Im Wald bei Kremmeldorf häufen sich nun auch die Trockenschäden an Buchen, Eichen und Tannen. Naturschützer und Förster schlagen gemeinsam Alarm.
Gerhard Rühling kommt ins Stocken, wenn er von seinen Gefühlen berichtet. Als er Mitte Juni den Wald bei Kremmeldorf am Jurarand betreten hat, war vieles anders. "Ich war erschrocken von dem, was ich dort gesehen habe, wie schnell sich die Schäden vermehrt haben."
Es ist ein strahlender Juli-Tag, an dem sich eine kleine Exkursion auf die Spuren des 61-jährigen Revierförsters macht. Der Bund Naturschutz hat auf einen Wanderparkplatz eingeladen. Der Staatsforstbetrieb nutzt die Gelegenheit, um der Öffentlichkeit klar zu machen, was sich - von vielen unbemerkt - im Dickicht des Waldes abspielt: Etwa am Fuße des Stammbergs, ein immer noch prächtiger Wald. Dort drohen nun auch viele der sicher geglaubte Laubbäume abzusterben. Ein dramatischer Moment, denn sollte die Trockenheit weiter anhalten, könnten sich große Flächen rund um Bamberg braun verfärben.
Man muss schon ein paar Meter weg vom Wanderparkplatz gehen, um das Ausmaß der Schäden zu begreifen. Es sind hier in einem gemischten Wald mit Eichen, Buchen, Kiefern, Lärchen und Fichten auf einem vergleichsweise lehmhaltigen Standort alle Phasen eines vertrocknenden Wald zu besichtigen. Kahle, bereits abgestorbene Kronen, Blätter, die sich erst vor wenigen Tagen eingerollt und braun verfärbt haben, gelbe Nadeln und abplatzende Rinde - ein sicheres Zeichen, dass auch im nächsten Jahr nicht mit einer Wiederbegrünung zu rechnen ist. "Ich gehe davon aus, dass wenige dieser Altbuchen das Jahr überleben werden", lautet die pessimistische Prognose von Stephan Keilholz, Leiter des Staatsforstbetriebs Bamberg/Forchheim. Der Herr über Tausende von Hektar Mischwald muss mitansehen, wie nach den Fichten und den Kiefern auch noch die Buche schlapp macht, die doch die beherrschende Baumart der neuen klimastabilen Wälder sein sollte. Das "Schadholz", das 2019 käfer- und trockenheitsbedingt geerntet werden musste, beziffert Keilholz mit 68.000 Kubikmetern - "eine nie da gewesene Menge", daunter vor allem Fichten und Kiefern, aber auch wärmeliebende Baumarten wie Eichen und Tannen.
Über die Ursachen des "Waldsterbens 2.0", das sich vor den Toren der Stadt Bamberg abspielt, aber ähnlich auch im Hainpark in Bamberg zu beobachten ist, besteht an diesem Tag Einigkeit: Für Erich Spranger vom Bund Naturschutz ist es der Klimawandel, der die Zahl der trockenen Jahre und extrem heißen Tage über die Schmerzgrenze von vielen Bäumen hinauskatapultiert hat. Das Schadensausmaß sei heute um ein Vielfaches größer als beim Waldsterben in den 70er und 80er Jahren, bevor danach die Luftschadstoffe reduziert wurden, sagt Spranger. Die Forstexperten widersprechen ihm nicht.
Wie kann man die heimischen Wälder vor den Folgen der Trockenheit retten? Kann man sie noch retten? Stephan Keilholz und sein Kollege Konrad Schneider wollen am Umbau der immer noch von Nadelhölzern geprägten Bestände zu klimatoleranten Mischwäldern "konsequent festhalten". Mit Eiche, Buche, Tanne und Douglasie soll der Wald rings um Bamberg auch in Zukunft grün bleiben. Doch ist das der richtige Weg? Lutz Fähser, Experte für naturnahe Waldwirtschaft, sieht gerade die intensive Holznutzung, das Befahren von engen Rückgassen, das regelmäßige Auslichten der Kronen als Ursache für Wälder, die dem Trockenstress nicht mehr standhalten.
Und auch beim Thema Schutzgebiet gibt es zwischen Holznutzern und Naturschützern Dissens. Als BN-Vorsitzender Martin Bücker angesichs der "imponierenden Auswirkungen des Klimawandels" neue Großschutzgebiete und einen Nationalpark Steigerwald fordert, hält ihm Stephan Keilholz das Trittsteinkonzept der Staatsforsten und die Chanden von Holz als ökologischem Baumaterial entgegen. Wie viel Zeit kann die Menschheit gewinnen, wenn sie die Bäume wachsen lässt? Keilholz bezweifelt die dauerhafte Wirkung eines Urwalds als Kohlenstoffspeicher.
Für Gerhard Rühling sind das an diesem Tag theoretische Fragen. 24 Jahre lang hat der Revierförster die Wälder am Stammberg gepflegt. Auch früher gab es schon Schädlingsbefall, doch nie steckte der prächtige Bestand in einer derart schwierigen Phase. Rühling weiß: Wenn in nächster Zeit kein Regen kommt, wird es eng.