Das Juz darf nicht untergehen!

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Relaxen, chillen, spielen, planen und organisieren: Ins Hirschaider Jugendzentrum kommen an den Öffnungstagen bis zu 40 Jugendliche, um in Gemeinschaft mit anderen die Freizeit zu gestalten. Foto: Werner Baier
Relaxen, chillen, spielen, planen und organisieren: Ins Hirschaider Jugendzentrum kommen an den Öffnungstagen bis zu 40 Jugendliche, um in Gemeinschaft mit anderen die Freizeit zu gestalten. Foto: Werner Baier
 
 
 
 
 
 
 
 

Über dem Hirschaider Juz brauen sich dunkle Wolken zusammen. Offene Jugendarbeit auf hohem Niveau wird kaum wahrgenommen.

"Zumachen, das Jugendzentrum!" - "70 000 Euro im Jahr wegen den drei Kids, die da rein gehen?" Das ist die durchaus virulente Meinung unter alt gewordenen Hirschaidern. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Es sind 27 Jugendliche, die beim (unangekündigten) Reporter-Besuch am Freitagabend gegen 18 Uhr den Treff mit sehr viel Leben erfüllen. Und diese Einrichtung des Trägervereins "Netzwerk e. V." macht einen so guten Eindruck, dass man der Marktgemeinde nur empfehlen kann, bei einer Aufzählung der familienfreundlichen Merkmale Hirschaids eben dieses Jugendzentrum in einer Reihe mit Kindergärten, Schule, Realschule und Seniorenheimen zu nennen.

Nur zu verständlich ist daher die Sorge der sich hier wohlfühlenden jugendlichen Besucher um den Fortbestand ihres "Juz" in der alten Güterhalle der Eisenbahn: Sowohl die ICE-Streckenneubaupläne der Bundesbahn gefährden den Bestand, als auch die Zersplitterung des Trägers: Das
"Netzwerk" ist zerrissen, vom ehemaligen Vorstand nur noch der Schriftführer im Amt, alle anderen Funktionäre sind zurückgetreten. Über dieses Problem und seine Lösung wird noch gesondert zu berichten sein.

Akt der Verzweiflung

In einem Akt der Verzweiflung hatten sich beim Faschingsumzug ein paar Jugendliche mit Plakaten an den Straßenrand gestellt. Tenor: Das Juz darf nicht untergehen, bitte helfen! Der stille Protest gab dem FT Anlass zur Recherche. Es stellte sich heraus, dass die Leitung des Jugendzentrums und die Besucher nicht wissen, wie es weitergehen soll. Immerhin kümmert sich seit einigen Wochen der Jugendbeauftragte des Marktgemeinderats, Horst Auer (SPD), um das Juz. Und auch sein Eindruck ist positiv.

Auer resümierte allenfalls ein Wahrnehmungsdefizit: Mit seinen drei Außenstellen in Seigendorf, Friesen und Röbersdorf leiste das Juz gute Arbeit, befand Auer: "Besser, da können 20 Jugendliche rein, als dass wir ein Problem mit zwei oder drei Jugendlichen haben, die auf der Straße irgendwelche Probleme machen!" Der Jugendbeauftragte spricht sich dafür aus, der neuen Vorstandschaft des Netzwerk e. V. die Chance zu geben, den Jugendtreff zu erhalten.

Gestützt auf Auers Erkenntnissen will sich nun auch Bürgermeister Klaus Homann (CSU) dafür einsetzen, dass das Juz noch ein Jahr auf den Prüfstand gestellt wird. Sollte "Netzwerk" das Jugendzentrum aufgeben, hätte die Marktgemeinde unter anderem in der Bamberger iSO (Integrative Sozialarbeit e. V.) und deren Jugend-Arbeits-Modell (Jam) eventuell eine Alternative, weiß der Bürgermeister.

