Marko Flieger hat die Entwicklung des Ebracher Gefängnisses in einer Chronik zusammengefasst. Bei den Recherchen ist er auch auf allerhand Kurioses gestoßen, unter anderem auf den Augenzeugenbericht über die letzte Hinrichtung mittels Guillotine.
Eigentlich wollte Marko Flieger als Personalratsvorsitzender nur die Intranetseite der Ebracher JVA attraktiv gestalten. Mit Bildern aus dem Gefängnis. Zweieinhalb Jahre später ist daraus ein Buch geworden, das Einblick in die Geschichte des Strafvollzugs in Ebrach gibt. Bereits die Hälfte der Auflage ist verkauft, und auch das Museum der Geschichte Ebrachs profitiert von Fliegers Recherchen zur Chronik "JVA Ebrach 1851 -2013".
Beeindruckt vom Besuch einer Ausstellung zum Thema Vollzug im Museum der Geschichte Ebrachs hatte er die Intranetseite optimieren wollen. Historische Aufnahmen schienen dem Vollzugsbeamten besonders geeignet, Interesse zu wecken. Sein Faible für Vollzugsdokumente hatte er in jener Zeit entdeckt, in der er beruflich in Stadelheim eingesetzt war. 1999 kam Flieger wieder zurück an die Justizvollzugsanstalt Ebrach, wo er seine Ausbildung im Vollzugsdienst begonnen hatte.
Sensibilisiert für Vollzugs-Dokumente stieß er in Ebrach schnell auf historische Aufnahmen aus dem Knast. Es gibt hier ebenfalls ein kleines Archiv, das in der alten Post untergebracht ist. Hier und bei der anstaltseigenen Bauabteilung entdeckte er so manches, das er nach und nach für die Intranetseite verwendete. Jede Woche ein anderes Motiv.
Zuerst suchte Flieger in den unterschiedlichen Abteilungen nach Bildmaterial oder Dingen, die er für die Seite fotografieren konnte. Wegen seiner Sondermission durfte er auf Dachböden und in allen Räumlichkeiten "stöbern". Je erstaunlicher die Funde, desto größer wurde das Interesse an der Seite. Eine seiner skurrilsten Entdeckungen etwa war ein komplettes Chirurgenbesteck.
Übers Intranet gelangen die JVA-Mitarbeiter zu allen Formularen, die sie als Bedienstete benötigen.
Man erhält zudem eine Übersicht, welche Gefangene sich gerade in welchen Lehrgängen befinden. Mit einem anderen Mausklick gelangt man zu den für Ebrach geltenden speziellen Dienstvorschriften. "Aber auch ein ,Schwarzes Brett', auf dem JVA-Beschäftigte Dinge suchen oder anbieten können", findet sich hier, so Flieger weiter. Jedenfalls wurde die Intranetseite mit dem wöchentlich wechselnden Bild - sowohl historische wie auch aktuelle - immer beliebter und die Forderung nach einer Zusammenstellung aller verwendeten Bilder laut. Das war dann der Ausgangspunkt für die Chronik, erinnert sich der 41-Jährige.
Zweieinhalb Jahre Arbeit stecken in dem 130-seitigen Werk. Das konnte natürlich nur mit Zustimmung von Anstaltsleiter Gerhard Weigand entstehen. "Der Chef" hatte Flieger schon die Gestaltung der Intranetseite genehmigt und unterstützte dann auch das Buchprojekt.
Dafür war freilich auch Geld erforderlich.
Die benötigte Unterstützung kam vom anstaltseigenen Personalverein. Gut 120 der insgesamt knapp 300 JVA-Mitarbeiter gehören dazu. Flieger freut sich über die finanzielle Hilfe und nennt stellvertretend für alle Vereinsvorsitzenden Dietmar Weinbeer.
300 Exemplare stark ist die erste Auflage des bunt bebilderten Werkes, die Hälfte mittlerweile schon verkauft. Gerade die Familien der in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Beschäftigten wollen das Buch haben. "Damit können die Väter besser erklären, wo sie arbeiten und wie es in der JVA so aussieht", macht Flieger deutlich. Schließlich kann man ja nicht einfach so ins Gefängnis hereinspazieren und Dinge zeigen.
Kein wissenschaftliches Werk Flieger kam es schließlich nicht darauf an, ein wissenschaftliches Werk herauszubringen, sondern ein anschauliches Buch, das jeder lesen kann und versteht.
In der Hauptsache lebt es von den Bildern. Freilich musste der Autor für den einen oder anderen Beitrag intensiv im Bamberger Staatsarchiv recherchieren. Je mehr er eintauchte, desto mehr zog ihn alles in seinen Bann.
Eines der Kapitel, das es Flieger besonders angetan hat, ist das zur letzten Hinrichtung im Ebracher Gefängnis 1933. Dazu musste die Guillotine eigens gebracht werden und der letzte Wunsch des Hingerichteten war: ein Kasten Bier. Ein Originalfoto der Guillotine hatte er zwar nicht auftreiben können, dafür eines aus Wikipedia. Das genügte, weil damals alle in Bayern verwendeten Enthauptungsvorrichtungen baugleich waren.
Im Vergleich dazu ist die Darstellung der jeweiligen Bediensteten-Uniformen vermutlich weniger spannend, bildet aber gleichfalls ein aufschlussreiches Kapitel der Anstaltsgeschichte. Dafür hat Flieger Kollegen auch von anderen der insgesamt 36 bayerischen Justizvollzugsanstalten um Mithilfe gebeten.
Die Uniform muss jeder Bediensteter selbst besorgen und bezahlen, "sie gehört einem also". Einen Teil dessen, was Kollegen da zur Verfügung stellten, durfte der Ebracher behalten - für das Museum der Geschichte Ebrachs. Wohl eine besondere Bereicherung, zumal die lebensgroßen Puppen einen realistischen Eindruck geben.
Stolz gehört dazu Angesichts der unerwartet hohen Resonanz ist Flieger nun schon ein bisschen stolz auf sein Werk. Dieses kann an der Torwache des Gefängnisses, im Museum der Geschichte Ebrachs und bei der örtlichen Sparkassen-Zweigstelle zum Preis von 20 Euro erworben werden.
Was eventuell unterm Strich nach Abzug der Kosten (ungefähr 4200 Euro) übrig ist, verbleibt beim Verein und damit im Gefängnis.