Verdi hat für Freitag, 7. Dezember, eine Urabstimmung über Streiks angesetzt. Geschäftsführer Michael Garhamer hat die Ankündigung kalt erwischt.
                           
          
           
   
          Heute wird's ernst  bei den Stadtwerken Bad Brückenau: Verdi hat überraschend eine Urabstimmung über unbefristete Streiks angekündigt. Ab 12.30 Uhr stimmen die gewerkschaftlich organisierten Mitarbeiter der Stadtwerke ab, wie es weiter gehen soll. "Ich bin sehr enttäuscht über das Vorgehen der Gewerkschaft", kommentiert Stadtwerke-Geschäftsführer Michael Garhamer die Eskalation. Betriebsratsvorsitzende Sigrid Schnarr, die auch der Tarif-Kommission angehört, verteidigt dagegen das Vorgehen: "Wir geben nicht auf: Wir wollen keine Spaltung der Kollegen", lautet ihre Ansage.
       
Ende 2016 folgte Garhamer dem langjährigen Geschäftsführer Günther Schneider nach. Dabei übernahm er offenbar auch eine Altlast, die Jahre lang im Verborgenen schlummerte: Wie viele andere Kommunen hatte auch  die Stadt Bad Brückenau im Jahr 2002 ihre Stadtwerke privatisiert. Nur die Abwasserbehandlung blieb ein Eigenbetrieb, alle anderen Geschäftsfelder - von Gas über Strom und Wasser bis zur Therme "Sinnflut" - gingen in eine GmbH über. Damit wurde der Bundesangestellten-Tarifvertrag (BAT) ausgehebelt, der 2006 durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) ersetzt wurde.
Grahamer selbst hat laut eigener Aussage  die Tariffrage gleich nach seinem Amtsantritt aufgebracht: "Wir hatten fünf unterschiedliche Regelungen", erinnert er sich: von Mitarbeitern im Gastro-Bereich bis zu den Kollegen im Eigenbetrieb, für die Garhamer auch als Werkleiter zuständig ist. Insgesamt beschäftigen die Stadtwerke aktuell 83 Mitarbeiter, elf davon seien allerdings von der Stadt abgestellt. Nach der Betriebsversammlung am 28. November ging Garhamer davon aus, dass der Tarif-Streit erledigt ist: "Wir sind zum 1. November dem  Kommunaler Arbeitgeberverband KAV beigetreten", sagte er gestern auf Nachfrage. Damit gelte für alle der TVöD. Im kommenden Jahr solle zudem für den Versorgungsbereich der weiter gehende Tarifvertrag für Versorgungsbetriebe (TVV) kommen.
Altersvorsorge läuft bereits
Gleichzeitig schlossen sich die Stadtwerke der Bayerischen Versorgungskammer an, sprich: Seit dem vergangenen Monat werden Beiträge für eine Altersvorsorge gezahlt, also einer Art Betriebsrente für alle. "Das kostet uns weit über 100 000 Euro im Jahr", sagt Garhamer über die Kosten für die jetzige Lösung. Außer der Altersversorgung merke das der einzelne Arbeitnehmer noch nicht auf dem Lohnzettel: Die Tarife würden voraussichtlich im März umgestellt, aber es gebe Nachzahlungen, verspricht Garhamer und bittet um Verständnis: "Es müssen alle Arbeitsverträge angepasst werden, wir sind nur ein kleines Team." Deshalb hatte Garhamer auch gehofft, dass der Beitritt zum KAV mit einem Streikverbot verbunden ist.
Öztürk: "Keine Friedenspflicht"
"Da täuscht sich der Geschäftsführer, es herrscht keine Friedenspflicht", betont dagegen Verdi-Verhandlungsführer Sinan Öztürk. Bisher hätten die Stadtwerke lediglich den Antrag gestellt, die Entscheidung falle später. Überhaupt seien die  Einführung des TVöD und der Altersvorsorge noch gar nicht offiziell bestätigt. Aber selbst wenn das so stimme: "Das ist nur ein Teil-Erfolg", gibt sich Öztürk  kämpferisch. Und: "Unser Ziel ist ein Tarifvertrag, genauer der Branchenstandard TVV."
Laut Öztürk habe Garhamer selbst im März noch den TVV einführen wollen. Mittlerweile  stellt sich der Stadtwerke-Geschäftsführer allerdings auf den Standpunkt, dass der TVV bei den Stadtwerken Bad Brückenau gar nicht branchenüblich sei, weil die Mehrheit der Beschäftigten nicht im Versorgungsbereich, sondern in der Sinnflut arbeitet. Das habe auch eine Nachfrage beim Bayerischen Gemeindetag ergeben: Bei einer Umfrage teilten nur acht Kommunen mit, dass ihre Beschäftigten in Schwimmbädern nach TVV bezahlt werden, aber 56 nach TVöD. Und: "Der TVöD gilt ja auch für die Stadtverwaltung, die Gewerkschaft sollte ihn nicht schlecht reden, sie hat ihn ja mit den Arbeitgebern selbst ausgehandelt." 
Schließlich seien die Stadtwerke gerade wegen der Therme ein dauernder Zuschuss-Betrieb für die Stadt: Mehr als 200 000 Euro jährlich überweist die Stadt an die GmbH. Dieses Defizit steige bereits jetzt mit Einführung des TVöD erheblich. Ist deshalb die  Eigenständigkeit der Stadtwerke gefährdet? "Aktuell sehe ich noch keine Gefahr, aber das Fortbestehen wird nicht erleichtert", sagt Garhamer dazu.