Drogenkarriere: Start oft schon mit Neun!

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Julia Neubauer-Renk im Beratungsgespräch mit einem Gefangenen.Fotos: Barbara Herbst
Julia Neubauer-Renk im Beratungsgespräch mit einem Gefangenen.Fotos: Barbara Herbst
 
Es genügt, dass ein Gefangener so einen Schein ausfüllt, um zur Drogenberatung zu dürfen.
Es genügt, dass ein Gefangener so einen Schein ausfüllt, um zur Drogenberatung zu dürfen.
 
Ernst Hofmann und seine Kollegin Julia Neubauer-Renk in einem der Beratungsräume.
Ernst Hofmann und seine Kollegin Julia Neubauer-Renk in einem der Beratungsräume.
 
 
Hans Lorenz Leiter psychosozialen Caritas-Beratungsstelle in Bamberg, deren Außenstelle in der JVA Ebrach ist.
Hans Lorenz Leiter psychosozialen Caritas-Beratungsstelle in Bamberg, deren Außenstelle in der JVA Ebrach ist.
 
 
 

Im Ebracher Gefängnis gibt es eine Außenstelle der Caritas-Suchtberatung. Sie wird von den Gefangenen gut angenommen.

Jetzt könnte die "Karriere" von Ernst Hofmanns Tochter beginnen. Sie ist neun. Da fangen etliche an. Mit Alkohol. Rauchen. Kiffen. Mit 20 sitzen sie dann bei Hofmann auf dem Stuhl. Oder bei Julia Neubauer-Renk. Jedenfalls im Ebracher Gefängnis und dessen Suchtberatungsstelle der Caritas.

"Eine Außenstelle", wie Hans Lorenz, Leiter der Bamberger Caritas-Suchtberatungsstelle erklärt. Er ist Chef der beiden Diplom-Sozialpädagogen, die in Ebrach noch einen weiteren Kollegen und zusammen insgesamt 1,75 Stellen haben.

Seit 1997 gibt es solche Stellen in Vollzugsanstalten. Finanziert werden sie vom Familienministerium und in Ebrach auch von der Caritas. 30.000 Euro investiert die jährlich. Dafür haben die Gefangenen so gut wie jeden Tag einen Ansprechpartner in Sachen Sucht vor Ort.


Im Schnitt sitzen gut 300 Gefangene im Alter zwischen 17 und 23 Jahren in der Justizvollzugsanstalt (JVA). Drei Viertel von ihnen haben Suchtprobleme, weiß Hofmann. Nicht alle sind nun unbedingt abhängig. Sucht hat viele Facetten: Von Alkoholsucht über Drogensucht bis hin zu Spielsucht. Letztere stellt mit etwa fünf bis zehn Prozent den kleinsten Teil.

Sucht muss man sich nun nicht so vorstellen, dass die Gefangenen unter kaltem Entzug leiden. Entzug bedeutet Haft freilich auch. Was wiederum eine neue Situation darstellt: Leben ohne Drogen, und damit eine andere Sicht auf Dinge. So ergibt sich die Chance, in Gesprächen das Bisherige und was schief gelaufen ist zu beleuchten.

Dass hier Bedarf herrscht, belegt die Statistik. Letztes Jahr hatten sich insgesamt 262 Gefangene in Ebrach bei der Suchtberatung gemeldet. Es genügt, eine Art Anmeldungsschein auszustellen. 1012 Beratungsgespräche fanden statt. Die beiden Beratungsräume (Büros, gestellt von der JVA ebenso wie die PCs) befinden sich direkt in den Zellenbauten, sind damit also leicht zu erreichen. Für das Jahr 2012 sind 23 Therapievermittlungen registriert.

Drei Viertel der Teilnehmer halten durch, freuen sich Hofmann und seine Kollegin. Laut Gesetz gibt es bei Drogendelikten die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen einen Teil der Strafe in der Therapie zu verbringen. Ansonsten gibt es eine Vorbereitung auf Betreuung nach der Haftzeit (ambulante Nachbetreuung).
Stichwort Drogendelikt. Das kann der eigene Besitz und Konsum (dann größerer Mengen nicht legalisierter Drogen) aber auch das Dealen umfassen. Beschaffungskriminalität gehört gleichfalls in diesen Bereich.

Warum kommen Häftlinge in die Beratung? Das birgt Hoffnung und sie hat ein gutes Image bei den Gefangenen. Die Berater unterliegen der Schweigepflicht. Es dringt also nichts an die Anstaltsleitung weiter, zu der die Berater aber ein gutes Verhältnis haben.

Auf die Reihe kriegen

"Viele wollen ihr Leben auf die Reihe kriegen. Sie, sehen es hier erst einmal ohne den Einfluss von Drogen", erklärt Julia Neubauer-Renk. Es hier drinnen ohne Drogen zu schaffen, heißt nicht, dass dies auch draußen gelingt", weiß Lorenz. Im Knast sind geschützte Bedingungen und viele Profis, die zur Seite stehen. Andererseits schrecken wohl auch Sanktionen ab, wenn man mit Drogen erwischt wird.

Deshalb erachten die Experten es als wichtig an, Gefangene in Therapien zu vermitteln. Dort lernen sie, ohne Drogen zurecht zu kommen, einen geregelten Tagesablauf ohne Drogen. Dinge, die das Gefängnis nicht zu leisten vermag.

Über 30 Jahre hat Hans Lorenz mit dem Thema Suchtberatung zu tun. Was hat sich geändert? "Heroin ist out". Chrystal ist die Modedroge. Das passe in unsere Zeit, lasse einen zwei Tage ohne Schlaf durchstehen, mache leistungsfähig, kurzzeitig Gewicht verlieren. "Ein Teufelszeug." Was sich noch verändert hat? Die Konsumenten werden immer jünger, haben mit 20 schon eine richtige Drogenkarriere hinter sich, wenn sie mit neun anfangen. Weil niemand Zeit für sie hat, ihre Freunde Drogen nehmen oder die Eltern. Das tut Ernst Hofmann freilich nicht und: er hat Zeit für seine Tochter. So scheint der Start einer Drogenkarriere für sie doch eher unwahrscheinlich.

Zeit, die sich früher wohl keiner für sie genommen hat, die nehmen sich in Ebrach Ernst Hofmann und seine Kolleginnen. "Gut ,dass es uns hier gibt."