Wahlkreis Bad Kissingen hat drei Frauen in Berlin

3 Min
Die Podiumsdiskussion der Saale-Zeitung war im Wahlkampf das einzige Aufeinandertreffen der drei Direktkandidatinnen Dorothee Bär (CSU, von links), Sabine Dittmar (SPD) und Manuela Rottmann (Grüne). Nun werden sie sich bald im Bundestag wiedersehen, weil der Wahlkreis - vermutlich als einziger bundesweit - drei Frauen ins Parlament entsendet. Foto: Matthias Hoch
Die Podiumsdiskussion der Saale-Zeitung war im Wahlkampf das einzige Aufeinandertreffen der drei Direktkandidatinnen Dorothee Bär (CSU, von links), Sabine Dittmar (SPD) und  Manuela Rottmann (Grüne). Nun werden sie sich bald im Bundestag wiedersehen, weil der Wahlkreis - vermutlich als einziger bundesweit - drei Frauen ins Parlament entsendet.  Foto: Matthias Hoch

Dorothee Bär analysiert am Tag nach der Wahl das Ergebnis erst im CSU-Vorstand und dann in der ARD. Rottmann muss sich erst einmal eine Wohnung suchen.

Als "Mega-Ergebnis" bezeichnete Dorothee Bär gestern am Tag nach der Bundestagswahl ihr Abschneiden im Wahlkreis. Nach der ersten Hochrechnung mit 38 Prozent für die CSU habe sie selbst nicht mehr mit einem Wert von mehr als 50 Prozent gerechnet. "Man kann sich einem Bundestrend nie ganz entziehen", sagt sie. Dass es am Ende das drittbeste Erststimmen-Ergebnis in Bayern und das zehntbeste in ganz Deutschland wurde, sieht sie als großen Erfolg an.

Mehrere Stunden analysierte Bär gestern in München zusammen mit dem CSU-Vorstand den Ausgang der Wahl. Dass kein einziger Kandidat über die Liste in den Bundestag einzieht, bedauere sie sehr. Gerade auf der Liste könnten die Kandidaten von Junger, Frauen- oder Mittelstandsunion platziert werden. "Beim Direktmandat kann man natürlich nicht auf diese Ausgewogenheit achten." Bär selbst zog zwei Mal über die Liste in den Bundestag ein, bevor sie 2009 die Nachfolge von Direktkandidat Eduard Lintner antrat.

"Ich habe mich sowas von rein gehängt", blickt Bär auf den anstrengenden Wahlkampf zurück. Und das geht gleich weiter: Gestern ging es nach der Vorstandssitzung zur Fernsehsendung "Hart, aber fair", heute steht in Berlin unter anderem die Wahl des Landesgruppen-Chefs an. Dafür ist laut Bär ihr bisheriger Chef Alexander Dobrindt vorgesehen. Das hat Folgen: "Wenn er Landesgruppen-Chef wird, wird er der neuen Regierung nicht angehören", legt sich Bär fest, dass der Verkehrsminister nicht weiter macht. Was das für sie selbst bedeutet und ob sie Parlamentarische Staatssekretärin bleibt, kommentiert die Ebelsbacherin dagegen nicht. Zunächst müssten jetzt die Koalitionsverhandlungen geführt werden. "Jeder hat die Pflicht, mit allen zu reden", gibt sie als Devise aus. "Viel Trennendes und viel Gemeinsames", sieht Bär mit Grünen und FDP, und: "Es kommt viel auf die Inhalte und die handelnden Personen an."

Allerdings erwartet sie langwierige Verhandlungen: Vor vier Jahren habe sie selbst an vier Verhandlungsrunden teilgenommen, eine habe sie sogar geleitet. Deshalb geht sie auch jetzt davon aus, im Namen der CSU bei der Regierungsbildung mitsprechen zu können. 2013 sei sie am 17. Dezember vereidigt worden. Heuer könne es noch länger dauern: "Ich weiß nicht, ob es heuer noch eine neue Regierung gibt." Auf alle Fälle würden erst die Inhalte verhandelt, erst dann gehe es ums Personal: "Letztes Mal habe ich drei Tage vor der Vereidigung den Anruf bekommen, dass ich Staatssekretärin werden soll."

