Pool-Schlitzer: Noch keine Verhandlung terminiert

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Die Bad Kissingerin Karin Matthes war das letzt Opfer des ominösen Poolschlitzers: Im Juli 2016 wurden in ihrem Garten ein Schwimmbecken und zwei Luftmatratzen beschädigt, kurz danach ermittelte die Polizei den mutmaßlichen Täter.Ralf Ruppert
Die Bad Kissingerin Karin Matthes war das letzt Opfer des ominösen Poolschlitzers:  Im Juli 2016 wurden in ihrem Garten  ein Schwimmbecken und zwei Luftmatratzen beschädigt, kurz danach ermittelte die Polizei den mutmaßlichen Täter.Ralf Ruppert

Die Anklage wegen Sachbeschädigung und Diebstahl steht. Ein Kriminologe wertet die Taten als "Ausdruck der Ohnmacht".

Sieben Jahre lang trieb der so genannte Pool-Schlitzer sein Unwesen, in 47 Fällen wurden im Bereich Main-Rhön Planschbecken und größere Kunststoff-Pools beschädigt, im September wurde ein damals 27-Jähriger aus dem Landkreis Bad Kissingen gefasst. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm nun 17 Fälle der Sachbeschädigung vor, in neun Fällen kommt Diebstahl dazu. "25 weitere Fälle wurden eingestellt", berichtet Hubert Petrik, stellvertretender Leiter des Amtsgerichts Bad Kissingen. Ein Verhandlungstermin steht noch nicht fest.
Eingestellt wurden laut Petrick auch die Vorwürfe wegen Hausfriedensbruchs. "Aber die Umstände der Tat werden bei der Findung des Urteils natürlich berücksichtigt", sagt Petrik ganz allgemein zum Ablauf eines Strafprozesses. Die Verunsicherung, die die Taten in der Region verbreiteten, würden also nicht unter den Tisch fallen, auch wenn der Vorwurf "nur" auf Sachbeschädigung laute. Petrik selbst ist für den Fall nicht zuständig, kann deshalb aktuell auch keine Schätzung abgeben, wann er verhandelt wird. Vor allem falls weitere Gutachten notwendig seien, dürfte das Urteil aus seiner Sicht vermutlich erst im kommenden Jahr gesprochen werden.
"Von uns ist kein Gutachten eingeholt worden", berichtet Leitende Oberstaatsanwältin Ursula Haderlein. Sachbeschädigungen seien "kein Fall für eine Unterbringung", auch bei der Frage der Schuldfähigkeit sah die Staatsanwaltschaft Schweinfurt keinen Anlass, eine medizinische Fach-Meinung einzuholen. Mit der Weitergabe der Anklageschrift ans Gericht im August hat die Staatsanwaltschaft auch die Zuständigkeit abgegeben und macht keine weiteren Angaben dazu.
"Wir warten auf die Verhandlung", sagt Stefan Haschke, Leiter der Bad Kissinger Polizei. "Danach ist bisher nichts mehr passiert", freut sich der Polizeichef, dass die Serie im vergangenen Jahr offenbar aufgeklärt wurde. Dass dem Verdächtigen nur 17 von insgesamt 47 Fällen eindeutig zugeordnet werden konnten, liege auch am langen Zeitraum, über den sich die Taten erstreckten. Bereits bei der Festnahme vermutete die Polizei, dass es in einigen Fällen auch Trittbrett-Fahrer gab, aktuell gebe es aber keine Ermittlungen mehr: "Wenn keine Serie vorliegt, zählen Sachbeschädigungen zu den Bagatellfällen. Wenn es da innerhalb von ein paar Wochen keine Hinweise gibt, werden die unter Unbekannt abgelegt", beschreibt Haschke den Ablauf.
Auf die Verhandlung warten auch die Opfer. Für Unruhe hatte bei ihnen die Nachricht gesorgt, dass sich der mutmaßliche Täter bereits wieder auf Kleinanzeigen zu Schlauchbooten und Luft-Matratzen im Internet meldete. "Das ist keine Straftat, der Verdächtige verhält sich ansonsten aus unserer Sicht absolut unauffällig", kommentiert Haschkes Stellvertreter Christian Pörtner die aktuelle Lage. Die Bad Kissinger Polizei zog im Laufe der Ermittlungen auch Fälle aus anderen Dienstbereichen an sich, etwa einen aufgeschlitzten Pool in Schondra vom Juni 2016.
"Ich höre diese verrückte Geschichte zum ersten Mal", sagt der renommierte Kriminologe Prof. Dr. Christian Pfeiffer auf Anfrage dieser Zeitung zu dem Fall aus Unterfranken. Der langjährige Leiter des Kriminologischen Instituts Niedersachsen sieht aber Parallelen zu den sogenannten Feuerteufeln, also Menschen, die immer wieder Brände legen: "Der Grundzug, anderen grundlos Leid zuzufügen und Entsetzen zu verbreiten, ist meist ein Ausdruck eigener Ohnmacht", beschreibt Pfeiffer das Motiv, und: "Der Wiederholungszwang entsteht aus dem Erfolgserlebnis, nicht gefasst zu werden." Die mediale Aufmerksamkeit solcher Serien sei ein weiterer Antrieb. Trotzdem sei es wichtig, über die Fälle zu berichten: "Ohne die Medien kriegt man die Täter meistens nicht", betont Pfeiffer, und: "Die Medien sind unverzichtbar, auch wenn sie die Täter auf der anderen Seite anheizen." Typisch sei auch, dass die Täter "müde" vom Zwang würden und deshalb absichtlich Spuren legen, die zu ihrer Ergreifung führen. Im Fall des Poolschlitzers hatte sich der 28-Jährige mehrfach kurz vor den Taten auf Kleinanzeigen gemeldet.

Der sogenannte Pool-Schlitzer war von 2009 bis 2016 im Bereich Main-Rhön unterwegs, der Schwerpunkt lag im Lauertal und in Bad Kissingen. Der reine Sachschaden lag oft bei nur 30 oder 40 Euro, aber die Verunsicherung war groß. Viele Betroffene trauten sich nicht mehr in den Garten, Kinder durften nicht mehr draußen zelten, Garten-Besitzer rüsteten auf, bauten Zäune, installierten Bewegungsmelder und Scheinwerfer. Der Fall ging auch deutschlandweit durch die Medien: Privatsender und überregionale Zeitungen berichteten von betroffenen Familien.

Der mutmaßliche Täter wurde bereits für eine Brand-Serie 2013 verurteilt: Nachdem Heuballen oder eine Holzhütte brannten, kamen die Erst-Mitteilungen immer wieder von einer Person. Das führte die Polizei auf seine Spur. Schließlich gestand er, die Feuer auch gelegt zu haben. Deshalb und wegen einer Körperverletzung ist der 28-Jährige mittlerweile verurteilt. Im September 2016 gestand er dann auch die Beschädigung einiger Pools. Bei einer Hausdurchsuchung wurden unter anderem Luftmatratzen gefunden, die er an den Tatorten mitgehen ließ.