Die Piratenpartei in Bamberg will einen Verein ins Leben rufen, dessen volljährige Mitglieder für den Eigenbedarf Hanf züchten dürfen. Wahlkampfgetue oder ernsthafter Vorstoß? Die Stadtverwaltung prüft nun die Petition.
Haben Sie geschmunzelt? Gleich abgewunken und gedacht, "das kann ich nicht ernst nehmen"? Oder, ganz im Gegenteil - "endlich setzt sich jemand ein"?
Die beiden "Piraten" Benjamin Stöcker und Markus Geier wollen die Stadt dazu bewegen, einen "Modellversuch zur Abgabe von Cannabis zur medizinischen Nutzung und als Genussmittel in Form eines sogenannten Cannabis Social Clubs zu starten", wie es in einer Mitteilung der Partei heißt. Volljährige sollen für den Eigenbedarf Hanf anbauen dürfen, eine Weitergabe an Nicht-Mitglieder des Clubs soll verboten sein.
Der Zeitpunkt für das Einreichen der Petition scheint günstig, so kurz vor der Landtags- und Bundestagswahl. Alles bewusst geplant? "Nein", sagt Bejamin Stöcker, Landtagskandidat der Piratenpartei Bamberg Stadt. Die Petition komme vom Deutschen Hanf-Verband und sei vor etwa drei Wochen in Stöckers E-Mail-Postfach eingetrudelt.
"Wir haben uns selbst Gedanken dazu gemacht, die Gesetzeslage angeschaut und die Petition schließlich in der Stadt abgegeben", sagt Stöcker. Der Zeitpunkt hätte durchaus schlechter ausfallen können, gibt er zu. Er betont: "In unserem Grundsatzprogramm zur Drogen- und Suchtpolitik setzen wir uns bereits seit 2011 für die Entkriminalisierung ein."
Es gehe nicht darum, dass man an jeder Straßenecke oder gar im Supermarkt Cannabis kaufen könne. "Ein Cannabis Social Club wäre ein Modell. Ein anderes wären Coffeeshops wie in Holland. Oder die Abgabe über Apotheken, wenn der Arzt das Mittel verschrieben hat." Warum wollen die Piraten überhaupt Cannabis kontrolliert legalisieren? Das Rauschmittel, das etwa in einem Cannabis Social Club angebaut werde, sei frei von gefährlichen Streckmitteln, heißt es in der Petition. Außerdem werde mafiösen Strukturen auf dem Schwarzmarkt Geld entzogen und die Polizei entlastet, weil sie Cannabiskonsumenten nicht mehr verfolgen müsse.
Schließlich könne Menschen, die das Mittel aus medizinischen Gründen zu sich nehmen, das Leben erleichtert werden. "Teil eines Cannabis Social Clubs sind Schulungen zur Suchtprävention, so dass Konsumenten besser vor Abhängigkeit geschützt werden", wird Stöcker in der Mitteilung der Piraten zitiert. Antrag wird bearbeitet Voraussetzung ist, dass ein solcher Verein als Modellprojekt überhaupt gestartet wird. Bei der Stadt nimmt man sich des Themas sachlich an: "Jeder hat das Recht darauf, dass eine solche Petition behandelt wird", sagt Steffen Schützwohl, Pressesprecher der Stadt Bamberg. Das Papier werde in der Stadtverwaltung bearbeitet und gehe anschließend in die Fraktionen beziehungsweise den Ältestenrat. Ob es schließlich in einem Senat oder dem Stadtrat unterbreitet werde, hänge davon ab, ob der Antrag zulässig ist. "Wir müssen exakt prüfen, ob das Ziel, das die Petition verfolgt, gegen geltendes Recht verstößt. Falls ja, wäre sie beendet."
