Wie viel Barbara mit ihrem Mammut-Job verdient, will sie nicht sagen. Sie lächelt verlegen. Es reiche jedenfalls, um ihre Kinder und die Enkel finanziell zu unterstützen. Erfahrungsgemäß verdienen osteuropäische Frauen wie sie um die 1000 Euro netto, manchmal sogar weniger. Ausschlaggebend sind die beruflichen Erfahrungen, die Sprachkenntnisse und etwas Glück, an eine faire Agentur geraten zu sein.
Über die Zahl, wie viele Betreuungskräfte aus Osteuropa den Weg in deutsche Haushalte suchen, gibt es nur Schätzungen. Die Spanne reicht von 150 000 bis 600 000. Das Problem: Ein Großteil arbeitet schwarz, führt keine Sozialversicherungsbeiträge ab, taucht in keiner offiziellen Statistik auf und beutet sich in aller Regel selbst aus. Nur jede Zehnte verfüge überhaupt über einen Vertrag, schätzen Experten.
Barbara gehört zu dieser Minderheit. Angestellt ist sie wie die meisten über eine Agentur in ihrem Heimatland. Die Schnittstelle nach Franken bildet Schobers Schwiegertochter Johanna.
Die 42-Jährige betreibt gemeinsam mit ihrer Mutter eine eigene Pflegeagentur, über die sie überwiegend polnische Frauen in die Region vermittelt. Ihre Partneragentur in Polen gehört zu den größeren, etwa 380 Portfolios stehen in der Kartei. Vermittelt werden die in aller Regel weiblichen Betreuungskräfte in die Bundesrepublik und nach Luxemburg.
Das funktioniert ganz leicht: Eine Familie nimmt Kontakt zu einer Vermittlungsagentur wie der von Johanna Schober auf. Mit Fragebögen und Beratungsgesprächen werden Betreuungsbedarf und Vorstellungen, was sich die künftigen Gastgeber von der Betreuungskraft erwarten, detailliert geklärt. Ausgestattet mit diesen Angaben wenden sich die deutschen Vermittler an Partnerfirmen im Ausland, die dann passende Leute heraussuchen.
Auch weil solche Angebote wegen des deutschen Pflegemangels unabdingbar sind, boomt das Geschäft. Agenturen schießen wie Pilze aus dem Boden. Wer im Internet nach Angeboten sucht, wähnt sich in einem undurchsichtigen Dschungel. Doch es gibt auch regionale Anbieter, wie etwa die Agentur von Johanna Schober. "Die Nachfrage steigt", sagt sie. Ihre Agentur besteht seit 2017, mittlerweile gebe es sogar Wartelisten. Ihrer Meinung nach werde dieses Modell in der Zukunft der häuslichen Pflege weiter einen festen Platz haben.
Den hat auch Barbara bei Georg Schober. "Ich brauche sie eigentlich immer. Hierbleiben geht nur, wenn sie da ist. Und zu Hause ist es doch immer am schönsten", sagt er. Barbara versteht ihn, jedenfalls nickt sie zustimmend. Wie lange sie noch in Deutschland bleiben möchte, mehr als 900 Kilometer entfernt von Zuhause? Sie tritt aus der Küche heraus, stützt den Kochlöffel in die Hüften. Überlegt. Dann antwortet sie leise, kaum hörbar, natürlich wieder auf polnisch: "Solange ich Kraft habe, werde ich weitermachen."
Eine echte Wahl bleibt ihr nicht. Allenfalls die Hoffnung, selbst einmal gepflegt zu werden, wenn es denn nötig sein sollte. Von wem auch immer.
Wie lässt sich eine 24-Stunden-Kraft finanzieren?
Kaum bezahlbar ist die Rund-um-die-Uhr-Betreuung eines ambulanten Pflegedienstes. Laut Recherchen der Stiftung Warentest geht der monatliche Betrags ins Fünfstellige.
Ausländische Kräfte sind billiger. Familien müssen in etwa denselben Eigenanteil wie für einen Heimplatz einplanen. Der Großteil der Kosten muss selbst getragen werden. Unterstützung bringt das Pflegegeld und mitunter die Verhinderungspflege. Pflegegeld gibt es, wenn ehrenamtliche Personen die häusliche Pflege übernehmen, etwa Familienangehörige oder Nachbarn. Hierein zählen auch die Betreuungskräfte aus dem Ausland. Der Pflegebedürftige (oder ein Bevollmächtigter) erhält das Pflegegeld gestaffelt, ab Pflegegrad 2: 316 Euro (2), 545 Euro (3), 728 Euro (4) oder 901 Euro (5).
Verhinderungspflege Die Pflegekasse übernimmt Kosten für maximal 6 Wochen pro Jahr (Nachweis!), wenn jemand bereits sechs Monate vorher zu Hause gepflegt wurde (mindestens Pflegegrad 2). Jährlich gibt es dafür 1612 Euro.
Anstellung mit Fallstricken: So klappt's mit der ausländischen Betreuungskraft
Pflege-Unterstützung Viele Pflegebedürftige fühlen sich am wohlsten in den eigenen vier Wänden. Weil Angehörige eine durchgängige Versorgung in der Regel nicht alleine leisten können, suchen sie Unterstützung. Vor allem durch Personal aus dem osteuropäischem Ausland. Doch wie geht das?
1. Selbst Arbeitgeber werden
- in der EU gilt Arbeitnehmerfreizügigkeit, eine Erlaubnis ist also nicht nötig
- zu zahlen ist mindestens der deutsche Mindestlohn (zur Zeit 9,19 Euro/Stunde)
- weiter fallen an: Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung (Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung), Beiträge für die Berufsgenossenschaft
- Haushalte müssen mit mindestens 2000 Euro im Monat rechnen, zuzüglich Kosten für Internet, Telefon, Heimfahrten etc
- 24-Stunden-Betreuung durch eine Person ist nicht zulässig, die tägliche Arbeitszeit darf 8 Stunden nicht überschreiten; in Vollzeit besteht Anspruch auf 24 Tage Urlaub/Jahr
2. Über Vermittlungsagentur
- ein ausländischer Dienstleister übernimmt die Arbeitgeberpflichten, deutsche Agenturen helfen bei der Vermittlung
- Haushalte schließen in der Regel Verträge mit beiden ab, die Betreuungskräfte wechseln normalerweise alle paar Wochen oder Monate
- Kosten: mindestens 2000 Euro, plus Agenturgebühren
Kunden sollten einige Punkte unbedingt beachten:
1. Bedarf genau klären (Agenturen suchen etwa über Fragebogen geeignete Betreuer
2. Sprachkenntnis (je besser, desto teurer in der Regel)
3. Wohnsituation klären (eigenes möbliertes Zimmer, evtl. Bad, Internet, Telefon)
4. A1- Bescheinigung: Unbedingt zeigen, ggf. eine Kopie aushändigen lassen (weist nach, dass Betreuungskraft in Heimatland sozialversichert ist)
5. Verträge sorgfältig prüfen
3. Selbstständige Pflegekraft
Die Selbstständigen bewegen sich oft in einer rechtlichen Grauzone zur Scheinselbstständigkeit. Experten raten davon ab. Quellen: Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, Stiftung Warentest