Ukrainische Ärztin Larisa Kisliak aus Bad Kissingen: nach Frontreise entschlossener denn je

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Die Bad Kissinger Ärztin Larisa Kisliak konnte ihrten Bruder Maxin in der Ostukraine treffen. Auch ansonsten war es eine eindrückliche Reise in ihre Heimat. Foto: Selfie Kisliak
Die Bad Kissinger Ärztin Larisa Kisliak konnte ihrten Bruder Maxin in der Ostukraine treffen. Auch ansonsten war es eine eindrückliche Reise in ihre Heimat.  Foto: Selfie Kisliak
Eindrücke aus Pawlograd kurz hinter der Front: verbarrikadierte Hauseingänge und zugenagelte Fenster. Foto: Larisa Kisliak
Eindrücke aus Pawlograd kurz hinter der Front: verbarrikadierte Hauseingänge und zugenagelte Fenster. Foto: Larisa Kisliak
 
Eindrücke aus Pawlograd kurz hinter der Front: verbarrikadierte Hauseingänge und zugenagelte Fenster. Foto: Larisa Kisliak
Eindrücke aus Pawlograd kurz hinter der Front: verbarrikadierte Hauseingänge und zugenagelte Fenster. Foto: Larisa Kisliak
 

Die ukrainische Ärztin Larisa Kisliak ist zurück von ihrer Reise an die ukrainisch-russische Front und zu ihrem Bruder. Die 36-jährige hat sich verändert, wirkt nachdenklicher, aber auch entschlossener, kämpferischer. Woran das liegt und was sie erlebt hat.

Dieser Moment inmitten abgeblühter Sonnenblumen- und abgeernteter Getreidefelder - er wirkte so idyllisch, friedlich auf Larisa Kisliak. "Das Land war flach, ohne Ende. Die Luft roch noch grün", beschreibt die Ukrainerin, die als Ärztin in Hammelburg und Bad Kissingen arbeitet, ihre Spätsommer-Impression.

Sie blieb der 35-Jährigen im Gedächtnis kleben, auch, weil sie wenig später in der Stadt Pawlograd ganz gegensätzliche Bilder sah: Häuser mit Fenster, die mit Holzbrettern verbarrikadiert waren, mit Sandsäcken geschützte Hauseingänge. Die Bewohner bereiteten sich davor auf Campingkochern ihr Essen, wohlwissend, dass sie so ein noch leichteres Ziel für Raketen darstellen. Doch Strom gibt es in den Orten an und hinter der Front schon lange keinen mehr. Es wäre auch sehr gefährlich, Licht zu machen. Eine von der Zivilisation abgehängte, gefährliche Welt.

Erster Besuch in der Ostukraine

Larisa Kisliak hatte de umkämpfte Luhansk- und Donezk-Region in der Ostukraine nie zuvor besucht, auch nicht vor dem russischen Überfall auf ihr Heimatland am 24. Februar.

Jetzt nutzte die 36-Jährige die Gelegenheit, erst mit dem Verein "Bad Brückenau hilft!" und dann mit einem anderen Hilfstransport, diesem Ziel näher zu kommen. Ihren an der Front stehenden Bruder Maxim wollte Kisliak besuchen sowie Essen, Medikamente und wärmende Kleidung an Krankenhäuser und andere Stellen ausliefern, die sie dringend benötigen.

Mit drei Mitgliedern von "Bad Brückenau hilft!" war sie am 28. September in zwei Transportern aufgebrochen. Zunächst ging die Reise an die polnisch-ukrainische Grenze, wo zwei deutsche Helfer zurückblieben. Larisa und Sebastian Kippes fuhren weiter nach Lwiw (Lemberg) in der Westukraine. Dort erwischte die Ärztin am Donnerstagmorgen einen Hilfskonvoi, der sie weiter ins Landesinnere brachte. Zunächst ging es weiter in die Großstadt Dnipropetrowsk, wo die Helfer, gut versteckt, die Nacht zu Freitag verbrachten.

Verstecke vor dem russischen Beschuss

Dieses Verbergen - es war bitter nötig. Denn in der acht beschossen die Russen das andere Ende der Stadt am Fluss Dnepr. Wie Larisa Kisliak erfuhr, waren Busse das Ziel, die die Menschen zur Arbeit oder in die Schule bringen. Offensichtlich waren die Attacken wütende Reaktionen auf die erfolgreiche Offensive der ukrainischen Armee an der südlichen und östlichen Front.