Das Gesetz wird wohl den Piraten in der Tat einen Strich durch die Rechnung machen. Zwar ist der Cannabiskonsum an sich straflos. Anbau, Herstellung, Handel, Einfuhr, Ausfuhr, Abgabe, Verkauf oder Erwerb sind dagegen illegal. Dieser sogenannte "Grundtatbestand" ist im Betäubungsmittelgesetz(BtMG) geregelt, wie Oberstaatsanwalt Bernd Lieb erklärt. Ausnahme von der Regelung: "Eine Erlaubnis für die (...) Betäubungsmittel kann das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nur ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erteilen" (Paragraph 3, Absatz 2).
Genau hier schließt die Petition der Piraten an: Die Stadt Bamberg möge sich um eine entsprechende Ausnahmegenehmigung bemühen, wird in der Petition gewünscht. "Natürlich ist mir bewusst, dass die Erfolgschancen eher gering sind", sagt Pirat Stöcker. Doch gebe es durchaus erfolgreiche Drogenmodellversuche. Da der Cannabis Social Club wissenschaftlich begleitet werden und der Umgang mit Drogen in der Gesellschaft untersucht werden soll, spekuliert Stöcker darauf, dass Absatz 2 zur Ausnahmegenehmigung greift. Das Projekt sei zudem von öffentlichem Interesse. Gesetzlich klar geregelt Oberstaatsanwalt Lieb macht da allerdings wenig Hoffnung. "Die Ausnahmegenehmigung bezieht sich auf Arzneimittelhersteller oder wissenschaftliche Institute. Im Falle eines Cannabisvereins halte ich das nicht für realistisch", sagt Lieb. Da müsse schon das Betäubungsmittelgesetz geändert werden. Das wäre dem Deutschen Hanf-Verband und den Bamberger Piraten wohl recht. Stöcker findet: "Cannabis ist im Vergleich eher ungefährlich", und er zitiert Grünen-Bundespolitiker Hans-Christian Ströbele mit "Gebt das Hanf frei".
Davon wäre Winfried Strauch, Leiter des Fachbereichs Gesundheitswesen beim Landratsamt Bamberg, wenig begeistert. "Wir haben genug Probleme mit anderen Drogen wie Alkohol. Cannabis ist nicht ungefährlich, es kann zu Psychosen führen." Diese könnten auch nach dem eigentlichen Rauschzustand bestehen bleiben und sich beispielsweise durch Halluzinationen oder Verfolgungswahn äußern. Längerfristig könne Cannabiskonsum das Gehirn schädigen. Aber: Was die Anwendung von Cannabis im fachlich medizinischen Bereich angehe, gebe es Streitpunkte. "Bei medizinisch induzierten Modellversuchen kann es durchaus positive Ergebnisse geben. Die Modelle müssen jedoch nach genauen Leitlinien straff durchgezogen werden, die Patienten bestimmte Voraussetzungen erfüllen", sagt Strauch. "Doch von einem Verein a la ,Freunde des Cannabis e.V.' halte ich nichts."
Zumindest dem Modellversuch eines Social Cannabis Clubs steht die Mehrzahl der Umfragenteilnehmer auf infranken.de positiv gegenüber: 371 User stimmten insgesamt ab (Stand: 30. August). 66,04% sind für den Modellversuch "Cannabis Social Club", 20,49% dagegen, 11,59% waren der Meinung, es handle sich nur um Wahlkampf und 1,88% haben keine Meinung.
Dann darf der Stadtrat gleich mit darüber diskutieren, mehr Geld für die Folgen von Drogenmissbrauch in seinen Etat einzuplanen. Aber soweit wird es erst gar nicht kommen. Der Papierkorb hat sein gieriges Maul schon weit aufgesperrt.
Dann darf der Stadtrat gleich mit darüber diskutieren, mehr Geld für die Folgen von Drogenmissbrauch in seinen Etat einzuplanen. Aber soweit wird es erst gar nicht kommen. Der Papierkorb hat sein gieriges Maul schon weit aufgesperrt.