wer sich dem verweigert, wird bestraft. Deshalb ist es so wichtig, dass der Datenschutz gewahrt wird und die Angaben zu Personen streng vertraulich behandelt werden.