Der Autor und Aussteiger Conrad Schwill hat mit "Fidel und der räudige Hund - Kuba von unten" ein Buch über seine heilsame Reise nach Kuba geschrieben. Eine Begegnung mit einem überzeugten Eremit und kritischen Theoretiker.
Ein nicht eingeschnürtes Leben ohne gesellschaftliche Zwänge aber mit rebellischen Ambitionen praktiziert Conrad Schwill, der überzeugte Eremit und kritische Theoretiker. Er bezeichnet sich als geistigen Gelegenheitsarbeiter mit Hang zur Subversion, studiert philosophische und politische Klassiker und steht zu seiner Weltfremdheit.
Schwill ist Autor des kürzlich erschienen Buches "Fidel und der räudige Hund". Schwills mit Herzblut geschriebener, knapp 180 Buchseiten langer und mit eigenen Fotos geschmückter Reisebericht von der Insel Kuba schildert seine Erlebnisse in Havanna und hält der westlichen Welt den Spiegel vor. Die klare, bildreiche Sprache macht es dem Leser leicht, seine irritierenden Erfahrungen mitzuerleben.
Der Holzofen bullert mit angenehmer Wärme in Schwills altem Fachwerkhaus, wo er seit 1980 wohnt. Gemütlich stopft er seine Pfeife und gießt sich Tee in seine Tasse. "Damit sind alle Voraussetzungen für einen reibungslosen Tag erfüllt." Eine Leselampe und Regale voller Bücher von Tacitus, Nietzsche oder Negris "Empire" sind Schwills tägliche Begleiter und literarische Leitplanken in Griffweite. "Ich bin ein Einzelgänger, aber kein Aussteiger", betont der Philosoph von autodidaktischen Graden.
Nicht nur dem zwanglosen Leben hat Schwill sich verschrieben, sondern ganz praktisch auch den üblichen Zwängen der Kleidung entsagt: "Eine Kutte ist unglaublich bequem", bestätigt er in seinem Ledersessel. "Wenn ich auch aussehen mag wie ein Mönch, so habe ich mit der Kirche nichts zu tun", meint Schwill.
Eigenen Fähigkeiten vertrauen Vor vier Jahren reiste Schwill nach Kuba. "Danach ging es mir richtig gut", erinnert er sich an den heilsamen Reiseeffekt mit einschneidenden Erlebnissen. Zwei Monate hielt sich Schwill bei den Kubanern auf und erkannte: "Die leben uns täglich vor, wie man trotz aller Mittellosigkeit den eigenen Fähigkeiten vertraut, erfolgreich überlebt und sogar eine Menge Lebensfreude hat."
"Freigestellt von staatlicher Verwendung ist jeder auf sich allein gestellt. So werden aus unbrauchbaren Staatsbürgern brauchbare Selbstversorger", schreibt er in seinem Buch. "Man lernt den Nebenmann schätzen, achtet auf jeden und respektiert seinen Eigensinn, denn ohne Unterstützung des Nachbarn wäre die Misere nicht auszuhalten. So entsteht ein Zusammenhalt auf Zellebene, der durch nichts zu erschüttern ist." - Im Gegensatz zur westlichen, von Geld regierten Welt, in der soziale Unsicherheit, Ängste vor der Finanzkrise und um die Arbeitsplätze die Menschen trennt, anstatt sie zu verbinden.
Den Einstieg in Schwills kubanische Erlebniswelt markiert ein räudiger Hund, der vor seiner Privatunterkunft in Havanna liegt, auf der Kreuzung zweier Straßen. Während so ein unscheinbarer Straßenköter in Europa wahrscheinlich längst platt gefahren wäre, hat dieser vierbeinige Symbolträger für gesellschaftlichen Minimalismus laut Schwill in Kuba berechtigte Überlebenschancen. Autofahrer, Straßenfeger und Fußgänger nehmen ihn kommentarlos zur Kenntnis und machen einen Bogen um diesen Hund. Sie akzeptieren, dass er sich dort sein Zuhause ausgesucht hat. "Es funktioniert! [...] Wer diesen Hund erklärt, der erklärt das Leben", schreibt Schwill .
Fidel Castro wird selten erwähnt. "Fidel schwebt über jedem und steckt in allem, was auf Kuba kreucht und fleucht, " erklärt Schwill, "Er ist eine Legende. Er führte die Revolution an, überstand mehr als 600 Attentate und hielt als selbst ernannter Alleinherrscher seinen Landsleuten über 50 Jahre lang die Gringos vom Hals. Die Kubaner lieben und hassen ihren Fidel!"
Mich überkam die Scham Immer noch beeindruckt ist Schwill von jener Begegnung mit einer Familie auf dem Land, die ihn gastfreundlich mit Kaffee und Havanna-Zigarre bewirtete. "Wieder überkam mich diese Scham: Ich, der Beneidete aus dem Land der Freiheit und des Überflusses, kann mich nicht messen mit den Mühseligen aus dem Land, wo weder Milch noch Honig fließen. Nicht einmal Strom fließt hier! Nix gibt es hier, keinen Elektrokocher, keine Glühbirne, kein Garnix."
Eine Lektion In einer Zeit, in der in Europa Rassismus noch ein Thema sei, spiele dieser auf Kuba keine Rolle, hat Schwill beobachtet. "In diesem Ein-Parteien-Staat mit seiner hermetisch abgeriegelten Struktur, der allgegenwärtigen Miliz und einem rostfreien, unsterblichen Autokraten an der Spitze leben friedlich miteinander mehr differenzierte Persönlichkeiten und individuelle Charaktere, als in jeder anderen mir bekannten Gesellschaft. Alles hört auf ein Kommando, aber jeder interpretiert die Order auf seine Weise." - "Die Kubaner haben mir eine Lektion erteilt", erzählt der Autor. "Vor der Reise hatte ich viel Ärger, wurde aggressiv und war stark angefressen", so Schwill.
Schwill, Conrad: "Fidel und der räudige Hund - Kuba von unten", ISBN 978 -3- 8482-3194-2.