Kein Haftbefehl für Kondrashov in Deutschland

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Der Fahndungsaufruf des ukrainischen Inneministeriums nach Alexander Kondrashov.Screenshot
Der Fahndungsaufruf des ukrainischen Inneministeriums nach Alexander Kondrashov.Screenshot

Dass die Ukraine Anfang 2019 gegen den Besitzer der Eissporthalle internationalen Haftbefehl erlassen hat, berichtete diese Zeitung bereits. Was verwundert: Das Fahndungsgesuch liegt offensichtlich nicht in Deutschland vor. Das könnte verschiedene Gründe haben.

Als Christian Pörtner, stellvertretender Leiter der Bad Kissinger Polizeiinspektion, mitbekam, dass Hallenbesitzer Alexander Kondrashov angeblich international gesucht wird, prüfte er das gleich nach. Er bemühte alle verfügbaren Datenbanken, das bundesweite Fahndungssystem - und fand: nichts. "Es liegen keine Unterlagen oder Informationen über einen internationalen Haftbefehl gegen Herrn Kondrashov vor." Das bedeute für die Polizei, dass sie "keinen Grund zu seiner Festnahme" hat. Ob die Ukraine Herrn Kondrashov suche, wisse er nicht.

Recherchen der Deutschen Welle (DW), des Auslandsrundfunks der Bundesrepublik Deutschland, ergaben etwas anderes. Demnach belegen "der DW vorliegende Gerichtsdokumente", dass "gegen K.(ondrashov) im Februar 2019 durch ein Gericht in Kiew ein internationaler Haftbefehl erlassen" wurde. Dem früheren hohen Steuerbeamten wird laut einem DW-Artikel vom 23. Dezember in seiner Heimat "Missbrauch seiner Befugnisse und organisierte Steuerhinterziehung im großen Stil" vorgeworfen. Dem ukrainischen Staat sollen umgerechnet 37 Millionen Euro Schaden entstanden sein.

Doch wie passen diese beiden gegensätzlichen Aussagen zueinander? Ist eine von ihnen falsch? Eine Nachfrage bei der Pressestelle des Bundeskriminalamts (BKA) in Wiesbaden ergibt Überraschendes: Beide Informationen könnten stimmen. Laut BKA-Sprecherin Sandra Clemens sind theoretisch mehrere Gründe möglich, warum das Fahndungsgesuch nicht in Deutschland ankam.

"Es muss nicht sein, dass diese Ausschreibung aktiviert wurde", sagt Clemens. Wenn ein Land eine internationale Suchanfrage stelle, müsse sie definieren, für welche Staaten oder Staatenverbünde (zum Beispiel Europäische Union oder Schengen-Raum) sie gelten soll. Sollte die Ukraine tatsächlich ein Fahndungsgesuch für Deutschland gestellt haben, muss das laut der BKA-Sprecherin geprüft werden. Das erledigen BKA oder Bundesamt für Justiz. Das hänge auch von der Art der Straftat ab. Es könne sein, dass das Kondrashov betreffende Gesuch noch in der Prüfung ist. Oder abgelehnt wurde.

Darüber, ob und auf welcher Ebene der Fall Kondrashov "hängengeblieben" sein könnte, sagt Sandra Clemens nichts. "Personenbezogene Auskunft dürfen wir nicht erteilen." Doch spricht einiges dafür, dass der "internationale Haftbefehl" die Ukraine nie verlassen hat. Das belegen weiterführende Recherchen des DW-Autoren.

Demnach war das Verfahren, in dem auch Kondrashov Verdächtiger ist, bis November 2019 bei der Militärprokuratur - einer Unterabteilung der Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine - angesiedelt. Auf Antrag der Militärprokuratur habe das Kiewer Bezirksgericht Petschersk den Haftbefehl für Kondrashov - schon mit internationaler Dimension - bewilligt. Dagegen habe sein Anwalt Klage eingereicht. Das Berufungsgericht Kiew soll dann am 21. November 2019 die Beschwerde gegen den Haftbefehl - und damit die internationale Fahndung - an die Berufungskammer des erst vergangenes Jahr gegründeten Antikorruptionsgerichts verwiesen haben.

Schon zwei Tage zuvor wurden weitere Ermittlungen in Kondrashovs Strafverfahren an das Antikorruptionsbüro der Ukraine übergeben, heißt es in der Quelle. In diesem Büro, so die Erfahrung des DW-Journalisten, dauere es sehr lange, bis die Ermittler sich in einen speziellen Fall eingearbeitet hätten. Hinzukäme, dass durch eine Reform der Ermittlungsbehörden das Antikorruptionsbüro mit sehr vielen zusätzlichen Fällen betraut worden sei. Damit sei diese kleine Behörde überfordert. "Sie kann die vielen neuen Verfahren nicht zeitnah abarbeiten."

Die Mühlen der Justiz mahlen also auch in der Ukraine langsam. In diesem Fall zum Vorteil Alexander Kondrashovs. Denn solange sich offensichtlich die Berufungskammer des Antikorruptionsgerichts nicht mit dem Einspruch gegen den Haftbefehl und die internationale Fahndung befasst, bleibt beides ausgesetzt. Der Ukrainer kann sich frei bewegen. Auch in Deutschland.

Der DW-Journalist geht aber davon aus, "dass die Antikorruptionsstaatsanwaltschaft den Gerichtsbeschluss (des Kiewer Gerichts, d.R.) offiziell zugestellt bekam. Denn deren Staatsanwälte müssen nun vor diesem Gericht begründen, warum der Haftbefehl und die internationale Fahndung begründet sind." Es könne Monate dauern, bis sich die Staatsanwälte in den Fall eingearbeitet hätten. Eine Anfrage der Redaktion zum Stand des Verfahrens läuft. Der Behörde bleiben für die Antwort maximal 30 Tage Zeit.