Zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren und 250 Arbeitsstunden wurde ein 26-Jähriger verurteilt, der sich wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern vor dem Jugend-Schöffengericht verantworten musste.
Die Tat hatte er 2008 begangen, als er mit 21 Jahren noch Heranwachsender war. Deshalb wurde das Geschehen nach dem milderen Jugendrecht beurteilt. Der Angeklagte nahm das Urteil sofort an.
"Es stimmt nicht - das ist alles erfunden", entrüstete sich der Beklagte, nachdem der Staatsanwalt die Anklage verlesen hatte. Darin wurden ihm drei Fälle sexueller Missetaten zur Last gelegt: Er soll nämlich seine elfjährige Halbschwester so extrem heftig geküsst haben, dass ihr Hals mit Knutschflecken übersät war. An einem anderen Tag soll er sie unter dem Pullover begrapscht haben und mit einer Hand ihrem Intimbereich unter ihrer Hose nahe gekommen sein. Schließlich soll er auch noch einer 13-Jährigen unter ihrem Pullover an die Brust gefasst haben. "Ihre Opfer waren damals alle noch im Kindesalter", stellte der Richter fest und mutmaßte: "Hätte sich Ihre Halbschwester nicht mit aller Kraft gewehrt, so wäre Schlimmeres passiert."
Zu Gast in der Wohnung In Stimmung zu solchen Taten hatte sich der Angeklagte am PC gebracht, wo er diverse Pornoseiten auf den Bildschirm geladen hatte. Er war nach langer Zeit der Abwesenheit zu Gast in der Wohnung, in der sein Vater und dessen Lebensgefährtin sowie seine zum Opfer des sexuellen Übergriffs gewordene Halbschwester wohnten. "Ich kam als Überraschungsbesuch dort vorbei", schilderte der Beklagte.
Im Bett, das im Computerzimmer stand, habe er übernachten dürfen. "Zunächst dachte ich, die freuen sich über meinen Besuch", fügte er hinzu. Doch dann schwang die Stimmung gegen den Beklagten total um und die Familie ging auf Distanz. Klar, man wusste um die schwierige Situation des Angeklagten, der in früherer Zeit dem Alkohol und den Drogen zugeneigt war. Deswegen gab es immer wieder mal Psychosen, Entzugs-Therapien und Gerichtstermine. Sowohl vor als auch nach der Tat kollidierte der Beklagte mit dem Gesetz. Und so gibt es bis heute im Bundeszentralregister über ein Dutzend Einträge wegen Diebstahls, Betäubungsmittel-Vergehen, Körperverletzung, Waffenrechts-Verletzung, Verleumdung, Beleidigung und Sachbeschädigung.
"Mord auch an meiner Seele" In das jetzt gefällte Urteil wurde eine noch offene Strafe des Amtsgerichtes aus Bad Neustadt mit einbezogen und daraus die Gesamtstrafe gebildet. "Wäre der Beklagte zur jetzigen Verhandlung nach gutem Zureden immer noch nicht geständig gewesen, dann hätte es eine Haftstrafe gegeben", machte der Richter deutlich.
So aber wertete es das Gericht als erheblich strafmildernd, dass der Angeklagte mit seinem "schlanken" Geständnis den betroffenen Mädchen deren detaillierte Tatschilderung vor Gericht ersparte. Wie schwer dies gerade der Halbschwester gefallen wäre, schilderte deren Mutter, die auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht verzichtete. "Meine Tochter war nach dieser Tat nicht mehr mein Kind", sprach die Zeugin von "Mord auch an meiner Seele".
Denn fortan war die Welt für die damals Elfjährige total anders geworden. "Ihre schulischen Leistungen fielen in den Keller. Und ich wusste nicht warum", sagte die Mutter weiter. Dass die Tochter aus Scham ihr Leben veränderte, Schulbesuche immer rarer wurden, eine Zeit lang Duschzwang und Aggressionen angesagt waren und auch Alkohol sowie Drogen näher an ihre Tochter gerückt seien, das habe sie als Mutter hilflos werden lassen.
"Ich kämpfte um mein Kind, weil ich spürte, dass es immer noch unsere Familie braucht", sagte die Mutter. Jahre habe es gedauert, bis Mutter und Tochter wieder entspannt gemeinsam der Küchenarbeit nachgehen konnten. "Ich hatte nie damit gerechnet, dass in unserer Familie so etwas passieren kann", bezeugte die Stiefmutter des Angeklagten und deutete auf ihn: "Der wusste, was er tat!" Ein amtliches Gutachten bestätige, dass die damals elfjährige Hauptgeschädigte in ihrer Aussage laut Polizeiprotokoll glaubhaft sei, zitierte der Richter aus den Akten.
Seit 2008 hatte der Beklagte einige Phasen seiner abwechslungsreichen Drogenkarriere durchlebt. Nach einem längeren Therapieaufenthalt in Werneck fand er vor Kurzem die Aufnahme in einer sozial-therapeutischen Einrichtung in Ilmenau (Thüringen). "Zurzeit ist der Beklagte noch nicht in der Lage, verantwortlich mit Geld umzugehen. Bereits am Fünften ist für ihn der finanzielle Monat schon am Ende", bestätigt der als gesetzlicher Vertreter eingesetzte Betreuer. Der Platz in Ilmenau koste monatlich rund 2800 Euro. Die nordbayerischen Plätze seien ausgebucht.
Was der Sachverständige zu dem Fall sagt Bagatellisierung Der Beklagte habe seine Tat zeitweise bagatellisiert, sagte der gutachterliche Sachverständige Dr. Bernd Münzenmayer und brachte damit Licht in dessen Verhalten. So konnten auch die Schöffen nachvollziehen, wieso der Angeklagte im Polizeiproto-koll kurz nach der Tat geständig war und Details schildern konnte, während er jetzt zum Verhandlungstermin dem Gericht kaum die Uhrzeit sagen wollte. Auf einfache Fragen des Richters wie zum Beispiel nach den Lieblingsspielen auf dem Computer antwortete der Beklagte ausweichend: "Die meisten".
Psychosen "Fehlentwicklungen von jungen Persönlichkeiten fangen schon recht früh an", wies der Sachverständige auf ein möglicherweise unglückliches Aufwachsen im ersten Babyhalbjahr hin. So könne zu wenig Zuwendung und Wärme einer überforderten Mutter von dem frisch geborenen Persönchen als Ablehnung empfunden werden. "Fehlen in den ersten fünf Jahren feste Lebensstrukturen, dann kann dies für das Kind zum Verlust der eigenen Identität führen", führte Münzenmayer aus. Defizite der jungen Persönlichkeit zögen Psychosen nach sich.
Kompensation "Wenn dann zum Beispiel noch Übergriffe des als mächtig empfundenen Vaters ausgeübt werden, dann bilden sich Bindungsunfähigkeiten oder Ängste vor Kränkung ", sagte der Sachverständige weiter. Minderbegabung, schulisches Versagen, fehlender Beruf (...) bis hin zum störenden Sozialverhalten seien die oft auftretenden Konsequenzen. Fließend sei der Übergang zu Drogen, Psychosen und sogar Schizophrenie. Die Defizite der Persönlichkeit wolle der Betroffene nämlich kompensieren. Münzenmayer bestätigte im vorliegen Fall des sexuellen Missbrauchs von Kindern, dass der Täter keine Sexualstörung gehabt habe. Biologisch sei dieser gemäß seinem Alter von damals 21 normal gewesen. Aber trotz eines gewissen Maßes an Intelligenz habe er die Konsequenzen seines Handelns nicht übersehen können.