Der Hirschaider Jugendtreff bietet, so wie ihn das "Netzwerk" seit 2001 ausgestaltete, die ständige hauptberufliche Betreuung durch Sozialpädagoginnen (1,5 Stellen), eine jugendkonforme Atmosphäre mit Disco-Musik, mehrere gepolsterte Sitzecken, Tischtennisplatte, Kicker, Dart-Automat, Pool-Billard, Airhockey-Anlage drinnen und einen Streetball-Korb vor dem alten Backsteingebäude. Offen ist die Einrichtung (außer Sonntag und Montag) für junge Menschen von 12 bis 27 Jahren, Hauptzielgruppe sind die 14- bis 18-Jährigen. Je nach Programm steht das Juz an den Öffnungstagen von 14 bis 21/22 Uhr zur Verfügung. An Spitzentagen kommen bis zu 40 Gäste. Ohne Konsumzwang, zu Taschengeld-Preisen können Softdrinks oder kleine Speisen gekauft werden (0,5 l Spezi für 70 Cent, ein Hotdog für einen Euro).

Seit drei Jahren verantwortet die Diplom-Sozialpädagogin Christin Preißinger den Betrieb, seit September 2014 wird sie von Anna Hader, Ba.päd, unterstützt. Die Außenstellen werden von Honorarkräften betreut. Es gibt separate Mädchenstunden, einen vierköpfigen Jugendrat, und eine strenge Hausordnung, an die sich die Besucher gewöhnt haben: Niemand raucht, alkoholische Getränke dürfen nicht verzehrt werden; wer etwas kaputt macht, muss für den Schaden geradestehen. So lernen auch Jugendliche, die nicht in der Pfarrjugend, in einem Sportverein, bei der Feuerwehr oder in der Prinzengarde sozialisiert werden, wie Gesellschaft funktioniert.

Christin Preißinger bedauert, noch keine Gelegenheit bekommen zu haben, dem Marktgemeinderat Einblick in ihre Arbeit zu geben: "Leider hat uns auch der Bürgermeister noch nicht besucht." So ist in Hirschaid wenig bekannt, dass das Jugendzentrum auch extern mitwirkt: mit dem Angebot alkoholfreier Cocktails bei der Hexennacht in der Frankenlagune oder als Partner beim deutschlandoffenen Skate-Contest auf der Skate-Anlage zum Beispiel. Mit Hilfe der Kleinbusse des Netzwerks bietet das Jugendzentrum preisgünstige Ausflüge an, etwa zur Nürnberger Kartstrecke oder ins Palm-Beach nach Stein.

Lisa Lessner, 16-jährige Auszubildende, ergänzt, dass das Jugendzentrum auch von den in Hirschaid gelandeten jugendlichen Asylbewerbern aufgesucht wird. Anfangs sei von einzelnen Juz-Besuchern auf eine Abgrenzung gedrängt worden. Aber dann habe Christin Preißinger eine schriftliche Dokumentation der Flüchtingsproblematik erstellt und sie den Kritikern entgegengehalten. Seitdem herrsche Ruhe und seien die Flüchtlinge willkommen, freut sich Lisa.

Muss das Juz dem ICE weichen?

Umso mehr fürchtet sie, dass sich die Gemeinde das Juz nicht mehr leisten wolle und die Hirschaider auf eine Schließung drängen. Das wäre sehr schade, meint auch der 15-jährige Florian Schlicht, der fast täglich vorbeikommt - "klar, mit Freundin" - und fürs nächste Dartturnier trainiert. "Flo" und Lisa und all die anderen wissen, dass das Jugendzentrum möglicherweise dem Ausbau der ICE-Strecke weichen muss. Aber dann hoffen sie auf geeigneten Ersatz.

An der Decke des Jugendzentrums hängt ein Transparent. Darauf - neben dem Bild von den drei Affen, die nichts hören, sehen und sprechen - die Frage: "Zivilcourage - und was tust du?" Ist es nicht gut, dass in Hirschaid Jugendliche unter diesem Gedanken ihre Freizeit verbringen?