Wie wird richtig gefastet? Evangelische und katholische Priester sagen: Es muss nicht unbedingt aufs Essen verzichtet werden.
Konsequent und ohne spirituellen Hintergrund. So fastet heutzutage ein evangelischer Pfarrer. "Ich faste, um mir selbst etwas zu beweisen: nämlich, dass es auch ohne geht", sagt Jochen Wilde. Also entsagt er ab Aschermittwoch sieben Wochen lang seinem Gläschen Rotwein am Abend. "Das mache ich seit Jahren."
Wilde sieht den Verzicht vor allem als Gelegenheit, um eingefahrene Gewohnheiten abzuschütteln; sich von ihnen frei zu machen. "Es gibt einen Unterschied zwischen gebrauchen und genießen", sagt er. Der Unterschied liegt für ihn darin, dass man das eine nebenher macht, während man bei dem anderen bewusst handelt. "Erst wenn ich eine Zeit lang auf Alkohol verzichtet habe, kann ich ihn danach wieder bewusst genießen."
Platz für Neues
Wenn Dinge absichtlich weggelassen werden, entsteht Platz für Neues.
Darin liegt für Dekan Thomas Keßler der klassische, religiöse Sinn. "Fasten dient der Vorbereitung. Ich bereite mich auf das Osterfest vor, indem ich die Zeit, die ich beim Essen spare, für intensive Gebete nehme."
Der Dekan nutzt die 40 Tage zwischen Aschermittwoch und Ostern, um sich intensiv mit seinem Glauben auseinander zu setzen. So will sich etwa ausreichend Zeit für Morgen-, Mittag-, Abend- und Nachtgebet nehmen. Zeit, die sonst im Berufsalltag irgendwie zwischen andere Termine und Aufgaben gezwängt wird. "Du musst wirklich aufpassen, dass du im Alltag deine Zeit dafür zusammen kriegst", bekräftigt Keßler. Seine Idee: sich das Gebet als "Chefgespräch" im Terminplaner eintragen.
Der Chef der Herz-Jesu-Gemeinde spart also lieber am Alltag, als am Essen. "Ich habe mir keine konkreten Ziele gesetzt, auf Nahrungsmittel zu verzichten", sagt Keßler. Weil er beruflich "voll unter Dampf" steht, wäre eine eingeschränkte Ernährung kontraproduktiv. Sein Umfeld müsste seine schlechte Laune aushalten. "Da herrscht schnell dicke Luft."
Für Keßler besteht Fasten weniger darin, nur auf seine Ernährung zu achten. "Obwohl der gesundheitliche Aspekt wichtig ist. Jeder Christ trägt Verantwortung für seinen Körper." Wenn jemand beispielsweise mit dem Rauchen aufhört, ist das ebenso richtig wie wichtig.
Keine Frühjahrsdiät
Im katholischen Pfarramt in Hammelburg wird der Speisezettel ebenfalls nicht angetastet. "Ich möchte die Fastenzeit nicht als so etwas wie gute Neujahrsvorsätze verstehen", findet Pfarrer Christian Müssig. Er will die Fastenzeit nutzen, um sich stärker mit dem eigenen Glauben zu beschäftigen. Die moderne, säkularisierte Form des Fastens im Sinne einer "Frühjahrsdiät", überlasse er anderen.
"Bei vielen steht da mehr dahinter", widerspricht Jochen Wilde. Zum Beispiel beim Thema Heilfasten. Dort geht es um ein Wechselspiel zwischen Körper und Geist. "Wenn ich etwas mit meinem Körper mache, dann macht auch mein Körper etwas mit mir."
Das säkularisierte Fasten, das uns heutzutage in Kochsendungen im Fernsehen oder in Lifestyle-Magazinen und Zeitschriften vorgelebt wird, sieht der evangelische Pfarrer positiv. "Das alles ist meiner Meinung nach Anzuerkennen als ein Versuch, Dinge bewusst zu tun oder wegzulassen", sagt Wilde.
Es geht um Grenzerfahrungen, denen sich die Fastenden aussetzen. Dadurch nähern sie sich dem biblischen Vorbild. Jesus fastete 40 Tage in der Wüste und musste den Teufel überwinden. "Auch Jesus ist an Grenzen gestoßen und in Versuchung geführt worden," vergleicht Wilde.