Nationalpark Rhön: Pfiffe für die Ministerin in Burglauer

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Demonstranten empfingen die Ministerin (rechts). Foto: Susanne Will
Demonstranten empfingen die Ministerin (rechts). Foto: Susanne Will
Foto: Susanne Will
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Foto: Susanne Will
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Umweltministerin Ulrike Scharf wurde beim Dialoggespräch über den möglichen Nationalpark Rhön von Demonstranten empfangen. Viele Fragen sind noch offen.

Ministerin Ulrike Scharf (CSU) wusste, was sie erwartete: Rund 100 Bauern, Jäger und Umweltschützer warteten am Gründonnerstag mit Trillerpfeifen und laufenden Motorsägen (ohne Kette) vor der Rudi Erhard-Halle in Burglauer. Deshalb kam sie eine halbe Stunde vorher. "Zum Dialog um den möglichen Nationalpark Rhön gehört auch, dass ich mich mit den Kritikern unterhalte", sagt die Umweltministerin. Anschließend tagte sie dreieinhalb Stunden mit Verbandsvertretern hinter verschlossenen Türen. Die Bilanz: Es sind noch zu viele Fragen offen, als dass sich die Region auf ein Urteil einigen könnte.

Trotz gellendem Pfeifkonzert, Pfiffen und Motorenlärm hörte Ulrike Scharf den Sorgen der Demonstranten konzentriert zu. Die fühlten sich als "Bürger ohne Stimme", so war es auf Plakaten zu lesen, und auch, dass der Nationalpark Natur und Bevölkerung spalte. Es sind Holzverarbeiter wie Wolfram Vorndran von den Vorndran Holzwerken in Oberleichtersbach. "30 Prozent des Holzes, das wir verarbeiten, kommt aus der Rhön." Es aus anderen Gegenden zu beziehen, hat für ihn wenig Sinn, "dann würde ich es anderen ja wegnehmen".

Dass Motorsägen zum Unterstreichen des Protestes angeworfen werden, macht Richard Mergner, Landesbeauftragter des Bund Naturschutz (BN), "stinksauer". Er wirft dem Bauernverband vor, hier Stimmvieh hergekarrt zu haben, "das steht dem Bauernverband, der Steuergelder für seine Beratungstätigkeit bekommt, nicht zu". Auch der Rhön-Grabfelder Landrat Thomas Habermann sagt später, er habe kaum einen der Demonstranten gekannt. "Eine Demonstration gehört dazu", sagt er, "aber Trillerpfeifen sind keine Argumente".

In der Halle herrschte Disziplin. Jäger, Bauern, Lobbyisten aus der holzverarbeitenden Industrie nutzten die Stunden, um der Ministerin ihre Sorgen, Kritik und Ängste zu schildern. Der Zeitplan, den die Landtagsregierung vorgibt, ist straff. Noch vor der Sommerpause Ende Juli soll klar sein, welche Region den Zuschlag zum dritten bayerischen Nationalpark erhält. Es geht um 10.000 Hektar, von denen 7500 zur Kernzone werden, die irgendwann überhaupt nicht mehr vom Menschen verändert werden sollen. Das Gebiet reicht von Oberthulba bis hoch kurz vor Bischofsheim, von Platz bis nach Niederlauer. Was das Umweltministerium da an einzelnen Flecken ins Auge gefasst hat, wirkt auf der Karte (nachzusehen unter www.np3.bayern.de) arg zersplittert.

Gerade diese Zerfaserung spielt für die Landwirte eine große Rolle. Eine "fünfmal höhere Umfassunglinie" hat Edgar Thomas vom Bad Kissinger Bauernverband errechnet. Er meint generell, dass in der Rhön schon genug für den Naturschutz getan werden. Und diese langen Park-Grenzen könne er nicht vor Wildschäden an den Feldern schützen, auch der Borkenkäfer könnte ein Problem werden. Richard Mergner (BN), der die Rhön für "absolut geeignet" hält, sieht die Problematik. Er rät zum Tausch mit kommunalen Flächen, um eine einheitlichere Parkregion zu erhalten.

Auch dieser Flächentausch, so eine Ministeriumsmitarbeiterin, sei Thema in der Arbeitsgruppe Nationalpark Rhön, in der die Regierung von Unterfranken und die Landräte Thomas Habermann und Thomas Bold (CSU, Bad Kissingen) eingebunden seien. Umweltministerin Scharf: "Wir bieten Ihnen einen maßgeschneiderten Nationalpark."