Dieser strebte auch Kisliak am nächsten Tag entgegen. Und erlebte im weiter östlich gelegenen Pawlograd die oben beschriebenen Eindrücke vom Krieg. Sie sollten noch eindringlicher werden.

Zwei Stunden treffen mit dem Bruder

Denn in Kramatorsk durfte die Wahl-Bad-Kissingerin endlich ihren jüngeren Bruder Maxim treffen. Nach einem halben Jahr Hoffen und Bangen und nur für zwei Stunden, aber immerhin. "Er wirkte sehr müde und traurig, gleichzeitig unruhig, hat abgenommen. In nur einem Jahr scheint er um zehn Jahre gealtert", schildert die Schwester ihren Eindruck. Zum Beweis zeigt sie ein Handyfoto vom letzten Treffen vor einigen Monaten, als Maxim deutlich frischer aussah.

Helfen konnte Larisa ihrem Bruder nicht, auch weil sie ihm seinen Herzenswunsch nicht erfüllen kann. "Er brauchte nichts. Aber er möchte gern mal nach Hause zu seiner Freundin in Iwano-Frankiwsk." Darin spiegelt sich auch die Angst, dass der nächste Tag der letzte sein könnte. Am nächsten Tag ging Maxim in die unmittelbare Frontlinie ab.

Einwählen ins Mobilfunknetz gefährlich

Immerhin hat seine Schwester den Eindruck, dass sie ihm etwas Mut zusprechen konnte, dass er sich nach ihrem Besuch etwas besser fühlt. Die 36-Jährige hat ihm verboten, ihr zu oft per Handy zu schreiben. Denn russische Drohnen finden unvorsichtige ukrainische Soldaten übers Mobilfunknetz.

Nach der Kurzvisite beim Bruder steuerte Kisliaks Hilfskonvoi erst ein Krankenhaus in einer zerstörten Stadt und dann eines in Druzhkivka kurz hinter der Front an. Diese Klinik wird oft beschossen, ebenso die Straße, die in den Ort führt.

Erlebnisse am Stabilisierungspunkt

Gleiches gilt für den sogenannten "Stabilisierungspunkt" des Krankenhauses. An so einem Punkt werden alle Verwundeten des Kampfes versorgt - egal, ob es sich um ukrainische Kämpfer und Zivilisten oder russische Soldaten handelt. Larisa Kislia zeigt Fotos vom dem, was die Geschosse und auch dadurch ausgelöste Brände anrichten.

Selbst mit ansehen musste sie die Verletzungen nicht. Auch einem Beschuss eines Konvois wie dem weltweit bekannt gewordenem beim südukrainischen Saporischschja mit 30 Toten entging sie. Aber sie berichtet, dass die Nachbarn ihres noch weiter südlich lebenden Cousins unter den Opfern waren. Von der Mutter mit ihren drei Kindern überlebte nur ein kleines Mädchen. Übrigens hat der im von Russen annektierten Melitopol wohnende Cousin kürzlich seine Einberufung zur Putin-Armee bekommen. Als Ukrainer soll er gegen seine eigenen Landsleute kämpfen.

Noch einmal erlebte die ukrainische Ärztin drohende Todesgefahr, auf der Fahrt zu weiteren Krankenhäusern in als weniger gefährlich geltenden Teilen des Landes. In Kamjanez-Podilskyj wurde eine Klinik beschossen, wenige Stunden, nachdem sie dort abgereist war. Und im viel weiter westlichen Iwano-Frankiwsk erlebten sie und Sebastian Kippes noch einen Luftalarm.

Veränderungen in der Seele

Die Erlebnisse in der Ukraine - sie machen etwas mit Larisa Kisliak. Die Ukrainerin wirkt nachdenklicher; ihr Blick geht häufiger ins Leere. Gleichzeitig ist sie entschlossener denn je, zu helfen: nicht nur als Ärztin und mit Hilfstransporten, sondern auch mit mehr. Sie spricht davon, an einem Stabilisierungspunkt im Osten oder Süden der Ukraine Dienst zu tun. Die Ärzte dort seien stets bewaffnet. Schließlich wären sie auch bei den Russen als Kriegsgefangene begehrt, die Verwundeten helfen können.

Larisa Kisliaks Reise an die ukrainisch-russische Front - es wird nicht ihre letzte gewesen sein.