Christian Pörtner, Inspektionsleiter der Hammelburger Polizei, richtet sich direkt an den Täter: "Was du tust, ist unter Umständen lebensgefährlich."
"Das erschüttert mich." Christian Pörtner ist erfahrener Polizist und Chef der Inspektion in Hammelburg. Er hat also schon einiges in Sachen Straftaten erlebt. Dass auf fahrende Autos geschossen wird, ist für ihn neu. Er richtet über die Zeitung einen direkten Appell an den Täter: "Hör auf damit! Was du machst, ist unter Umständen lebensgefährlich."
Rückblick: In der Nacht von Freitag, 19. Februar 2021 auf Samstag war in Ramsthal ein Unbekannter mit einer Luftdruckwaffe unterwegs. Wahllos schoss er auf parkende und auch auf fahrende Autos. Vier Opfer haben sich mittlerweile gemeldet, die Schäden an ihren Autos zeugen von der Wucht, die die Projektile haben: Das feste Blech von Türen wurde eingedellt, Autoscheiben hielten den Kugeln nicht stand und zersplitterten oder sprangen, Kugeln lagen im Wageninneren.
4,5 Millimeter starke Stahlkugeln
Was den Täter angeht, so tappt die Polizei noch im Dunkeln. Nicht aber, was die Waffe angeht. Christian Pörtner: "Die Projektile sind 4,5 Millimeter starke Stahlkugeln", also kein vergleichsweise weiches Blei. Daneben vermutet die Polizei, dass die Waffe manipuliert worden sein könnte, um mehr Energie aus den abgeschossenen Kugeln zu holen. "Des weiteren glauben wir nicht, dass es sich um eine Pistole handelt, dazu ist der Lauf zu kurz. Es muss sich bei diesen Schäden um einen langen Lauf handeln. Denn nur mit einem langen Beschleunigungsweg ist diese Wucht erklärbar."
Dass auf Blechdosen oder Verkehrsschilder geschossen wird - ärgerlich für Pörtner, aber alltäglich. "Dass auf fahrende Autos geschossen wird, ist nicht nachvollziehbar." Es traf auch einen 59-Jährigen, der Freitagnacht durch Ramsthal fuhr. Es war gegen 22.30 Uhr, als er auf der Hauptstraße einen Einschlag an seinem Auto hörte. Als er nachsah, entdeckte er die Einschussdelle in der Tür. "Was wäre gewesen, wenn die Kugel die Scheibe durchschlagen hätte?", fragt Pörtner. Auch ihn überrascht die Wucht der Kuglen.
Noch kein Motiv
"Ich bin erschüttert und es ärgert mich sehr, dass hier einer unterwegs ist und Menschen gefährdet", sagt der Polizeichef. "Wir haben auch noch kein Motiv: Er - oder vielleicht ist es ja auch eine Frau - hat wahllos auf die Autos geschossen." Pörtner denkt laut: "Wir glauben, dass der Mensch Freude an seiner Waffe hat.Doch warum er es tut, wissen wir nicht. Ein Heranwachsender, der sich der Gefahr nicht bewusst ist? Ein Mann, der den Druck der Ausgangsbeschränkungen nicht ausgehalten hat und Dampf ablässt? Oder ist es ein Mensch, der vielleicht nicht die geistige Tragweite hat, um zu erkennen, wie gefährlich das ist, was er tut? Er soll damit aufhören, das ist mein Wunsch. Was er tut, ist höchst kriminell."
"Er gefährdet Menschen"
Und im Zweifel lebensgefährlich. "Er muss sich im Klaren sein, dass er unter ungünstigen Umständen Menschenleben gefährdet." Pörtner erklärt seinen Gedankengang: "Natürlich muss ich als Autofahrer damit rechnen, dass mir ein Hase vor den Kühler läuft oder dass mich ein Steinschlag erwischt. Aber Stahlkugeln sind im Straßenverkehr nicht vorgesehen." Würde sich jemand derart erschrecken, dass er einen Unfall baut, dann könne der schrecklich ausgehen, so Pörtner.
Mithilfe der Bevölkerung benötigt
Christian Pörtner appelliert an die Ramsthaler Bevölkerung: "Geht in euch: Ist euch in den letzten Tagen etwas merkwürdiges aufgefallen? Habt ihr im Wald jemanden gesehen, der vielleicht einen großen Rucksack trug? Oder jemand, der etwas Größeres unter seiner Jacke versteckte?" Dann sollten sich die Ramsthaler umgehend bei der Polizei (09732/9060) melden.
Auch der reine Sachschaden, den der Täter anrichtet, schockiert die Autofahrer, so etwa wie den früheren Bürgermeister Franz Büttner. Auch sein Lkw wurde beschossen. . Eine junge Frau, die sich ebenfalls bei der Polizei gemeldet hatte, hat den Schaden an ihrem Auto, das in der Hauptstraße parkte, am Samstagmorgen bemerkt. Die 22-Jährige: "Das Loch in meiner Windschutzscheibe ist etwa so groß wie ein Zwei-Euro-Stück. Zunächst dachte ich an einen Steinschlag. Aber als ich danach gegoogelt habe, sah ich, dass Steinschlagschäden anders aussehen." Als sie Tage später in den Medien um unheimlichen Heckenschützen las, ging auch sie zur Polizei - sie war das vierte Opfer.
Die Polizei ermittelt wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und Sachbeschädigung. Der Fall hat hohe Priorität bei der Hammelburger Polizei. Wie die Beamten weiter vorgehen, verrät Christian Pörtner natürlich nicht. Nur so viel: "Wir reagieren im operativen Bereich auf die Situation angemessen."