Aufwendig und anders: vegan in Bamberg

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Max hilft seiner Mutter Cathleen Fröhlich gerne beim Vorbereiten. Bis eine Pizza belegt ist, muss viel Gemüse geschnippelt werden. Foto: Sarah Dann
Max hilft seiner Mutter Cathleen Fröhlich gerne beim Vorbereiten. Bis eine Pizza belegt ist, muss viel Gemüse geschnippelt werden.  Foto: Sarah Dann

Für die einen ist es eine Modeerscheinung, für die anderen eine Haltung. Für Cathleen Fröhlich bedeutet "vegan" vor allem: gesunde Ernährung. Um auf alle tierischen Produkte zu verzichten, braucht es viel Zeit und noch mehr Wissen.

"Ich will Fleisch!" - Grundsätzlich ist an dieser Forderung noch keine Kuriosität erkennbar. Doch der vierjährige Max Fröhlich ist zu 99,9 Prozent Veganer. Wenn es ihm also nach Fleisch gelüstet, steht seine Mutter vor der Herausforderung, herauszufinden, welches Fleisch er gerne essen möchte. Und dieses dann auch - als Veganerin - für ihn zu kochen. Denn: "Ich hab ihn nicht auf 100 Prozent vegan", sagt Cathleen Fröhlich. Das ist auch gar nicht ihr Ziel. "Ich möchte ihn zu einem selbstständig denkenden Menschen erziehen", sagt sie.

Das scheint zu funktionieren: Wenn Max auf seinen Hochstuhl klettert und von Rührei redet, meint er Tofu-Rührei. Und wenn er mal wieder Fleisch will, meint er Pflanzenfleisch. Hätte er mal wieder unbedingt ein Schweineschnitzel essen wollen, hätte er das auch bekommen. Fröhlich sieht das bei ihrem Sohn "nicht dogmatisch, bei mir selbst bin ich eher streng, ja".

Über Nicht-Veganer, die veganes Essen grundsätzlich verteufeln und auch mal einen bösen Kommentar fallen lassen, ärgert sich Fröhlich nicht mehr. Im Gegenteil, Fröhlich kontert: "Noch nie Nudeln mit Tomatensoße gegessen?" Rezepte sammeln sich nach und nach an; mal wirft sie einen Blick ins Kochbuch, mal ins Internet. "Ich finde es immer wieder ziemlich cool, wenn ich Gerichte finde, die schon immer vegan waren", sagt die Bambergerin, die neben ihrem eigenen Sohn an den Wochentagen meist noch drei Tageskinder versorgt. Vegan, versteht sich.

Den Essensplan für jede Woche veröffentlicht Fröhlich auf Facebook. Zum Mittagessen gibt es für den Nachwuchs Pfannkuchen, Pizza, Auflauf... - erst bei Kartoffeln und Porree liegt der "Vegan-Verdacht" nahe. "Schmeckt nicht" gilt bei Fröhlich erst, wenn probiert wurde. Genäschige Kinder hat Fröhlich nur selten um den Mittagstisch sitzen. Für Fröhlich liegt das schlichtweg daran, dass die Kinder von klein auf sehen: "Gemüse ist lecker, das schmeckt auch."


Wandel der Ernährung

In den letzten Jahren hat sich in Sachen Ernährung viel getan. Die Bambergerin Sylvia Scheinost hat vor 18 Jahren noch lange suchen müssen, bis sie einen Kindergarten fand, in dem ihr Kind das Essen selbst mitbringen durfte. "Bei den städtischen Kindergärten gab es keine Chance auf ,vernünftige' Ernährung", sagt Scheinost im Rückblick. "Alle hätten das gleiche essen müssen, damit sich nicht das eine oder andere Kind durch sein Essen heraus hebt."