Heinz Stempfle, Kreisvorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbandes, bekannte sich zum Nationalpark, "auch wenn mich hier jetzt einige steinigen sollten", dennoch zweifelte er einen im Park begründeten Tourismus-Boom an. Scharf dazu: "In den beiden bayerischen Nationalparks zählten wir letztes Jahr drei Millionen Besucher, das ist eine Wertschöpfung von 70 Millionen Euro pro Jahr." Im Bayerischen Wald seien außerdem 200 Arbeitsplätze geschaffen worden, im Haushalt 2017 stünden dort 15 Millionen Euro bereit.

Ein großes Thema: die Jagd im Nationalpark. Die Jäger sorgen sich, dass die Wildschweinproblematik aus dem Ruder läuft oder sich Seuchen ausbreiten könnten. Derzeit schießen sie in beiden Landkreisen pro Jahr 13.000 Wildschweine. Sie fürchten, dass das "Wildtiermanagement" im Nationalpark das nicht leisten kann.

Hier war Aufklärung nötig. Scharf, selbst Jägerin: "Das Wildtiermanagement sieht jede jagdliche Möglichkeit vor." Und: In einem Nationalpark dürfen auch private Jäger schießen, sie zog dazu den Nationalpark Harz als Beispiel heran. Dort bediene man sich eines Pools aus 365 privaten Jägern.

Martin Neumeyer ist der Vorstandsvorsitzende der Bayerischen Staatsforsten. Er listete Fakten zum Staatswald auf. Was im Spessart - auch ein möglicher Nationalpark-Kandidat - das Zentrum vieler die hitzigen Diskussionen war, ist das Forstrecht. "In der Rhön gibt es 20 davon", eine kleine Zahl also. Es geht um insgesamt 55 Ster Holz, die "Belastung" für die Bevölkerung, die ihr Holz noch aus dem Staatswald bezieht, sei also "vergleichsweise gering". Die Waldwege quer durchs skizzierte Gebiet sind 600 Kilometer lang, 350 private Jäger und Förster erlegen dort das Wild. Durch die Geologie und die bestehenden Baumarten, die große Vielfalt an Tieren und Pflanzen hält er die Rhön für "grundsätzlich geeignet", ein Nationalpark zu werden.

Norbert Schäffer ist Vorsitzender des Landesbunds für Vogelschutz, er findet die Idee vom Nationalpark "charmant". Allerdings: Es bräuchte Pufferzonen für die Grenzgebiete, dass beispielsweise ein Borkenkäfer nicht auf Gebiete außerhalb des Parks gelangen könnten. Das sei ebenfalls ein Thema, das in der Arbeitsgruppe besprochen werde, so die Ministeriumsmitarbeiterin.

Sägebetriebe, Zimmerer, Schreiner, "die gehen unter", so die düstere Prognose von Hubert Röder. Röder ist der Sprecher der Holzinitiative "Cluster Forst und Holz". Er warnte, es ginge eine Wertschöpfung von 13 Millionen Euro verloren, und durch die Nicht-Nutzung von Holz als Brennstoff würde sich der CO2-Ausstoß vergrößern. Ministerin Ulrike Scharf forderte ihn auf: "Lassen Sie bitte die Kirche im Dorf. Von unseren 808.000 Hektar Staatswald in Bayern reden wir jetzt über 10.000 Hektar in der Rhön - da geht es um 1,26 Prozent." Und auch Landrat Habermann wurde deutlich: "Sie sind viel besser, als Sie sich heute gegeben haben - das war intellektuell zu plump."

Erst gegen Ende meldete sich Landtagsabgeordneter Sandro Kirchner zu Wort. "In der Bevölkerung ist die Diskussion um den Park noch nicht in Gang gekommen." Und vieles sei ihm noch zu oberflächlich: "Wie viele Arbeitsplätze sind tatsächlich in Gefahr? Wie viele Holzrücker gibt es? Was sind das für Arbeitsplätze, die neu geschaffen werden? Im Juli ist die Entscheidung - wer entscheidet denn dann? Ich kann keine Entscheidung treffen, weil ich nicht weiß, was gut oder was schlecht ist."

Hier konnte Franz Leibl zumindest teilweise helfen. Leibl ist der Chef des Nationalparks Bayerischer Wald. "Als der Nationalpark 1970 gegründet wurde, wurden alle Bediensteten der Forstämter übernommen." Die weiteren Fragen blieben unbeantwortet. Ulrike Scharf: "Wir erarbeiten gerade eine Studie, die genau diese Fragen beantworten soll." Die Bürgerbeteiligung sei der nächste Schritt. Wie die aber aussehen soll, ist ebenfalls ein Thema, das erst jetzt geklärt wird.