Die 15-Jährige aus Fuchsstadt gewinnt bei den Deutschen Meisterschaften den Titel im Doppel und wird Zweite im Einzel.
Diese zarte Gestalt ist also aktuelle Deutsche Tennis-Meisterin im Doppel und Deutsche Vizemeisterin im Einzel. Aber die zierliche junge Frau ist ein Energie-Bündel, aggressiv und dennoch cool. Wer Anne Knüttel unterschätzt, hat eigentlich schon verloren.
Bei den nationalen Titelkämpfen in Essen hatte sich die 15-Jährige im Einzelwettbewerb der U-16-Juniorinnen im 32-er Feld mit vier Siegen ins Finale gespielt, unterlag dort Kathleen Kanev (SC SaFo Frankfurt) mit 4:6, 0:6. An der Seite von Isabella Pfennig (TC Großhesselohe) gelang dafür der große Coup. Und der war umso schöner, weil die Fuchsstädterin ihre Kollegin aus dem Kader des Bayerischen Tennis-Verbandes (BTV) im Einzel im Halbfinale aus dem Wettbewerb gekegelt hatte. "Wir verstehen uns sehr gut. Und dann den Titel mit Isabella zu holen, war echt cool", sagt Anne Knüttel über ihre größten Karriere-Erfolge. Die fünf Wettkampf-Tage hatte die Fuchsstädterin als Teil des großen BTV-Teams genossen. "In der Gruppe war das ein klasse Feeling. Und im Wettbewerb war ich ja keine Favoritin und daher sehr relaxed. Bereits in der ersten Einzelrunde habe ich eine höher eingeschätzte Konkurrentin besiegt, was bereits ein großer Erfolg war." Das unterfränkische Talent würden die Verantwortlichen im BTV gerne im Tennis-Internat in Oberhaching fördern. Aber Anne Knüttel ist der familiäre Rückhalt und der Freundeskreis wichtig, auch wenn der Aufwand für den Sport damit steigt. "Außerdem sehe ich meine Freunde zumindest in der Schule regelmäßig", so Knüttel ganz pragmatisch.
Trainiert wird täglich
Durch Opa und "Chauffeur" Richard und Bruder Fabian war Anne früh zum Tennis gekommen, stand bereits mit sechs Jahren auf dem Platz. Spielte für den TC Rot Weiß Bad Kissingen, die SG Dittelbrunn und die TG Schweinfurt, ehe der Wechsel zum TC Weiß-Blau Würzburg folgte, wo der Teenager mittlerweile in der 2. Bundesliga spielt - bei den Damen. Trainiert wird täglich. Dreimal die Woche mit der Mannschaft in Würzburg unter der Anleitung von Cheftrainer Goran Popov oder in Bad Kissingen unter Emil Dascalu, der Anne Knüttel seit Kindesbeinen an trainiert. Macht zusammen etwa 16 Stunden pro Woche. Dazu kommen fünf bis sechs Stunden für Koordination und Ausdauer - inklusive einer physiotherapeutischen Betreuung, unterstützt vom gofit-Fitnessclub in Hammelburg. Ohne die entsprechende Fitness, Beinarbeit und Beweglichkeit geht nichts im modernen Tennis. Weshalb Anne Knüttel gerne auch freiwilliges Lauftraining einschiebt. "Da habe ich meine Hausstrecken und bekomme zudem den Kopf frei."
Zwei Vorbilder
Eine Qual? Nicht für Anne Knüttel. "Ich hab da Lust drauf. Sonst würde ich es nicht machen", sagt die selbstbewusste Gymnasiastin, die Novak Djoković als Vorbild sieht. Und Dominika Cibulková, "weil die einen ähnlichen Spielstil hat wie ich". Eine Profi-Karriere würde Anne Knüttel gefallen, "aber der Weg zum Profi ist hart", ist die Schülerin realistisch und schiebt die Sportmedizin als zweiten Berufswunsch gleich hinterher, "selbst wenn das auch nicht einfach wäre". Ein entsprechend gutes Abitur wäre vonnöten. In die zehnte Klasse geht die 15-Jährige, deren Ehrgeiz nicht vor dem Klassenzimmer endet. Um etwaige Defizite auszugleichen, stehen mehrere "Privat-Lehrer" parat, um verpassten Lehrstoff effektiv aufzuarbeiten. Die schulische Komponente ist ihrem Trainer ebenfalls wichtig: "Anne soll ihr Abitur machen, unbedingt. Eine Verletzung ist immer möglich, und dann hat man was in der Hand", sagt Dascalu, zu dem Anne Knüttel ein großes Vertrauensverhältnis hat. Konkurrenz auf Augenhöhe existiert im Landkreis schon lange nicht, weshalb der TC-Coach in den Trainingseinheiten auch den Sparringspartner gibt. Hausaufgaben werden schon mal während der Fahrten zu Turnieren oder Spielen erledigt. Zeit ist ein rares Gut im Leben der Anne K.
Der härtere Weg
Die Spiele in der 2. Bundesliga und die Turniere bringen Anne Knüttel in alle Winkel der Republik. Und ins benachbarte Ausland. Nur geflogen wird (noch) nicht. "Einige Konkurrentinnen leisten sich Reisen zum Beispiel nach Dubai, weil da die Konkurrenz nicht so stark ist. Anne nimmt den härteren Weg", sagt Mutter Michaela, die froh ist, ihre Tochter noch im Haus zu haben. Finanzielle Entlastung gibt es über die Sportartikel-Firma "Head". Bei mehrtägigen Turnieren wird von der Familie nach einer günstigen Unterkunft geschaut, als Verpflegung tut es auch mal eine Brotzeit. Einen strikten Ernährungsplan braucht Anne Knüttel nicht - wie nicht zuletzt die zweimal im Jahr stattfindende Leistungsüberprüfung mit allem Pipapo bestätigt. "Da bekomme ich zudem ein gutes Feedback, woran ich noch arbeiten muss", sagt die 15-Jährige.
Bleibt die Sache mit der Musik. "Das ist ein schöner Ausgleich für den Kopf. Da muss ich mich außerdem mal nicht bewegen", kokettiert die 15-Jährige etwas mit einem weiteren Talent. Die Fuchsstädterin spielt nicht nur Tennis, sondern auch Geige, Klavier und Kirchenorgel. Das Streichinstrument wird eher selten in die Hand genommen, am Haus-Klavier sitzt Anne Knüttel regelmäßig. Und an der Kirchenorgel ("Das Spielen mit dem Pedal finde ich cool") gibt es Unterricht vom Hammelburger Kantor Dieter Blum. "Der schöne Klang" gefällt Anne Knüttel. "Der stellt sich aber nur ein, wenn gescheit gespielt wird." Halbe Sachen sind nicht ihr Ding.
Alle Anlagen für den Erfolg
"Die Einstellung von Anne ist grundsätzlich leistungsorientiert und professionell. Diese Motivation macht es natürlich auch für mich einfacher. Das muss auch so sein, will man vorankommen. Das ist bei der Konkurrenz auf Spitzem-Niveau nicht anders", sagt Emil Dascalu. Und: "Sie hat alle Anlagen, die es braucht, um erfolgreich zu sein. Sie ist athletisch, schnell und hat für ihre Spielweise genau die richtige Technik." Unterstützung bekommt Anne Knüttel ("Und dafür bin ich allen sehr dankbar") von vielen Seiten. Aber diese zierliche junge Frau hat auch ihren eigenen Kopf. Das muss so sein bei angehenden Champions.