Auffallen würde ein Kleinkind, das nur vegan isst, wohl noch heute. So beispielsweise in der Bamberger Kindertagesstätte Philippus. Dreimal in der Woche wird zwar vegetarische Kost serviert, sagt Sabine Schubert, aber: "Vegetarisch ist noch nicht der Normalfall." Für ausländische Kinder gibt es Mittagsessen ohne Schweinefleisch. Möglich wäre eine andere Ernährung also grundsätzlich schon. Nur ist für Schubert vegetarisch oder vegan eine "teure Angelegenheit", und "man müsste schauen, ob alles dabei ist, was die Kinder an Nährstoffen und so weiter brauchen", überlegt die Leiterin der Kindertagesstätte.

Dass Vegansein im Alltag hin und wieder kompliziert ist, weiß Sylvia Scheinost: "Die Erzieherinnen können es kaum leisten, wenn bei Geburtstagsfeiern ein Kind etwas mitbringt und sie darauf achten müssen, welches Kind was nicht essen darf." In ihren Augen ist "es eine echte Herausforderung", auch weil es mittlerweile so viele Allergien gibt. Von Unverträglichkeiten kann auch Carina Postler vom AWO-Kinderhaus "Am Hauptsmoorwald" erzählen. Sie findet, dass es "schlimmer ist, wenn die Kinder etwas nicht essen dürfen", weil sie beispielsweise allergisch darauf reagieren. Auch hier ist "vegan eigentlich noch gar kein Thema", sagt Postler. Im Kinderhort gibt es drei Vegetarier und einige muslimische Kinder, die kein Schweinefleisch essen dürfen: "Die achten da selbst darauf und fragen ,Darf ich das essen?'", erzählt Postler. Ein Kind ablehnen, weil es sich vegan ernährt, würde das Kinderhaus laut Postler nicht. Obwohl: "Vegetarisch ist einfach, vegan ist da schon schwieriger", sagt Postler. Wenn es so weit wäre, müssten die Erzieherinnen beim Einkaufen noch stärker darauf achten, welche Produkte im Einkaufswagen landen dürfen.

Wie jedes Kind, spitzt auch Max mal in die Vesperdose seines Nachbarn. An den meisten Tagen ist der Vierjährige aber mit seinem Pausenbrot zufrieden. Schließlich würde er ja was anderes bekommen, wenn er seine Mutter darum bitten würde. Für Max gehört Vegansein von Geburt an dazu. Seine Mutter, Cathleen Fröhlich, hat sich erst während der Schwangerschaft Gedanken zu ihrer Ernährung gemacht. Angefangen hat bei ihr alles mit der sogenannten 30-Tage-Challenge, die zum Vegansein motivieren soll. Dann ist sie dabei geblieben und stand schließlich vor der Überlegung: "Gebe ich meinem Sohn Fleisch, das mit Antibiotika und anderem belastet ist, oder gebe ich ihm ein paar Tropfen Nahrungsergänzungsmittel", erklärt sie. Heute fühlt sie sich in ihrer Entscheidung bestätigt: "Für mich ist Fleisch mittlerweile unnatürlicher als ein paar Tropfen B 12." Mit ihrem Kinderarzt hat Fröhlich immer wieder im Blick, dass es Max an nichts fehlt, um groß und stark zu werden.

Ernährungsberaterin Gertraud Haberecht warnt vor Mangelerscheinungen: "Bei veganer Kost können leicht Mangelerscheinungen auftreten, ausgelöst zum Beispiel durch zu wenig Eisen, Jod, Kalzium, Vitamin D, B12...", so Haberecht. In ihren Augen erfordert vegane Kost viel Wissen, Zeit und regelmäßige Kontrollen. "Gefährliche Mängel lassen sich nur durch kluges Kombinieren und Einhaltung von Vorsichtsregeln vermeiden", sagt die Expertin. Fröhlich selbst hat diese Herausforderungen angenommen. Von Behauptungen, wie Veganern würden generell Nährstoffe fehlen, hält sie nicht viel. Wer darüber mit ihr diskutieren will, muss erstmal selbst wissen, wie viel Gramm Eiweiß ein Mensch in welchem Alter braucht...