Vor dem Landgericht geht es seit Mittwoch um einen Übergriff mitten in der Fußgängerzone: Ein ehemaliger Profi-Boxer soll einen Bamberger niedergeschlagen und massiv nachgetreten haben. Die Tragik dieses Falls: Der mutmaßliche Täter leidet wohl an Schizophrenie, weshalb dem 29-Jährigen die Unterbringung in der Psychiatrie droht.
Erst gestern stand es wieder in der Zeitung: "Mann greift grundlos Passanten an." Tatort war der Grüne Markt, mitten in der Bamberger Innenstadt. Das wundert Klaus Linsner, stellvertretenden Leiter der Polizeiinspektion Bamberg-Stadt, nicht. "Der Stadtbereich ist ein Schwerpunkt."
Allerdings: "Die Leute sagen zwar immer wieder, jemand sei grundlos angegriffen worden. Oft gibt es im Vorfeld dann aber doch kleine Begebenheiten oder Anlässe im zwischenmenschlichen Bereich", sagt Linsner.
Erst vor kurzem, an der Sandkerwa, habe ein Mann auf dem Heimweg auf der Oberen Brücke offenbar ohne besonderen Anlass drei Passanten nacheinander "Eine verpasst", wie Linsner berichtet.
Ebenfalls auf der Oberen Brücke hat sich eine andere Tat abgespielt, die Linsner noch gut im Gedächtnis ist. "Der Fall hat Aufsehen erregt, wegen seiner Härte und Intensität." Es ist jener Fall, der seit Mittwoch vor der Zweiten Strafkammer des Bamberger Landgerichts verhandelt wird. Auf der Anklagebank sitzt Danylo A. (Name geändert), 29 Jahre alt, ehemaliger Profiboxer. Er muss sich wegen versuchten Totschlags mit gefährlicher Körperverletzung verantworten. Der entscheidende Punkt: Er leidet seit dem Jahr 2011 wohl an einer paranoiden Schizophrenie und soll die ihm zur Last gelegten Taten im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen haben. So steht es in der Antragsschrift der Staatsanwaltschaft.
"Antrag" statt "Anklage"
Da es sich um einen "Antrag", keine "Anklage" handelt, geht es in dem Prozess um die Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt und nicht um eine Freiheitsstrafe. Doch was wird ihm zur Last gelegt?
Danylo A. war am 22. November 2013 auf der Oberen Brücke unterwegs, auf der Suche nach einem Hotel, wie er vor Gericht sagte. Der Unterfranke begegnete Kenan Y (Name geändert) und dessen fester Freundin Greta I. (Name geändert). Da es Greta fröstelte, legte Kenan Y. seine Jacke über ihre Schultern. Laut Antragsschrift ging der Beschuldigte unvermittelt auf den 22-jährigen Studenten Kenan zu. Die Freundin erinnert sich: "Er hat mich gefragt, ob ich okay bin und dann zu meinem Freund gesagt: ,Lass die Dame in Ruhe!'"
Kenan Y. war völlig überrascht und fragte den ihm Unbekannten, wer er sei. Da soll der Beschuldigte schon zugeschlagen haben: Den Ermittlungen zufolge versetzte er zwei wuchtige Faustschläge gegen den Kopf des 22-jährigen Bambergers, der daraufhin zu Boden ging. Während das Opfer auf dem Straßenpflaster kniete und den Kopf nach vorne gebeugt hatte, soll der ehemalige Profi-Boxer mit großer Wucht sieben bis acht Mal gezielt gegen den Kopf von Kenan Y. getreten haben. Der Student rappelte sich noch einmal auf, soll aber mindestens sieben weitere Schläge gegen den Kopf bekommen haben.
Die Folge des Übergriffs: Nasenbeinbruch, Gehirnerschütterung, Schwellungen, Platzwunden und Schürfungen im Gesicht. Die 25-jährige Freundin des Opfers sagte vor Gericht deutlich: "Es war alles voller Blut. Ich hab' nicht gedacht, dass er das überlebt."
Der 22-Jährige hat überlebt, aber noch heute mit den Folgen der Tat zu kämpfen. Er klagte vor der Zweiten Strafkammer über Übelkeit, Schwindel, Zitteranfälle, Heulkrämpfe und Angstzustände. Zwar habe Kenan Y. bereits vor der Tat an Panikattacken gelitten. "Doch das hat sich jetzt alles verstärkt." Und seine Partnerin merkte an: "An der Uni hat er zwei Semester verloren, weil er sich infolge der Gehirnerschütterung schlecht konzentrieren kann."
Beschuldigter: "Ich dachte, die Frau braucht Hilfe"
Der Beschuldigte, Danylo A., betonte am ersten Verhandlungstag immer wieder: "Ich dachte tatsächlich, die Frau braucht Hilfe." Ähnlich sei es bei mehreren Vorfällen in Berlin gewesen, wo der ehemalige Profi-Sportler zeitweise gelebt hatte. Dort soll er Körperverletzung in fünf Fällen begangen sowie einen Passanten mit dem Messer bedroht haben. Vor dem Bamberger Landgericht werden beide Verfahren verbunden.
In der "Antragsschrift zur Sicherungsverwahrung" steht zudem, dass sich Danylo A. für Beleidigung, Bedrohung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte rechtfertigen muss: Er soll am Tag nach seiner Festnahme den Ermittlungsrichter und die Staatsanwältin beschimpft und mit dem Tod bedroht haben. Zudem soll er Polizisten beleidigt und sich gegen sie zur Wehr gesetzt haben.
Die Staatsanwaltschaft nimmt an, dass der 29-Jährige infolge seiner paranoiden Schizophrenie auch in Zukunft Straftaten begeht und für die Allgemeinheit gefährlich ist. Es bestehe besonderes öffentliches Interesse. Danylo A. dagegen ist der festen Überzeugung: "Ich habe keine Schizophrenie."
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist im Strafgesetzbuch geregelt (
Paragraf 63 ): Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.