Grünen- Kandidatin Manuela Rottmann hat auf Platz sieben ihrer Landesliste bessere Aussichten als CSU-Spitzenkandidat Joachim Herrmann.
Dorothee Bär kennt die komplizierte Arithmetik einer Bundestagswahl aus eigener Erfahrung: 2002 stand sie (damals noch als Dorothee Mantel) auf Platz 28 der Liste und zog - dank des "Stoiber"-Effektes - locker in den Bundestag ein, drei Jahre später, 2005, fiel die CSU von 58 auf 46 Abgeordnete zurück und Listenplatz 8 reichte nicht mehr. Die Ebelsbacherin war vier Wochen lang raus aus dem Bundestag. Weil Stoiber und Beckstein auf ihre Sitze verzichteten, klappte es dann aber doch noch als eine von zwei Listen-Kandidatinnen.
Seit Bär 2009 Nachfolgerin von Direktkandidat Eduard Lintner wurde, muss sie nicht mehr zittern: Der Bundestagswahlkreis 248 (Bad Kissingen) ist eine sichere Bank für die CSU. Seit 1949 ist er durchgehend in CSU-Hand, Bär erhielt zuletzt 57,9 Prozent.
Erststimmen für Personen
Auch wenn die Wähler am Sonntag nur zwei Kreuzchen machen müssen, wird es vielleicht sogar bis zum Montagmorgen dauern, bis wirklich alle Ergebnisse feststehen, weil viele Faktoren eine Rolle spielen: Eigentlich hat der Bundestag 598 Mitglieder, davon wird die Hälfte direkt in den 299 Wahlkreisen gewählt. Dort reicht die einfache Mehrheit der
Erststimmen. Zum Beispiel könnten theoretisch im bisherigen Wahlkreis von Christian Ströbele in Berlin Kreuzberg mit 18 Kandidaten bei gleichmäßiger Verteilung weniger als zehn Prozent für den Sieg reichen.
Im Wahlkreis Bad Kissingen haben die Wähler bei der Erststimme sieben Kandidaten zur Wahl: Neben Bär sind das Sabine Dittmar (SPD), Dr. Manuela Rottmann (Grüne), Nicolas Thoma (FDP), Frank Hertel (Die Linke), Michaela Reinhard (ÖDP) und Andrea Klingen (AfD). In Bayern hat die CSU aktuell alle 46 Direktmandate so gut wie sicher: Portale, die auf Grundlage von Umfrage-Ergebnissen die Zusammensetzung des Bundestages vorhersagen, wie
www.mandatsrechner.de, gehen fest von 46 gesetzten CSU-Bundestagsabgeordneten aus.
Kampf um Stimmen
Trotzdem ruht sich Bär nicht aus: "Ich kämpfe um jede Stimme", sagt sie zum Endspurt des Wahlkampfs. Und das sei heuer durchaus schwieriger: "Es ist eine große Herausforderung, denen zu begegnen, die sich bei den etablierten Parteien nicht mehr aufgehoben fühlen."
Ihr Spitzen-Ergebnis aus 2013 zu wiederholen, wäre auch eine Bewerbung für höhere Ämter, etwa für das einer Digital-Ministerin: "Es schadet nicht, wenn man ein gutes Ergebnis hat", kommentiert Bär diplomatisch solche Spekulationen.
Über die eigentliche Zusammensetzung des Bundestages entscheidet aber die
Zweitstimme: 42 Parteien sind insgesamt zur Wahl zugelassen, 21 davon haben in Bayern eine Landesliste, tauchen also auf dem Wahlzettel im Wahlkreis Bad Kissingen auf.
Die Zweitstimmen und das damit zusammen hängende "personalisierte Verhältnis-Wahlrecht" machen die Auswertung so kompliziert. Beispiel Bayern: Dem Bundesland stehen 46 Direktmandate und weitere 46 Abgeordnete zu, das sind rund 14,3 Prozent aller Sitze im Bundestag. Je nach Ergebnis der "Kleinen" würden bei der CSU rund 48 Prozent der Zahl der Direktmandate entsprechen.
Zusätzliche Mandate
Liegt die CSU darunter, kommen die Direktkandidaten trotzdem über so genannte Überhangmandate in den Bundestag, allerdings kein Kandidat von der Liste. Nach aktuellen Hochrechnungen würde das Joachim Herrmann treffen, der zwar Spitzenkandidat der CSU ist, aber in keinem eigenen Wahlkreis direkt antritt.
Liegt die CSU bei mehr als 48 Prozent, werden weitere Plätze so vergeben wie bei allen anderen Parteien: über die Landeslisten. Das ist die Chance von zwei Kandidatinnen aus dem Landkreis Bad Kissingen: Sabine Dittmar steht auf dem guten Platz 10 der SPD-Landesliste. "Da müsste schon was hoch dramatisches passieren, dass das nicht reicht", kommentiert sie ihre Chancen. Trotzdem ist auch sie in dieser Woche noch viel unterwegs. Ihr Ziel: Ein Ergebnis über den 19,9 Prozent von vor vier Jahren.
Bundestag vergrößert sich
Knifflig wird es bei der Grünen-Kandidatin Manuela Rottmann: Sie hat sich zwar Listenplatz 7 gegen die prominente Landtagsabgeordnete Margarete Bause geholt, aber die Grünen schwächeln aktuell. Die meisten Umfragen sehen sie nur noch als sechsstärkste Partei hinter Union, SPD, AfD, FDP und Linken. Gerade bei den kleinen Parteien hängt die Zahl der Abgeordneten von den so genannten Ausgleichsmandaten ab: Die stellen das richtige Stimmen-Verhältnis wieder her, wenn andere Parteien Überhang-Mandate haben. Der aktuelle Bundestag hat 631 Abgeordnete, der neue könnte mit sechs Parteien auf bis zu 700 aufgebläht werden. Damit gäbe es auch 100 für Bayern, ein Prozent würde also zufällig einem Sitz entsprechen.
Auch wenn es ihre Chancen steigert, hofft Rottmann nicht auf dieses Aufblähen: "Für die Region wäre es natürlich gut, wenn drei Kandidatinnen rein kommen, aber für uns alle ist es besser, wenn wir einen kleinen Bundestag bekommen."