Vögel - im Winter füttern oder nicht?

3 Min
Ein Kleiber holt sich einen Sonnenblumenkern aus dem Futterring, während sich die Blaumeise am Knödel labt. Foto: Kathrin Kupka-Hahn
Ein Kleiber holt sich einen Sonnenblumenkern aus dem Futterring, während sich die Blaumeise am Knödel labt. Foto: Kathrin Kupka-Hahn
Auch dieses Holzfutterhaus wird gut angenommen: Hier holt sich eine Sumpfmeise Futter. Foto: Kathrin Kupka-Hahn
Auch dieses Holzfutterhaus wird gut angenommen: Hier holt sich eine Sumpfmeise Futter. Foto: Kathrin Kupka-Hahn
 

Meisenknödel, Körnermischung, Kraftfutter: Brauchen die Vögel jetzt schon das Zusatzangebot des Menschen auf Terrassen und Balkonen wirklich, um überleben zu können?

Morgens halb acht in Zahlbach. Der Morgendunst verzieht sich, die Sonne bricht durch. Wie aus dem Nichts tauchen plötzlich Vögel auf: Blau- und Kohlmeisen, Kleiber und Sumpfmeisen schwirren ums Haus. Innerhalb kürzester Zeit fliegen sie Runde um Runde, immer den Schnabel voll. Schließlich finden sie bereits auf Balkon und Terrasse eine gute Auswahl an Futter: Meisenknödel, eine Fett-Körner-Mischung in der Kokosnuss und Sonnenblumenkerne im Vogelhaus.
Die Tiere haben das innerhalb kürzester Zeit weggepickt, und meistens gibt es gleich Nachschub.
Josef May kann darüber nur den Kopf schütteln. "Ich bin gegen eine zusätzliche Fütterung der Wildvögel", sagt er. May ist Ansprechpartner für den Bund Naturschutz im Markt Burkardroth. Seines Erachtens solle man nicht in die Natur eingreifen. Vögel, die krank und schwach sind, würden ohne dieses zusätzliche Füttern den Winter über sterben. "Aber wir Menschen bringen sie mit unserem großzügigen Angebot durch", erklärt der Naturschützer. Die natürliche Auslese würde so gestört.


Verwöhnt und faul

Als weiteres Problem sieht er, dass die Vögel verwöhnt, ja fast schon faul werden und nicht mehr so intensiv auf Insektenjagd gehen wie früher. Das begünstige wiederum die Vermehrung von Schädlingen. "Bei solch milden Wintern, wie wir sie seit Jahren haben, finden die Vögel genug davon unter den Baumrinden", erklärt er. Lediglich wenn meterhoher Schnee liegt, sollte man zusätzliches Futter anbieten. "Da die Vögel dann wirklich nichts mehr zum Fressen finden", so May.
"Vom Prinzip her hat er Recht - und auch wieder nicht", sagt Dieter Fünfstück, der in Oerlenbach lebt und sich schon seit 40 Jahren beim Landesbund für Vogelschutz (LBV) ehrenamtlich engagiert. Schließlich habe der Mensch schon genügend in die Natur eingegriffen, so dass das Füttern durchaus sinnvoll sein kann.
"Vor allem die Vögel in der Flur, wie etwa der Stieglitz, Vogel des Jahres 2016, oder die Goldammer, finden kaum noch etwas zum Fressen", argumentiert er. Ein Grund dafür ist für den 68-Jährigen die veränderte wirtschaftliche Nutzung der Äcker und auch der Wälder. Zudem sei in etlichen Siedlungen das Nahrungsangebot für Vögel sehr spärlich. In vielen Gärten vor und hinter den Häusern mangele es vor allem an Stauden, Hecken und Sträuchern, die mit ihren Beeren und Samen ausreichend Nahrung für Vögel liefern. Doch stattdessen würden immer mehr Rasen- und auch Steinflächen in den Gärten angelegt. "Durch das zusätzliche Füttern werden unsere einheimischen Vogelarten unterstützt. Ohne sie würden etliche zurückgehen oder auch ganz verschwinden", so Fünfstück.


Im Schnitt 39 Vögel im Garten

Das bestätigen auch die Zahlen vom Naturschutzbund (Nabu). Seit fünf Jahren veranstaltet dieser gemeinsam mit dem LBV die "Stunde der Wintervögel". Bei dieser sind Naturfreunde Anfang Januar dazu aufgerufen, eine Stunde lang die Vögel am Futterhäuschen, im Garten, auf dem Balkon oder im Park zu zählen. Das Ergebnis kann dann übers Internet, per Post oder telefonisch gemeldet werden. Mit dieser Aktion wollen die Naturschützer herausfinden, wie sich die Allerweltsvögel in unseren Gärten entwickeln. Die nächste Zählung ist vom 8. bis 10. Januar 2016 geplant.
Im Januar dieses Jahres hatten mehr als 77 000 Vogelfreunde aus ganz Deutschland an der Aktion teilgenommen und über zwei Millionen Vögel in 53 000 Gärten und Parks gezählt. Somit leben in jedem Garten durchschnittlich 39 Vögel.


Der Jahreszeit angepasst

"Dabei baute der Haussperling seine Spitzenposition gegenüber der Kohlmeise weiter aus. Auf den Bronzerang rückte der Feldsperling vor, gefolgt von Blaumeise, Amsel, Grünfink und Buchfink. Elster, Rabenkrähe und Rotkehlchen", ist auf der Nabu-Homepage nachzulesen. Insgesamt sind bei der jüngsten Aktion 161 verschiedene Vogelarten gemeldet worden, darunter auch etliche Wintergäste aus Nord- und Osteuropa, zum Beispiel Rotdrosseln und Seidenschwänze.
"Die Fütterung von Wintervögeln ist vollkommen sinnlos", antwortet Roland Lenhart, Leiter der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt, auf Nachfrage der Zeitung. Alle Tiere, die den Winter in unseren Breiten verbringen, hätten sich im Laufe der Evolution an die widrigen Umstände in der kalten Jahreszeit angepasst.
Für deutlich wichtiger hält Lenhart eine "Sommerfütterung". Damit meint Lenhart jedoch keine Meisenknödel oder sonstiges Futter. Vielmehr ist ihm wichtig, die Gärten und freie Natur so zu gestalten, dass Vögel immer ausreichend natürliche Nahrung finden. So sollten im Garten einheimische und keine exotischen Pflanzen und auch mal Unkräuter wachsen dürfen. Diese seien Grundlage für die Entwicklung von Insekten, die wiederum das Gedeihen von Vögeln garantieren. "Man muss sich nur vom typisch deutschen Sauberkeitsfimmel lösen", sagt Lenhart. Auch in der freien Landschaft sollte nicht jeder Graben, nicht jeder Weg gemulcht werden und Flächen auch mal brach liegen.
Insgesamt betrachtet gibt es also Argumente für und auch gegen eine zusätzliche Fütterung. "Es muss halt jeder mit sich selbst ausmachen, ob er füttert oder nicht", sagt schließlich Vogelexperte Dieter Fünfstück.