Ganz andere Sorgen hat die neue Grünen-Bundestagsabgeordnete Manuela Rottmann: "Ich habe nicht dafür geplant", sagt die Hammelburgerin am Tag nach der Bundestagswahl. Sie sitzt gerade im Zug nach Berlin. "Vorerst wohne ich bei Freunden, jetzt muss ich mir erst einmal eine Wohnung suchen", erzählt sie. Als Anfängerin will sie sich nun erst einmal einarbeiten, heute stehe die erste Fraktionssitzung an, bislang sei sie aber noch gar nicht zum Telefonieren mit anderen Abgeordneten gekommen. "Ich habe ständig Presse-Anfragen", berichtet sie. Schließlich sei Unterfranken zum ersten Mal seit dem Ausscheiden von Hans-Josef Fell wieder im Bundestag vertreten gewesen. Zudem gibt es viele Nachfragen, weil Rottmann Erfahrungen mit einem schwarz-grünen Bündnis hat: Als Dezernentin arbeitete sie mit der CDU-Oberbürgermeisterin Petra Roth zusammen.
"Wir müssen mit allen reden, aber der Regierungsauftrag liegt bei der Union", kommentiert Rottmann mögliche Koalitionen, und: "Wir können der Union keine Ratschläge geben." Besonders schwierig stellt sich die Hammelburgerin die Zusammenarbeit mit der CSU vor: "Wenn Seehofer weiter nach rechts will, wird es schwierig." Aus Rottmanns Sicht sollten die Grünen nur in die Regierung gehen, wenn es dadurch bei wichtigen Themen wie Klima-Schutz oder Renten-Politik Fortschritte gebe.

Auch Sabine Dittmar hat heute ihre erste Fraktionssitzung in Berlin. Bisher gehörte sie dem Fraktionsvorstand an, wie es weitergeht und wer neuer Fraktionssprecher wird, sei völlig offen: "Das wird jetzt alles zu diskutieren sein." Gestern hatte Sabine Dittmar zunächst eine Sitzung des Rot-Kreuz-Landesvorstandes in München. Deshalb habe sie auch noch keine Zeit für eine genaue Analyse, aber: "Es freut mich, dass das Erststimmen-Ergebnis über dem bei den Zweitstimmen liegt, das sehe ich als Bestätigung für meine Arbeit." Im Bundestag sieht die Ärztin auch in Zukunft die Gesundheitspolitik als Schwerpunkt, allerdings sei es noch zu früh, um über Ämter und Funktionen zu sprechen.


Zufrieden ist ödp-Kandidatin Michael Reinhard mit ihrem Ergebnis: "Auf Bundesebene haben wir unser Ziel verpasst", kommentiert sie die 0,3 Prozent der Zweistimmen. 1,23 Prozent der Erststimmen im Wahlkreis und bis zu 3,25 Prozent in einzelnen Kommunen seien im Vergleich positiv. "Ich hatte viele gute Gespräche an den Info-Ständen", erzählt die Bad Kissingerin, umso geschockter sei sie über das AfD-Ergebnis. Für die politische Zukunft und die Landtagswahl im kommenden Jahr habe sie bislang noch keine Pläne.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, dessen Familie aus Bad Brückenau stammt, hat die Vertreter der demokratischen Parteien im neuen Bundestag aufgefordert, die AfD als inhaltsleer zu entlarven. Es sei jetzt Aufgabe der anderen Parteien, in der politischen Diskussion aufzuzeigen, dass die AfD keine Konzepte und Lösungen für die Sorgen der Menschen habe, sagte Schuster am Montag im Südwestrundfunk (SWR).
Zugleich relativierte Schuster die Bedeutung des Wahlerfolgs der AfD: Mitunter habe er während des Wahlkampfs den Eindruck gehabt, dass es "eigentlich nur noch um die AfD" gehe. Fakt sei aber, dass "am Ende des Tages knapp 87 Prozent der Bevölkerung andere Parteien gewählt haben". Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis wird die AfD mit 12,6 Prozent der Stimmen als drittstärkste Kraft in den Bundestag einziehen.
Schuster warnte davor, die AfD im Umkehrschluss zu unterschätzen. Die "Alternative für Deutschland" sei zwar "keine Nazi-Partei", sagte der Zentralrats-Präsident. Aber bei einigen Wahlkämpfern und wohl auch künftigen Mandatsträgern seien Parolen zu hören gewesen, die ihn, Schuster, sehr an die Nazizeit erinnert hätten.